Herr Silencer im August 2024
“A me basta di sapere che mi pensi anche un minuto.”
Wetter: Sonnig und warm, Mitte des Monats dann heiß mit über dreißig Grad. In der zweiten Monatshälfte fallen die Temperaturen um. Es wird mit 14 Grad kühl und fühlt sich nach Herbst an, dann reißt es noch einmal auf 30 Grad hoch, und unmittelbar danach stürzen die Temperaturen nachts ins einstellige. Sie letzte Woche ist dann ein Auf und Ab: Tags bis zu 28, nachts mal 16, mal 9 Grad. Den ganzen Monat über kein Regen.
Lesen:
Wolf Schneider: Deutsch für junge Profis – Wie man gut und lebendig schreibt
Gelungene Einstiege, für Leser:innen spannenden Schreibweise, unnütze Worte die weggelassen werden sollten, vermeintliche und echte Sprachtabus – Journalisten-Urgestein und Sprachprofi Wolf Schneider gibt Tipps für die Praxis, hier mit dem Fokus auf Online-Medien. Wie schreibe ich für Twitter (das Buch ist schon älter), für Blogs, für Webseiten?
Locke & Key: The Keyhouse Compendium
Rendell Locke wird bei einem Überfall getötet. Seine Witwe zieht mit den drei Kindern in ein altes Haus, das seit 300 Jahren im Besitz von Rendells Familie ist und den Namen “Keyhouse” trägt.
Der Name ist Programm, die Locke-Kinder entdecken seltsame Schlüssel im Haus. Die sind magisch, öffnen Türen zu weit entfernten Orten, den eigenen Kopf oder ermöglichen Gestalt- und Geschlechtwandelei.
Dummerweise ist noch jemand anderes hinter den Schlüsseln her. Letztlich müsse die Locke-Kinder die Jugendfehler ihres Vaters ausbaden.
Ich hatte auf Netflix einen Trailer zur Verfilmung gesehen und “Locke & Key” als Geschichte für Kinder abgetan. Wie falsch ich damit lag! Ja, Kinder bzw. Teens sind die Protagonisten der Story, aber der Plot gleitet spätestens ab dem zweiten Akt ins richtig Düstere ab, bedient sich Horrorelementen und kommt nicht unbedingt zu einem Happy End.
“Das Keyhouse Compendium” enthält auf fast 1.000 dünnen, aber hochfesten und exzellent gedruckten Seiten die gesamte Reihe, die von 2008 bis 2013 veröffentlicht wurde. Hat Längen, aber nicht viele. Erreicht nicht die Qualität des “Golden Age”-Bands, bringt aber genug Ideen mit um immer wieder zu überraschen und die Spannung zu halten. Schön gezeichnet, durchgesuchtet.
Marc-Uwe Kling: Views
Im Harz wird ein junges Mädchen von drei Afrikanern überfallen, vergewaltigt und ist dann verschwunden. Von der Tat kursiert ein Video in den sozialen Medien. Mit den erwartbaren Folgen: Die BILD fährt eine Kampagne gegen Ausländer, die üblichen Politiker fordern Abschiebungen, die AFD hetzt und rechte Influencer gründen “AH” – den “Aktiven Heimatschutz”. Die Polizei reagiert schnell und sucht überall nach Spuren, findet aber überhaupt nichts. Stattdessen kommt es im Land zur Selbstjustiz.
Was mir gefällt: Ein hochgefährliches Szenario, gnadenlos durchgespielt und beschrieben von jemandem, der sich mit Social Media und aktueller Technik auskennt – selbst ChatGPT hat einen Auftritt.
Was mir nicht gefällt: Kling hat anscheinend Tech- und Plotpoints an ein Bord gepinnt, mit einem sehr groben, roten Wollfaden verbunden und das ganze Ding in drei Wochen runtergeschrieben. Wie er in der Geschichte von A nach B kommt ist meist zweitrangig und holprig erzählt. Im Zweifel hat die Protagonistin halt eine Intuition und steht dann am nächsten Plotpoint. Um die gröbsten Unebenheiten zu glätten, wurde ein wenig sozialer Kitt aus dem Leben der Hauptfigur drübergeschmiert, was den Flow nicht verbessert.
Dazu kommt der leicht unfokussierte Schreibstil, den ich schon in “Qualityland” nicht mochte und der mit popkulturellen Anspielungen und ungeschickt eingeflochtenem Wissen überladen ist. Das Tatopfer heißt Lara Palmer – hier, fast wie die in Twin Peaks, kennste, kennste? – Das ist so platt, das selbst die Charaktere sich darüber mokieren, aber der Autor kann anscheinend nicht davon lassen. Auch grob hingezimmerte Erkenntnisse, wie dass es GPS-Tracker bei Amazon gibt und was LLMs aktuell können und was nicht, lässt Feuilletonisten staunen (“Ich habe sooo viel gelernt aus diesem Buch!”, Deutschland Funk), echte Menschen eher nicht.
Da spielt es dann fast keine Rolle mehr, dass das Ende wirkt, als hätte der Autor selbst keine Lust mehr darauf gehabt und es schnell hingeschrieben, während er eigentlich schon zum Abendessen gerufen worden war.
In der Summe: Wichtiges Thema, leider schlecht erzählt.
Hören:
En Vogue – Greatest Hits
Aaaaah, die 90er.
Sehen:
Kevin can f** himself [2021, Amazon Prime]
Allison ist mit Kevin verheiratet. In ihrem heruntergekommenen Wohnzimmer hängen ständig Kevins Vater sowie sein bester Freund und dessen Schwester ab und schmieden absurde Pläne. Die gehen immer schief, und Kevin muss sich irgendwie herauslavieren.
Klingt nach einer typischen Sitcom? Ist es auch. Aber nur zur Hälfte. Immer wenn Kevin auftaucht, ist die Serie wie eine Sitcom gefilmt: Statische Kulisse, grell ausgeleuchtet, knallige Farben, Lacher vom Band.
Die Kamera begleitet aber Allison und deren Geschichte, und wenn Allison alleine ist, wechselt die Perspektive und der Look der Serie: Die Kamera wird mobil, die Farben sind entsättigt, das Licht realistisch. Hier wird der echte Struggle einer Sitcom-Wife gezeigt, die Probleme, Träume und Ambitionen hat. Denen steht im Weg: Kevin.
Superinteressantes Konzept, das bei mir sofort verfangen hat. Dazu trägt auch die tolle Performance der Hauptdarstellerin bei. Interessant auch, was der Perspektivwechsel anrichtet: Schon nach zwanzig Minuten wird Kevin im Auge des Betrachters von einer liebenswert-witzigen zu einer ekligen Figur. Die Serie ist auch ein harscher Kommentar zu patriarchial geprägten Lebenssituationen, bei denen der Machtausübende egoistisch und infantil ist und die Verletzungen, die er zufügt, nicht mal registriert.
Man fragt sich unweigerlich, wie es Peggy Bundy oder der Frau von dem Typen aus King of Queens eigentlich hinter den Kulissen ging.
Furiosa [2024, BluRay]
Als Kind wird Furiosa von einer Gang entführt. Sie wächst unter Feinden auf und wird zum Road Warrior ausgebildet. Jahre später fährt sie Zeugs auf der Fury Road hin und her, vergisst aber nie, dass sie sich an dem Mann mit der Nase rächen will.
Nahtloses Prequel zu “Fury Road”. Das hier ist der interessantere Film, weil hier mehr dran ist: Mehr Geschichte, mehr Charakterzeichnung, mehr Worldbuilding und mehr Nase. Im Ernst: WARUM trägt Chris Hemsworth den ganzen Film über eine alberne Gumminase? Durch die scheint sogar in manchen Szenen das Licht! Hat für mich immer wieder die Immersion gebrochen.
Abseits davon: Sehr gut gemachter Actionfilm, spannend, tolle Einfälle, super Darsteller. Zu Unrecht an den Kinokassen untergegangen. Vermutlich hat die Nase den Film versenkt.
The Newsroom [2012-14, Staffel 1, BluRay]
Alternder republikanischer Newsanchor wird hart getriggert, als plötzlich seine Ex-Flamme seine neue Producerin werden soll. Die Folge: Er und seine Redaktion arbeiten aus Trotz wieder richtig journalistisch – und legen sich mit allen an.
Was für ein Juwel diese Serie ist! Die Themen sind die des echten Lebens der 2010er Jahre: Der Aufstieg der Far Right. Fukushima. Klimawandel. Hier werden krasse Themen verhandelt, und das auf eine Art und Weise, dass man fast Tränchen in den Augen hat, weil man sich Journalismus GENAU. SO. WÜNSCHT.
Das geht auch durchaus schonmal an die Schmerzgrenze, wie diese Sequenz zeigt:
Gleichzeitig führt die Serie vor Augen, wie Trump passieren konnte. Vor 15 Jahren, als die Handlung spielt, war die Tea Party-Bewegung die Anti-Establishment-Bewegung. Die wurde aufgesogen von den evangelikalen Rechten, die sich zunehmend radikalisierten und am Ende die Republikaner übernahmen. Slogans von “gestohlenen Wahlen” gingen damals schon rum, wenn die Republikaner verloren. Gleichzeitig änderte sie die Wahlgesetze so, dass sie bestimmte Bevölkerungsgruppen von der Wahl ausschlossen oder selbst dann gewannen, wenn sie weniger Stimmern bekamen.
Diese Mechanismen führten letztlich zu Trump, und die Serie zeigt das aus Sicht – eines Republikaners!
Weder in der Serie noch im echten Leben kam das gut an, diese erstklassige HBO-Serie nach drei Staffeln beerdigt und läuft bis heute nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit auf Sky oder Wow oder Go oder wie der Kram diese Woche gerade heißt. Ordentliche deutsche BluRay-Veröffentlichungen gibt es auch nicht. Schade, denn die Serie ist wichtig – in ausnahmslos JEDER Folge gibt es Momente, die sich ins Gedächtnis einbrennen.
Der Plan [2011, BluRay]
Matt Damon ist ein aufsteigender Nachwuchspolitiker. Immer wieder begegnet er einer Frau, die für ihn bestimmt zu sein scheint – und immer wieder trennen verrückte Zufälle die beiden. Dann kommt raus: Schuld daran sind die grauen Herren vom “Bureau of Adjustment” (so auch der Originaltitel des Films), die kleine Änderungen vornehmen um DEM PLAN gerecht zu werden, und DER PLAN sieht nicht vor, dass Matt Damon mit Emily Blunt zusammenkommt.
Kleiner, feiner High Concept Film. Ist das romantisches SciFi? Oder eine Romanze mit übernatürlichen Elementen? Keine Ahnung, auf jeden Fall gefällt mir diese Mischung, die zum Ende hin ein wenig in “Dark City” plus “Dogma” (den Film von Kevin Smith, nicht das Lars-von-Trier Ding) kippt. Dazu kommt: Matt Damon, Emily Blunt, “Captain America” Anthony Mackie und “Mad Men”-Gesicht John Slattery spielen hier wirklich fantastisch.
Spielen:
Gears of War 3 [2009, XBOX 360 auf XBOX Series X]
Planet Dingens, Space Marines gegen Krabbelviecher.
Sehr cooler Deckungsshooter mit riesigen Actionpieces. Kurzweilig, knallt, Gameplay ist perfekt und sieht auch heute, 13 Jahre nach Release, noch gut aus. Erstaunlich vielfältig und die Kampagne ist überraschend lang.
Gears 5 [2019, XBONE auf XBOX Series X]
Planet Dingens, Space Marines gegen Krabbelviecher.
Fortsetzung der Geschichte aus Teil 4, dieses Mal mit Open-World-Hubs und einer besser geschriebenen Hauptfigur, die sogar eine Motivation mitbringt. Die ist weiblich (die Hauptfigur, nicht die Motivation), weshalb Fanboys einen Pflaumensturz bekamen. Ich habe Kat Diaz aber sehr gerne gespielt. Kurzweilig, Gameplay und Balance wieder perfekt, riesige Setpieces. Sechzehn Stunden Blockbusterunterhaltung auf hohem Niveau.
Machen:
- Neues Auto suchen, kaufen und den Kram drum rum organisieren
- Aygo verkaufen
- Die nagelneuen Aygo-Winterreifen loswerden und Yaris-Winterräder organisieren
- Arbeit Arbeit Arbeit
- Letzter Feinschliff Ausstattung und 10.000er Durchsicht V-Strom
Neues Spielzeug:
SW Motech EVO LED Nebelscheinwerfer. Nach den ernüchternden Eindrücken zur Beleuchtung der V-Strom hat sie etwas bekommen, über das ich bislang gespottet habe: Zusatzscheinwerfer.
Es ist deutlich zu merken, dass aus dem Vorderteil des Motorrads jetzt drei Mal mehr Licht kommt als vorher. Erhöht die Sicht und die Sichtbarkeit. Sind natürlich Scheinwerfer die, hrmpf, nur bei Nebel eingeschaltet werden. Alles andere ist ja, hrmpf, in Deutschland nicht erlaubt.
Außerdem: Eine Baby Special 276 von Feuerhand. Der Klassiker, aber mit LEDs und zwei 18650er Akkus. Damit leuchtet das Ding, sagt der Hersteller, 14 Tage am Stück. Aber der behauptet auch, das Licht sei exakt wie das einer Öllaterne. Ist es nicht, es ist weniger warm. Nicht so schlimm kalt wie bei den chinesischen Fabrikaten, aber schon anders als eine echte Flamme.
Egal.
Was halt nett ist: Das Ding riecht nicht und überlagert damit nicht den Sommernachtsduft des Jasmin. Und es läuft nicht aus – anders als die letzte Öllampe, die ich vor zwei Jahren von Feuerhand gekauft habe. Das 2022er Modell des “Traditionsherstellers” ist so billig zusammengepfriemelt, dass es inkontinent ist, anders als seine 60 Jahre alten Geschwister. Rumpladderei passiert bei der LED-Version bestimmt nicht.
Ding des Monats
Ein 2021er Toyota Yaris in Mangan-Bronze.
Archiv Momentaufnahmen ab 2008