Großes Kino
Der Freitag Abend kann so schön sein – redet man sich jedenfalls als jemand ein, der entweder Freitag die Nachtschicht oder Samstag die Frühschicht schieben muss, also nie die Nacht von Feitag auf Samstag in freier Wildbahn miterlebt hat.
Eine der Höllen der Freitag Nacht heisst Multiplex Kino. Sowas gibt es Göttingen.
Ja, ich habe den Abend (und die Beobachtungen) mit Schildmaid geteilt.
Schon das Erstehen der Eintrittskaten kostet Nerven, muss man dazu doch geschätzt zweihundertfünfzig betont lässige Spätpubertierende aus dem Weg schubsen. Quasi der Limbus, die Kinderhölle.
Na ja, versucht man sich zu beruhigen, die lächerlich bekleideten, gerade mal adoleszenten Beschäler mit den albernen Tiffen knechten vermutlich unter der Woche in ihrem Job als Klempnerazubi-Praktikant schwerstens herum – und der Freitag Abend gehört schließlich allen.
Diese Art von megatolerantem Denken kann nur jemand nachhängen, der noch nie an einem Freitag Abend in der 20 Uhr Vorstellung eines örtlichen Grosskinos etwas von einem Film mitbekommen wollte.
Hier ist sie, die Brutstätte des ultimativen Hasses.
Ich weiss ja nicht ob es an mir liegt, aber ich hab immer das Gefühl, der ganze Kinosaal ist still…bis auf den dämlichen Laberkopp im Umkreis von ca. 3 Metern um mich herum, der permanent erzählen muss, was er auf der Leinwand gerade sieht bzw. versteht.
Feldversuch: Es beginnt bereits mit der Werbung. Das Pärchen neben mir, zu Beginn noch recht schweigsam (zumindest solange es hell war…”die ham sich nix zu sagen” ist meine erste Vermutung, finde ich bestätigt durch die Tatsache, das die Tiffe im Kinomagazin den Artikel zu dem Film liest (oder sich zumindest die Bilder anguckt) den sie gleich sehen wird), wird langsam lauter, da stets einer der beiden nicht in der Lage ist, die gezeigten Werbespots intellektuell auch nur annährend zu erfassen. Zwischendurch wirds richtig laut, weil er behauptet, ” der Stefan ist ein blöder Arsch”, während sie dagegenhält, der Stefan sei “echt doch voll intelligent irgendwie”.
Na, wie sieht denn der Intelligenztest bei den Freitagabenddeppen aus? Wer kapiert “Bernd-Müller”-Werbung als erster, oder was?
Unterdessen haben in der Reihe hinter uns Deppen des nervigen Typus platzgenommen. Meist zu dritt, wie in diesem Fall, sitzt in der Mitte immer der, der im realen Leben nie was zu melden hat, aber da seine scheissigen Freunde es nicht hinkriegen, gleichzeitig blöd zu gucken und zu labern, erwarten ihn hier wenigstens einmal in der Woche keine Widerworte.
Resultat: der unterbelichtete Matschkopf klappt auf und Worte rieseln heraus wie Pulverschnee. Qualität zählt hier nicht und wird durch Quantität wett gemacht. Ganz egal was. Der minderbemittelte Quarkdenker unterhält seine gesamte Umgebung gern mit seinem profundem Halb- bzw. Nichtwissen, und wenn das grad nicht greifbar ist, dann auch mit dem uninspirierten abspulen von redundanten Fakten, etwa über die Abholzyklen von Papierkontainern in und um Göttingen herum.
Seine fischartigen Bekannte grinsen dazu im Takt und verschütten Popcorn über die samtenen Quetschboxen, die vornehm “Logensessel” genannt werden.
Warum das eigentlich, schiesst es mir unvermittelt durch den Kopf, wo ich es doch kaum schaffe, meine unter-europäisch-Mittelmass-Statur darin zusammenzufalten. Wie halten das Leute über 1, 75 m mehr als 2 Stunden aus??
Egal, bevor das Licht komplett ausgeht, werfe ich noch mal einen Blick nach hinten, damit ich weiss, mit welcher Art von Feind ich es genau zu tun hab.
Meine schlimmsten Erwartungen werden bestätigt. Laberbacke sieht aus wie Hitler mit 40 KG Übergewicht, aber wenigstens der Schnurrbart ist original. Der schwammige Elektroinstallateursgehilfe, der mit 22 schon aussieht wie ein Abbild seiner Eltern (Rotzbremse von Papa, Figur von Mama) gehört zu jenem Typus Mensch, dem man ungern die Hand gibt. Weil man bereits beim ersten ansehen der Person weiss, wo deren Hand als letztes angelegt wurde. Genau jenen Menschen, bei denen man schon mal schaut, ob sie nicht noch ein Kleenex im Schritt kleben haben.
Jenen Menschen, denen man sofort den Satz “ich hab mein Hobby zum Beruf gemacht” glauben würde, wenn es neuerdings Geld fürs onanieren gäbe.
Seine Freunde sehe aus wie die “Lone Gunmen”, aber ohne jegliche Ahnung von Computern.
Egal, die hat ja Laberbacke, denn nun verkündet er sein unfundiertes, im Internet angelesenes Wissen über den Ausgang des gleich zu schauenden Filmes.
Während ich noch über, durch Miterdenbewohner hervorgerufene, Agressionen nachdenke, läuft der Trailer zu „Indian Jones IV”.
Kein Gedanke daran, die Vorschau zu geniessen: Während Tussi neben mir immer wieder auf voller Lautstärke beteuert, das sie diesen Dings, diesen Schasupieler von Han Solo, wieheissternochgleich, hasst, verkündet Laberbacke lauthals, dass er ja weiss, dass Darth Vader Lukes Vater ist. Nun, vor 21 Jahren hätte darauf die Todesstrafe gestanden. Und zumindest hat Tussi nicht behauptet, dass sie Star Wars nicht ausstehen kann, weil sie Picard scheisse findet. Besteht noch Hoffnung?
Nein.
Laberbacke bzw. seine Nachtschattengewächse müssen immer wieder in Dolby-Surround wiedergeben, was sie gerade auf der Leinwand miterleben, und das filmische Machwerk mit brilliant-scharfen Bemerkungen wie “Oh-Oh”, “Das war jetzt nicht schlau”, oder “aha, dahin sind die Kieferknochen verschwunden” aufwerten. Problem: mangels Multi-Tasking-Fähigkeit geht nur eins von beiden: quatschen oder gucken. Der, der grad labert, muss von seinem Kumpel die Handlung der letzten Sekunden nacherzählt bekommen. Während der nacherzählt, kann er natürlich nicht gleichzeitig Filmgucken, deswegen muss kurz darauf der Nächste erzählen…das erklärt, warum die Loser immer im Dreierpack aufkreuzen.
Dabei wird PopCorn gefressen, mit Chips rumgeknistert und Cola gesoffen, alles in einer Lautstärke, dass nur so eine Pracht ist.
Drei Reihen vor mir brüllt einer in sein Handy, dass er jetzt nicht telephonieren kann, weil er gerade in einem total geilen Film sitzt und beschreibt dann prompt, was er grad so auf der Leinwand sieht. Neben mir pflanzt sich Tussi auf ihrem Macker fort, auf das noch mehr Bescheuerte den Planeten bevölkern.
Was soll das? Warum bezahlen Leute nicht grad wenig Kohle, um sich anschliessend nicht die Bohne für den Film zu interessieren?
Oder ist es gerade der hohe Preis, der es rechtfertigt, dass sich alle benehmen, als wären sie in ihren eigenen, verquarzten vier Wänden? Wundert mich eigentlich, dass ich noch niemand im Kino duschen gesehen hab.
Naja, die Laberbacke ist mit einem gezielten Wutausbruch erledigt – Praktikant bleibt Praktikant, schlägt man die richtige Tonart an, isser für fünf Minuten ruhig. Schwieriger isses schon, aus besagtem Multiplex wieder wegzukommen: während die Tiffen mit orientierungslosem Grinsen in der Gegend rumstehen, versuchen ca. 5000 potentielle Autofahrer an 2 Parkautomaten die fällige Abzocke zu entrichten. Nicht, das es dabei gesittet zuginge: die Tussis gucken ja zu, also wird gedrängelt, geschubst und mit den Testosterongefüllten Eimern um sich geschlagen resp. mit den HJ- Stachelfrisuren gedroht.
Was soll man als halbwegs Zivilisierter zu solchen Vegetanden sagen? “Komm doch her, Du, ich geissel Dich mit meinem Intellekt?”.
Unerwartet springt hier Freund Technik in die Bresche: Mindestens die Hälfte der Beklopppten findet Ihren Parkchip nicht mehr, weil sie ihn sich sonstwohin geschoben haben, zweidrittel des Restes versucht besagten Chip in den Münzeinwurf zu stopfen, und der Rest fährt ohne zu bezahlen los und wird bei dem Versuch, Geld in den Chipeinwurf zu würgen, vom Wachpersonal erschossen.
Als lachender Übriggebliebender fährt man aus dem Parkhaus und über ein paar unbeleuchtete Radfahrer und freut sich, die Freitagabend-Hölle hinter sich gebracht zu haben. Ohne jegliche Motivation zu verspüren, das BiP in den verlockenden Gaststätten der nahen Innenstadt zu steigern (denn da treiben sich jetzt erst recht die Freitagabenddeppen rum), geige ich im Spaniersportler gen Heimat und wünsche mir einmal mehr, ich hätte im Bestellformular für die Sonderaustattung des Boliden die Option “Dual Gatlings” nicht offengelassen. Dann würde ich sämtlliche Golf II mit *OHA*- Kennzeichen und dem Aufkleber “GTI Freunde Göttingen” vom Bitumengeflickten Asphalt putzen.
Wieder im Penthouse angelangt streicht der Blick sanft über die Home-Cinema-Ausstattung.
Warum die Multiplexe nur rote Zahlen schreiben?
Nun, das wird wohl auf Ewigkeiten ein Geheimnis bleiben.
Denke ich noch so, während die Teufelanlage vernünftigen Ton zu scharfen Bildern produziert.
Und die Freitag-Nacht-Deppen draussen vor dem Gebäude und damit weit weg von mir, Zombiegleich mit Ihren hormongefüllten Eimern durch die Nacht wanken.
Ein Gedanke zu „Großes Kino“
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