Bei der Arbeit, vor der Kamera

Bei der Arbeit, vor der Kamera

“Telekom-Schnüffler arbeiteten früher für die Stasi” krawallt es heute durch die Medien. Letzte Woche hat der Burger King seine Untertanen gefilmt, davor war es LÜDL.

Warum regen sich erst jetzt alle darüber auf?

Damals, in meinem Zweitjob (der mit der Euroumstellung) gab es das auch schon.

So um 2001 muss es gewesen sein, als plötzlich eine Horde von Handwerkern und Technikern anrückte und anfing, mir im laufenden Betrieb “meinen” Laden auseinanderzunehmen. Decken wurden aufgestemmt, Kabelschächte verlegt, komische Metallgestelle an die Wände geschraubt.

Was war denn bloss los? Das Bang & Olufsen war doch erst im letzten Monat überholt worden, das konnte es also nicht sein.

“Aus Sicherheitsgründen” tönte Chef später, habe man niemandem davon erzählt.
Gaaaanz großes Geheimprojekt: wir bekamen eine Videoüberwachung! Jeder Quadratmeter sollte Videoüberwacht werden, dutzende Kameras montiert und verkabelt.

Herrje, hatte er Angst wir würden ihm kurz vorher noch die Bude ausräumen wenn wir davon gewusst hätten? Für uns war es ein Schlag ins Gesicht. Wir waren nicht nur ein überaus gutes Team, sondern auch – trotz der ganzen Differenzen mit Chef – unseren Arbeitgebern gegenüber absolut loyal.

Auch für die meisten unserer Mitarbeiter hätten wir die Hand ins Feuer gelegt. Differenzen in den Geldbeständen gab es nicht, Kassendifferenzen waren selten und die Inventurdifferenzen niedriger als in vergleichbaren Einrichtungen, was auf sehr wenig oder keinen Diebstahl hindeutete.

Sicherheitsgründe! Sicherheitsgründe!
Natürlich wurde die Videoüberwachung nur zu unserer eigenen Sicherheit installiert, erklärte man uns. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wurden darüber informiert, und ob es uns, dem mittleren Management, gefiel oder nicht: es lief alles sehr korrekt. Das ungute Gefühl, dass uns nicht vertraut wurde und eigentlich WIR als Sicherheitsrisiko betrachtet wurden, blieb.

Kassenbereich, Lager und Anlieferung standen unter Überwachung. Gut, alles sicherheitskritische Bereiche. Aber warum wurde die Küche gefilmt? Und das Backoffice? Zudem waren die Blickwinkel der Kameras so ausgerichtet, dass man bei einem Überfall oder Einbruch das Gesicht des Übeltäters kaum gesehen hätte. Dafür waren die Arbeitsbereiche der Mitarbeiter stets gut im Bild.

An den Kameras hing ein Festplattenrekorder mit DVD-Brenner im Büro des Chefs, zudem speiste die Kiste die Bilder ins Internet ein. So wusste man nie, ob Chef nicht heimlich von zu Hause aus dabei zuguckte, wenn man Samstag morgens um vier im Hof mal schnell eine rauchte.

Erst später erfuhr ich, dass diese Sorge unbegründet war.
Chef war nämlich schlicht nicht in der Lage mit dem heimischen Rechner umzugehen, auf dem ihm ein Techniker der Sicherheitsfirma bei einem Extrahausbesuch eine Software eingespielt und ihn daran stundenlang angelernt hatte. Während wir uns permanent beobachtet fühlten (was auch so sein sollte), wurde die teure Leitung ins Netz NIE benutzt.

Aus ähnlichen Gründen nutzte Chef den Festplattenrekorder nicht um sich Aufzeichnungen anzusehen: Die Bedienung war zu kompliziert. Er versuchte es ein Mal, klickte drei Mal auf “Bestätigen” ohne die Meldungen am Bildschirm zu lesen, und hatte prompt die Aufzeichnungen der letzte drei Wochen gelöscht.

Danach rührte er das Aufzeichnungsteil nie wieder an, beguckte sich aber den Livefeed wenn er im Büro war.

Was nun genau zwei Effekte hatte: diese Form von Reality-TV hielt Chef von der Arbeit ab – und für uns war der Beigeschmack der Repression durch die Überwachung etwas gemindert. Denn ob nun Chef in Persona jeden Moment hinter dir stehen oder dich beobachten kann, wenn er zwei Ecken weiter in seinem Büro sitzt – das ist dann nun auch egal. Er ist in jedem Fall im Gebäude.

Aber es machte was her, so ein großer Überwachungsmonitor neben dem Schreibtisch. Und überall so Kamerazeugs. Bestimmt hat er sich sehr sicher gefühlt.

Lesen Sie im zweiten Teil: Wie die Stasi Einzug hielt, jemand entdeckte das Voyeurismus Macht ist und die verlorene Ehre der A.

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