Dorfkino

Früher, da gab es nicht nur das eine Multiplexkino in der Stadt, Kilometer entfernt. Früher, da gab es diese kleinen Dorfkinos mit nur einem Saal, die teilweise nur zwei Filme pro Woche zeigten – dann aber abgesprochen mit den Kinos mit den umliegenden Dörfern. So konnte man in Bad Gandersheim „Zurück in die Zukunft“ sehen, während in Einbeck „Die Farbe Lila“ lief.

Ich wurde in den Residenz-Lichtspielen in Bad Gandersheim sozialisiert. Aufgewachsen bin ich in einem Nachbarort, aber nachdem ich dort 1980 „Krieg der Sterne“ gesehen hatte (Ich war 5!) haben die zugemacht.

Das Kinosterben hatte damals schon begonnen, was aber zum Teil auch an den wirklich schlecht geführten Häusern lag. Wenn über Jahrzehnte nichts investiert wurde, die Lautsprecheranlage auf dem technischen Stand von 1938 hängen geblieben war und die Sitze so durchgesessen, dass einem die Federn eine Lumbalpunktion verpassten, dann wollte man da nicht unbedingt rein. Aber es gab auch die anderen, die ihr Kino mit Herz und Liebe, aber meist ohne viel Geld führten. Für die meisten Kinobetreiber war es ohnehin ein Nebenhergeschäft: Tagesüber Fleischer, Abends Kinobetreiber. Das musste nicht schlimm sein – die Leute machten Kino teilweise nicht weil sie mussten, sondern weil sie Kino liebten. Vor allem liebten Sie IHR Kino.

Ein Dorfkino, das war in der Regel ein Saal mit vielleicht 100 Plätzen vor, ganz steampunkmäßig alt (30er-50er Jahre)eingerichtet, teilweise mit Plüsch u.ä. Manchmal sogar mit Tischen und Bedienung am Platz, in manchen durfte man noch rauchen. Vor dem Film wurden 5 Minuten handcolorierte Dias von Geschäften im Ort gezeigt und ein(!) Werbespot. Im Winter für Kopfhörer, im Sommer für Langneseeis. Dann ging schon die Trailershow los. Damals hieß das nicht Trailer, sonder Vorschau. Woanders als im Kino konnte man keine Vorschauen sehen. Dann ging auch schon der Film los.

Der Filmvorführer gab sich die größte Mühe, alles aus Bild und Ton rauszuholen, während seine Mutter oder die Ehefrau im Foyer Süßigkeiten einzeln verkaufte. Und nach der letzten Vorstellung konnte man die Kinoposter mitnehmen, einfach so. Das waren Dorfkinos. Besser als Multiplexe. Leider halt aber auch Altmodisch. Als die Multiplexe aufkamen, starben viele der Dorfkinos an Altersschwäche – in moderne Speicher- und Projektionsverfahren und ordentliche Soundsysteme konnten und wollten viele Betreiber nicht investieren. As wäre aber nötig gewesen, um in der Publikumsgunst mit den modernen Multiplexen mithalten zu können. Von vielen Dorfkinos sind die Räume sogar noch erhalten, aber sie werden seit vielen Jahren nicht mehr bewirtschaftet. Ich habe mir voll den Ast gefreut als ich gesehen habe, das mein Lieblingsdorfkino seit einem Jahr wieder offen hat – getragen von einem Verein der Filmfreunde. Die machen sogar 3D.
Da muss ich unbedingt hin. Was habe ich damals dieses Kino geliebt. Dort habe ich alle wichtigen Filme gesehen, von „Top Gun“ über „Zurück in die Zukunft“, „Ghostbusters“ bis hin zu „Cap & Capper“. Anfangs nur mit Eltern, später durfte ich allein mit dem Zug fahren (einen halben Tag unterwegs für einen Film, aber das war ABENTEUER) und irgendwann hatte ich eine Simson und konnte fahren wann ich wollte. Das habe ich weitlich ausgenutzt: Allein „Terminator 2“ habe ich bestimmt ein Dutzend mal in diesem Kino gesehen. Konnte ich mir auch leisten: 2,50 DM die Schülerkarte.

Kino ist etwas, das im Leben zählt. Wenn Liebe drin steckt. Und das Publikum nicht nur reingeht, um die Zeit bis zur Kneipe zu überbrücken, oder um die Schnalle im Nebensitz ins Bett zu kriegen.

Kategorien: Betrachtung, Historisches | 10 Kommentare

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10 Gedanken zu „Dorfkino

  1. Wie Recht du doch hast. Mein altes Dorfkino existiert heute noch und ist nach wie vor so gut besucht. Der kleinste Kinosaal hatte Wohnzimmercharackter, während im „großen“ eine Bedienung rumrannte und Rauchen erlaubt war. Bis auf das Rauchen hat sich da nix geändert. Der Bezitzer muss inzwischen an die 100 Jahre alt sein und sitzt zusammen mit seiner Frau immer noch an der Kasse, während Sohnemann den Projektor bedient. Ich find es schön, dass es doch immer wieder Kinos gibt, die sich gegen dir großen durchsetzen können.
    Wie kommst du denn gerade auf das Thema Kino? Können wir nun als nächstes eine Batman Rezension erwarten?

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  2. Einen aktuellen Anlass gibt es nicht. Der Artikel lag schon länger rum, ich wollte das einfach mal gesagt haben. Kennen viele ja gar nicht mehr, die Dorfkinos. Vor rund einem Jahr habe ich dann ein Mittelding zwischen Dorkino und Multiplex kennengelernt: Winziges Familienunternehmen, aber mit drei Sälen und moderner Technik. Ein Dorfplex, sozusagen. Damals ist der Gedanke entstanden, mal drei Zeilen über Dorfkinos zu schreiben.

    Möchtest Du ernstahft wissen wie ich „The Dark Knight Rises“ fand?

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  3. Gerade das Kino, wo ich „The Dark Knight Rises“ gesehen hab, war ich schon recht überrascht: Es gab KEINE Werbung und KEINE Vorschau! Der Film lief einfach los und wusste erst garnicht, dass es keine Vorschau war, dementsprechend hab ich dann auch aufgepasst >:-/
    Das Kino war übrigens in Bad Aibling (BY).

    In München gibts auch noch so ein „Dorfkino“, das „Museum-Lichtspiele“ seit 1910 mit ca. 15 Plätzen und Original-Ton-Filmen! Absolut geil, urig und kultig!

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  4. Oh ja, die Kult-Lagnese-Spots… die laufen auch im Hobbykino meines Vaters, ebenso wie ein Vorfilm, jeden Monat aktuell auf sein Programm abgestimmte Trailer…

    Tendenziell bin ich aber ein Freund des Multiplex-Kinos, dafür habe ich in den kleinen Kinos zu viele schlechte Erfahrungen gemacht. In Karlsruhe hat man uns doch tatsächlich eine halbe Stunde vor dem Kino stehen lassen…

    Was einfach für mich entscheidend beim Multiplex-Kino ist, ist die Auswahl. Gerade weil ich eher auf Qualität bei den Filmen achte und einen höheren kulturellen Anspruch an Filme habe als ihn Blockbuster bieten, finde ich gerade dort auch Filme, die meinen Geschmack treffen. Durchaus von Vorteil finde ich auch, dass ich die Karten wirklich im Internet kaufen kann, und dann direkt in den Kinosaal kann, ohne vorher in der Schlange stehen zu müssen. Das ist zwar alles nicht sehr traditionell, aber es gefällt mir – ich möchte nicht gerne auf den Komfort verzichten.

    Außerdem: es hat vorzüge, einfach kurzentschlossen zu jeder Tages- und Nachtzeit einfach sich entscheiden zu können, ins Kino zu gehen.

    Ich hatte mal eine Freundin, die in Norddeutschland auf einem Dorf gewohnt hat, und da hat man dann um 10 schon pech gehabt – auch am Wochenende, und auch wenn man bereit ist, in die nächste Stadt zu fahren – „Spätvorstellung“ gab es genau so wenig, wie die gewohnte Auswahl.

    Es ist nicht alles schlecht, was modern ist.

    P.S.: ja ich bin nach wie vor Pi, ich habe mir der Bequemlichkeithalber nur ein WordPress-Konto zugelegt.

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  5. Damnzzr: Na, SO klein muss es dann doch nicht sein 🙂

    Pi: Sehr gut! Jetzt nur noch anfangen zu bloggen 😉
    Ich mag die Idee, die hinter einem Multiplex steht. Mit meinem ersten selbstgebastelten Radio (YPS Extra, wissenschon) hörte ich eine Sendung, in der ein gewisser Herr Flebbe kund tat, was für ihn Kino sei und wie er Kino retten und zum Erlebnis und aus den stickigen Dörfern befreien wollte. Das hörte sich alles großartig an, leider war die Ausführung das genaue Gegenteil. Mittlerweile ist sogar Flebbe so frustriert, dass er seine Cinemaxx-Aktien gverkauft hat und wieder ein kleines Kino in Hannover betreibt. Was mich am Multiplex so aufregt, ist neben dem Publikum auch die Preispolitik (in unserem Multiplex: Pro übers Internet gekaufte Karte +0,50 Euro Onlinezuschlag, Abholung an einem Automaten, der in 90% der Zeit defekt ist), das Publikum (gefühlt nur die Hälfte wollen den Film sehen oder interessieren sich für das Thema) und die Lieblosigkeit sowie der Spardruck (unscharfe Projektoren, scheppernde Lautsprecher). Ich habe das mal aufgeschrieben:
    https://silencer137.wordpress.com/2010/02/09/cinemaxx-ihr-habt%c2%b4s-nicht-verstanden/
    https://silencer137.wordpress.com/2008/05/03/groses-kino/
    https://silencer137.wordpress.com/2008/09/04/von-diskriminierung-und-zersagten-filmen/

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  6. Dass in Nürnberg alles besser ist (nein, dass in Nürnberg wirklich alles perfekt ist) habe ich ja an anderer Stelle schon verraten 😉

    im Cinecitta gab es die Automaten auch mal, die nie funktioniert haben, doch man hat daraus gelernt: Man kann seine Karten ohne Aufschlag zu Hause kaufen, selber ausdrucken und dann direkt in die Vorstellung gehen. Im Gegenteil sammelt man sogar Punkte für gesehene Filme und bekommt ab einer bestimmten Anzahl eine Freikarte. Die Ausstattung der Kinosääle ist auch wirklich gut. Warum gibt es nicht mehr solcher echter Multiplexkinos?

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  7. SO würde ich mir das auch wünschen. Jetzt noch den Part mit dem Ausdrucken wegabstrahieren und das Ticket in die App integrieren, dann kommt das meiner Wunschvorstellung schon sehr nahe.

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  8. Ob man sich das Ticket wirklich ausgedurckt hat, interessiert wirklich niemanden. Die Sitzplatzkontrolle erfolgt elektronisch, d. h. es wird letztenendes über Sensoren geprüft, ob nur die Plätze besetzt sind, die auch bezahlt sind. Und falls es doch mal einer genau wissen will, reicht im Zweifel die Bestätigungsemail auf dem Handy auch…

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  9. Wow?! Das klingt ja echt wie Science Fiction. Funktioniert das wirklich? Ich meine, das heisst doch auch: Parkett gibt es nicht mehr, und wenn alle sich nicht hundertprozentig exakt dort sitzen, wo sie gebucht haben, ist das System durcheinander und Nachkontrolle angesagt. Und Kiddies teilen sich eine Karte und sitzen aufeinander. Hm.

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  10. Die machen sich das viel einfacher: Sie zählen einfach nach, ob mehr Leute im Kino sitzen als Karten gekauft worden sind, und wenn die Zahl erheblich abweicht, gibt es nach dem Film tatsächlich eine Nachkontrolle. Vor ca. 20a, als das Cinecitta neu war, wurden regelmäßiger Nachkontrollen etc. gemacht, aber mittlerweile habens die „Schwarzseher“ kapiert – und ich vermute, es ist wie überall, wenn da tatsächlich 2 Kinds aufeinander sitzen, lohnt es sich trotzdem nicht, einen Platzanweiser zu zahlen, der die rausschmeist.

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