Schwarzer Punkt, zu Tode verwaltet

Schwarzer Punkt, zu Tode verwaltet

Ich habe einen tiefschwarzen Punkt in meiner Vergangenheit:
Ich habe mal für eine Hochschule gearbeitet.
Drei Monate.
Das ist schon lange her und ich bin auch nicht Stolz darauf. Aber ich war Geld und brauchte das Jung. Oder so.
In dieser Zeit habe ich aus Versehen 93 Euro in die Rentenkasse eingezahlt. Habe ich später zurückbekommen, also: nix eingezahlt.

Irgendjemand in der, höhö, Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VLB) scheint mich aber zutiefst zu lieben. Er (oder sie, wasweißich) vermisst mich so sehr, dass er mir regelmäßig Briefe schreiben muss, sonst findet er keine Erfüllung im Leben. So erkläre ich mir das zumindest. Die Geschichte einer innigen Beziehung mit Höhen, Tiefen, Abhängigkeiten und Happy End. Hört sich das nicht besser an als: “ich rege mich auf über Vorgänge in einer einer großén Verwaltungs-, hihi, Anstalt, die auf´s absurdeste von Links nach Rechts verwaltet?

Dabei begann es ganz harmlos. Das erste Schreiben informierte darüber, dass ich 93 Euro MINUS 93 ERGO Nix Euro in die Rentenkasse eingezahlt hätte. Das zu erklären bedurfte drei eng bedruckter Seiten, am Ende der Satz: “Wichtige Informationen! Bitte bewahren Sie diese Unterlagen unbedingt auf!”.
Na gut, habe ich das halt abgeheftet.

Sechs Monate war Ruhe, aber dann spürte der Briefeschreiber wieder dieses tiefe Bedürfnis mir zu schreiben. Er schickte den gleichen Brief noch einmal.
Den habe ich auch abgeheftet.

Nun wurde der Briefeschreiber mutiger und wollte ein wenig mehr Pepp in unsere Beziehung bringen: plötzlich kam eine fröhliche Benachrichtigung, dass meine Beiträge (wir erinnern uns: 0,00 Euro) um 0,018 Euro nach OBEN korigiert wurde. Ich freute mich über das Geld aus dem Nichts und heftete das Schreiben ab, in Gedanken schon am Rechnen, wieviele Zinsen 0,018 Euro wohl gebracht haben wenn ich endlich in Rente gehe. Als Liebesbeweis schickte mir der Briefeschreiber noch eine Bestätigung. Zweimal. Ich heftete sie ab.

Damit begann aber alles erst, denn wie bei jeder Sucht wird die Frequenz zwischen den Kicks immer kürzer. Er schrieb immer öfter, immer exzessiver. Am Ende fand ich alle zwei Monate ein Schreiben in meinem Briefkasten. Neue Korrekturen. Bestätigungen. Zusammenfassungen. Bestätigungen der Zusammenfassungen.
Ich kaufte einen neuen Ordner, nur für VLB-Briefe, und heftete fleissig ab.

Irgendwann kam dann beim Briefeschreiber der Zusammenbruch. Oder er machte eine Entziehungskur.
Nach rund 24 dreiseitigen Briefen war meine Beitragssumme wieder bei Null.
Dann hörte ich für eine lange Zeit nichts mehr von ihm.

Vielleicht hat er einen Entzug gemacht, denn heute schreibt er mir nur noch einmal im Jahr.

Im Dezember, kurz vor Weihnachten, informiert er mich über den aktuellen Beitragsstand (0,00 Euro, drei Seiten, “Wichtige Informationen! Bitte bewahren Sie diese Unterlagen unbedingt auf!”).
Jedes Jahr schreibt er mir und wird das vermutlich bis an mein Lebensende tun.

Ein schönes Ritual, denke ich mir, als ich beim Aufräumen den VLB-Ordner in der Hand halte und ich unsere gemeinsame Zeit Revue passieren lasse.
Ich muss schmunzeln, als ich das Ding dem Altpapier überantworte.

7 Gedanken zu „Schwarzer Punkt, zu Tode verwaltet

  1. Für dieses Blog? Ich hoffe nicht! 🙂
    Für Verwaltungsangestellte die süchtig nach Brieffreundschaften sind gibt es sowas. Die gehen zur G.EZ. Dort dürfen Sie sogar alle paar Tage auf Papier gegossene Liebesgrüsse auf das wehrlose Objekt der Begierde abfeuern.

  2. Ach, so lange wie keiner von den Schergen meine Mülltonnen durchwühlt ist das noch kein Stalking. Und von der V.LB kommen ja nur liebe Briefe, die den Blutdruck nicht so in die Höhe treiben wie die von anderen Einrichtungen.

    Mich ärgert nur eines: das hier unglaubliche Summen für Nix in den Sand gesetzt werden.

  3. Ich arbeite immer noch für eine Hochschule. Leider nicht mehr in einem befristeten Arbeitsverhältnis, denn damals gab es mindestens monatlich einen Brief mit dem Titel “Stornierung einer Veränderungsnachricht zur Ummeldung der Anmeldung zur Abmeldung wegen Veränderung der Pflicht zur Angabe einer sozialiversicherungspflichtigen Tätigkeit im Geltungsbereich des Tarifvertrags… Unbedingt aufbewahren!” Ich stelle mir immer vor, wer dereinst vor diesen geschätzten 2854 Blättern sitzen und alle Stornierungen, Abmeldungen, Ummeldungen, Veränderungsmeldungen nachvollziehen wollen wird und sagt: »Ha! Am 14.3.2001, da haben sie 12 Stunden im sozialversicherungsrechtsfreien Raum gearbeitet! Was fällt Ihnen ein! Nix Rente, nix DomRep, nix SeniorenFlatRate. Geh schaufeln, du Schmarotzer!«

    Seien wir gespannt!

    Btw.:Das Theleprompt-Blog ist aufgestiegen, sehe ich gerade, von wöchentlich zu täglich. Das seh ich auch daheim an meiner Statistik! Nach Google bist du der Top-Referrer. Kein Wunder beim relevantesten Blog der Welt 🙂

  4. Ach ja, nochwas: Als HiWi hatte ich jahrelang einen unerklärlichen Abzug von monatlich 0,01 DM für (die eigentlich nicht zu zahlende) Krankenversicherung auf meiner Abrechnung. Das blieb ein ewig ungelöstes Rätsel. Alle Amtsschimmel haben gesagt: Ach, der eine Pfennig. Und dabei hätte ich doch so gern gewusst, was mit dem passiert.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

 


Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.