Review: Dark Angel (TV-Serie)
Die folgende Rezension ist schon ein wenig älter. Aus 2003, um genau zu sein.
Gutes von gestern zum halben Preis, sozusagen. Damit sie nicht verschütt geht, schreibe ich sie hier totzdem hin:
James Cameron macht eine Serie fürs TV.
Mutiger Schritt der Senderverantwortlichen, mußten sie doch nach den Erfahrungen mit Camerons Kinowerken damit rechnen, daß das ganze Projekt erst nach zehn Jahren fertig ist und mehr Geld kostet als das Raketenabwehrsstem der USA.
Nun, teuer war es. Mit geschätzten 10 Millionen Dollar schlug allein der Pillotfilm zu Buche, ca. doppelt so viel wie bei vergleichbaren Vorhaben. Aber er ist wenigstens fertig, ebenso wie eine komplette erste Staffel.
Der Name: Dark Angel.
Hört sich nach einem Doplh-Lundgren-Film aus den 80ern an (an den jeder nur noch über “fliegende Cds” erinnert) -und der Titel ist nicht das Einzige was Cameron geklaut hat.
Zur Story: neunjähriges Mädchen bricht mit anderen Kindern aus geheimer Militäranlage aus. Zehn Jahre später eiert sie als Fahradkurierin durch ein morbides Seattle. Terroristen haben mit einer EMP-Bombe irgendwann in der vergangenen Dekade sämtliche Computer und damit die Börsen zusammenbrechen lassen: Konten aller Bewohner der USA gelöscht, alle fangen bei Null wieder an, es gibt keine Aufzeichnungen aus der Zeit vor dem großen Impuls. Originelles Setting, aber nur der Hintergrund für die zwei Storlines, die sich um die Hauptdarstellerin Max ranken. Ähnlich wie in “Akte-X” oder “Babylon 5” bereitet der Pilotfilm den Weg für einen “Story-Arch” der vermutlich immer mal wieder aufgegriffen wird: Max sucht nach ihrer Vergangenheit, wer sie ist, was sie ist. Was wurde in den Militärlabors mit ihr angestellt? Leben die anderen, die mit ihr geflohen sind, noch? Kann sie den Häschern von damals, die sie immer noch jagen, entkommen?
Der Zweite Ansatz ist der Aufhänger für “Stand-Alone”-Folgen: Max wird von einem geheimnisvollen, reichen Hacker engagiert. Der verfolgt nebenberuflich einen humantiären Feldzug gegen die Machenschaften von Konzernen und korrupten Regierungen und hat einen Bodyguard dringend nötig. Und da Max eine echte Kampfmaschine ist, engagiert er sie kurzerhand. Folgerichtig wird sie nun auf impossible Missionen im Namen der Gerechtigkeit geschickt.
Hört sich irgendwie bekannt an?
Sieht auch bekannt aus: bereits die Eröffnungssequenz auf dem Dach der maroden Space Needle entpuppt sich bei näherem Hinsehen als hemmungslos aus “Batman” geklaut, das zerstörte Seattle kommt in der Form ebenso in der Serie “Max Headroom” wie auch in jedem Cyber-Roman von William Gibson vor.
Apropos Gibson: der wurde wohl von den Machern besonders verehrt, immerhin übt Protagonistin Max ihren Beruf genauso tough aus wie Fahrradkurierin Chevette aus dem Gibson-Roman “Virtuelles Licht”, wohnt wie diese als Hausbesetzerin, flieht wie diese vor den Behörden durch eine zerstörte Stadt, kämpft wie diese gegen Konzerne…die Liste der Ähnlichkeiten ist endlos. Aber auch aus anderen “Kult”-Filmen und Büchern wurde abgekupfert: sieht man nicht hin und hört nur den Soundtrack, könnte man auf die Idee kommen, es läuft gerade “Matrix”, an welchem sich auch die Akrobatik- und Kampfszenen mächtig orientieren. Nicht nur die Umsetzungen, auch die Ideen der Storylines sind altbekannt und -bewährt: Frau mit geheimnisvollem Boss im Rollstuhl (“3 Engel für Charlie”) hilft in schwierigen Einsätzen (“Mission: Impossible”, “Pretender”) als dunkle Rächerin (“Batman”, “Angel”) den Menschen und wird selbst gejagt (“A-Team”, nochmal “Pretender”).
Ach ja, Stichwort Frau: Haupdarstellerin Jessica Alba, angeblich aus Tausenden von Bewerberinnen herausgecastet, sieht aus wie eine ältere Ausgabe des Bohlen-Produktes Milane -mit ca. 2Kg Collagen in den Lippen, und bewegt sich stellenweise so extrem krampfig durch die Szenen, als müßte körperliche Präsenz mit jeder Bewegung augedrückt werden.
Wenn Madame sich auch im realen Leben so bewegen würde, müßte sie an ihrem Hinterteil einen Aufkleber mit der Aufschrift “Achtung, schwenkt aus” tragen und Korridore mit weniger als 4 Meter Breite meiden.
Oh wie angenehm ist doch dann als Kontrastprogramm das zurückhaltende Spiel von David Boreanaz in “Angel”: der ist einfach da. Und selbst wenn er nur mit hochgezogenen Schultern im Hintergrund rumsteht und finster guckt, beherrscht er immer noch die Szenerie. Dagegen wirkt die Performance der Alba einfach over-acted. Die wird nie eine gute Schauspielerin.
Also alles nur schlecht und geklaut?
Mitnichten.
Zum einen lohnt sich das anschauen schon deswegen, weil hier höchst kunstvoll und von den Besten geklaut wurde. Zum anderen entwickelt zwar der Pilot noch keinen gänzlich eigenen Stil, glänzt aber durch schöne Einfälle (wie die Balkonszene) und stellenweise ganz hervorragende Dialoge, die an Trockenheit kaum zu überbieten sind. Das Setting mit der Elektromagnetischen Bombe und damit einer Infokalypse ist neu, und in letzter Konsequenz recht realistisch. Auch die Verquirlung von Rächeraction- mit Soap-Elementen könnte sich als interessant herauststellen, insbesondere, da die Macher ihrer Max genug Probleme und Hintergrundstory für mindestens 5 Staffeln mit auf den Weg gegeben haben. Und irgendwas muß ja dran sein, sonst hätte “Dark Angel” in den USA nicht “Akte-X” auf der Beliebtheitsskala fast überholt.
Letztlich kann man von einem Pilotfilm nicht auf die Serie schließen -sonst müßten “Dark Skies” oder “Millennium” immer noch laufen, “Stargate SG-1” hätte es dagegegen gar nicht geben dürfen. Ich werd mir auf jeden Fall die nächsten Folgen ansehen -und sei es nur, um Versatzstücke aus anderen Werken zu suchen…
2 Gedanken zu „Review: Dark Angel (TV-Serie)“
Recycling, sehr lobenswert!
Wieviel Staffeln gab es dann eigentlich?