Silencer boykottiert… (Platz 3)
Damit ich ein Geschäft boykottiere muss wirklich Einiges passieren. Ich bin eigentlich recht unempfindlich und bilde mir ein, als Kunde recht pflegeleicht zu sein. Soll die Lebensmittelbude doch nicht fair gehandelten Kaffee, der Baumarkt Möbel aus Tropenholz verhökern oder der einzige Customerberater im Elektromarkt auf Jahre ausgebucht sein- mir doch egal, ich komm schon zurecht.
Im Notfall hole ich mir eh´vorher Infos aus dem Netz, man muss mir dann nur noch zeigen wo der Kram steht und wo ich meine Kohle loswerden kann.
Trotzdem boykottiere ich einige Geschäfte. Hier in loser Folge die Top 3 und wie es dazu kam:
Platz 3: Fredis Stereo-Butze
Ja, es müssen nicht die großen Ketten sein. Der Einzelhändler um die Ecke geriert sich zwar immer als der wahre Fachmann und der Gute im Kampf mit den Billig-is-geil-Schergen, er ist aber oft schlicht und ergreifend ein Arschloch.
In diese Kategorie fällt auch Fredi von “Fredis Stereo Butze”, einem Lädchen in unserer Stadt, das sich zu Unrecht über Jahrzehnte den Ruf eines Mekkas für Musik- und Entertainmentliebhaber erarbeitet hat.
Von einem Lohnsklaven in einer der Riesenkaufhäuser erwarte ich es nicht anders, aber vom Inhaber eines, auf hochpreisige Unterhaltungs-Hardware spezialisierten, Kleinstgeschäfts erwarte ich doch ein anderes Verhalten als absolutes Desinteresse an kaufwilligen Kunden. Fredi hat nur zwei Anläufe gebraucht um es sich mit mir zu versauen.
1. Versuch: Ich will einen Beamer kaufen. Schweinehell soll er sein und lange halten, ist nämlich für´s Geschäft und soll auf Messen eingesetzt werden. Nicht wichtig ist daher perfekte Farbbrillianz oder schnelle Reaktionszeiten, auf Messen werden nicht oft Actionfuilme geguckt.
Fredi quittiert meine Wünsche mit Ignoranz und versucht mir ein HD-Gerät für das Highend-Home-Cinema anzudrehen. Beratung findet nicht statt, er spult nur ein Standardprogramm ab. Auch Zwischenfragen werden ignoriert.
Erst als ich insistiere, dass ich doch lieber ein DLP-Gerät haben möchte, wegen der Haltbarkeit, schreckt er aus seinem Standarddämmer und empört sich, dass man auf sowas doch bestenfalls Powerpoint-Folien angucken könnte. Ja, verdammt, genau darum geht´s!
Fredi schlufft zum Rechner und macht eine Internetseite eines großen, äh, Marktbegleiters (so nennt man Konkurrenz heute), der nur übers Netz verkauft, auf und winkt in Richtung Bildschirm. Ich soll mir was aussuchen, er bestellt das dann.
Wie nett.
Und nach welchen Kriterien soll ich mir was aussuchen? Das weiß er auch nicht, Beamer sind eh nicht so sein Ding – behauptet er in krassem Widerspruch zur Beschriftung der Ladenfront. Die ich prompt in Richtung Draußen durchschreite.
2. Versuch: Ich suche eine arschteure Hifi-Komponente und beschließe, es noch mal mit Fredi zu probieren. Vielleicht hatte er beim ersten Mal einfach einen schlechten Tag oder kann Leute im Anzug nicht leiden.
In Jeans und Docs wird es aber nicht besser. Als ich den Laden betrete, hüpft Fredi plus sein Angestellter, also das gesamte Personal der Firma, um ein älteres Ehepaar herum. Das verlangt lautstark nach einem “von diese neue Fernsehers, in dünne und ganz groß”. Dieser laut vorgetragene Wunsch lässt Eurozeichen in Fredis Augen erscheinen. Ganz aufgeregt ist er, als er dem Abijahrgang 1955 Dinge wie HD-Ready, HDMI und DVB-T erklärt.
Ich sehe mich ein wenig im Geschäft um. Freid und Co bespaßen das Ehepaar. ich sehe mich noch ein bißchen länger um. Niemand nimmt mich wahr. Nachdem ich die Preisschilder der Expontae auswendig gelernt habe stelle mich neben Fredi und seinen Verkaufsmenschen, die um das Ehepaar wie um das goldene Kalb tanzen.
HALLOOOO, ICH WILL HIER GELD AUSGEBEN schreit meine Körperhaltung, die aber, wie meine ganze Person, ignoriert wird. Nicht mal für ein “Komme gleich” reicht es.
Nach zwanzig Minuten verlasse ich den Laden, und beschließe ihn nie wieder zu betreten.
Sind meine Ansprüche zu hoch?
4 Gedanken zu „Silencer boykottiert… (Platz 3)“
Grad bei einem Einzelhändler ist es wichtig, dass er durch Kompetenz glänzt. Durch Preise kann dieser das in der Regel nicht tun.
Ich finde es auch so schlimm, wenn man mich in Läden ignoriert. Entweder dadurch, das man mich gar nicht erst sieht, oder das meine Kundenwünsche nicht reflektiert werden.
Ok, Teil 1 ist selbst verschuldetes Leid: bei Fredi kauft man keine Präsentationsbeamer. Teil zwei ist Geschmacksache: ich mag es andersherum nicht, wenn ich schnell abgewickelt werde weil andere Kunden warten. HiFi kauft man bei Fredi so: Termin vereinbaren, aufs Sofa setzen, viel Kaffee schlürfen, nach einer Stunde kräftig handeln und sich über den mit guenstiger.de konkurrenzfähigen Preis freuen. Anders (reinlaufen) würde ich nie versuchen…
@ Schonzeit: für gute Beratung zahle ich dann auch gerne mehr Geld. Beratung beim Fachhändler und dann im Internet kaufen geht ja gar nicht.
@ rstockm: Wenn man in diese geheimnissvollen Rituale nicht eingeweiht ist und Fredi die Zähne nicht auseinanderbekommt – woher soll man davon wissen? Und abgesehen davon: wenn ich nicht mal weiß was er nun verkaufen will und was nicht – dann verplempere ich meine Lebenszeit nicht mit Terminen.
Ansprüche zu hoch? Schönen Gruß an Fredi: Er hat ein unverschämtes Glück, dass nicht ich von ihm ignoriert wurde!