Alte Männer auf Rädern (II)

Alte Männer auf Rädern (II)

Forsetzung:

…der Alte Sack in der Nahbetrachtung:

Strahlt am Wochenende die Sonne vom Himmel (bloß keine Wolke!), quält sich der Mittfünziger in seine Goretex-Klamotten (Leder wäre zu schwer für die morschen Knochen), schleppt sich zur Garage und holt die Hyabusa raus.
Um die wäre er früher beneidet worden, heute interessiert das keine Sau. Auch nicht, dass es das neueste Modell ist, wird nämlich alle zwei Jahre nachgekauft, hihi, als Zahnarzt kann man es sich ja leisten.
“Je faltiger der Sack, umso glatter der Lack”1

Nach einer halben Stunde Ächzen und Stöhnen hat Kerl die dicke Wampe endlich hinterm Tank des Boliden verstaut, der eigentlich für deutlich schlankere Personen entworfen wurde.
Dann wird auf den E-Starter gedrückt, das Gas aufgerissen (die Nachbarn sollen ja mitkriegen, dass Mr. Cool wieder Biken geht) – und schon tuckelt der Schönwetterfahrer mit Tempo 40 aus der Einfahrt und über die Bundestrasse.
Bloss nicht schneller, man könnte ja was von der Landschaft verpassen.
Aus Angst umzufallen lehnt sich der der Post-Midlife-Krisianer auch nicht in die Kurve, sondern trägt die Karre lieber um jede Ecke. Aber egal, weit weg geht es ja eh nicht.

Denn der alte Mann “biked” ja nicht aus Spass.

Nein, er orgelt zu einem dieser Treffen mit so melodischen Namen wie “Drommelheimer Biker-Stammtisch”, gerade mal fünf Minuten hinter der Stadtgrenze. Da trifft er 20 andere dicke alte Männer und freut sich, weil er sich neben dem 70-jährigen mit dem Systemhelm ganz jugendlich und rebellisch vorkommt. Doof nur, dass aus dem Treffen der Kerle mittlerweile eine Familienveranstaltung geworden ist: in den Koffern der Goldwing wurden die Kinder mitgeschleppt, Mutti nennt sich “Woman on Wheels” und eiert auf dem, ach, Roller der Tochter hinterher.

Solche Versammlungen sind so traurig anzusehen, man möchte ihnen allen zurufen: Ach, BITTE lasst es!
Aber den Gefallen tun einem die Kaputten nicht. Nach einem halben alkoholfreien Weizen mit Banane oder einem Blasentee hilft man sich gegenseitig in die Plastikklamotten und auf den Bock, dann geht es mit Tempo 40 im Konvoi wieder gen Stadt.

Wenn früher ein Motorradpulk im Rückspiegel auftauchte, wurde aus Panik der VW Polo schon mal in den Graben verrissen – Hauptsache den Rockern aus dem Weg sein!
Wenn heute ein Bikerpulk auftaucht, dann meist vor einem. Denn die Opas gurken so lahmarschig durch die Gegend, dass sie in erster Linie ein Verkehrshindernis darstellen und folgerichtig von jedem Fiat Panda überholt werden.

Klar, dass man sich dabei nicht totfährt, oder?

Wieder zu Hause angekommen wird die teure Kiste wieder für die nächsten 8 Wochen eingemottet. Der Mümmelgreis plagt sich den Rest des Wochenendes mit Rückenschmerzen, kann dafür aber von seinen Abenteuern auf zwei Rädern erzählen und fühlt sich wieder ein bisschen wie ein Mann.

Ach, was ist das für eine Welt, in der Geronten cool sein wollen und die Jugend, aus Distanzierungsbedürfnis, in Uncoolness-Starre verfällt? Was kommt als nächstes? Bieten Motorradhersteller Spezialausstattungen für Senioren an? So mit extra breitem Sitz, integriertem Hämorrhoidenring, Kathederhalterung und Kranausleger, um das morsche Gerippe auf den Bock zu hieven?

Wann erlebt das gute, alte Mopedfahren endlich eine Renaissance bei Leuten unterhalb der 40er?
Nie mehr? Na dann.

1) Zitat nach Wischmeyer, D.

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