Verkehrte Welt

Verkehrte Welt

Ich kann mich manchmal nur wundern, mit was für Ansprüchen an eine Arbeitsstelle die Leute in einem Vorstellungsgespräch aufwarten.

Klar ist: Gute Arbeit soll fair bezahlt werden. Wenn mir eines zuwider ist, dann sind das diese Mittelstandslöcher, in denen die Mitarbeiter zu Hungerlöhnen ihr Dasein in schlechtem Betriebsklima fristen und die sich den Hintern aufreissen um ihren Job zu behalten, als Gegenleistung aber nur einen lauwarmen Händedruck bekommen. Sowas will ich hier nicht.

Auf der anderen Seite kann sich kein Arbeitgeber mehr Fantasiegehälter leisten, zumindest nicht mehr nach dem Platzen der Dotcom-Blase.

Was soll ich nun davon halten, wenn ein 45-Jähriger Hartz-IV-Empfänger ohne Berufsabschluss und ohne wirklich Ahnung von dem zu haben, was er bei uns tun soll, dafür eine 30-semestrige Erfahrung als Bio-Student mitbringt, Gehaltsvorstellungen äußert, die jenseits von Gut und Böse sind?

Was soll ich davon halten, wenn ein Berufseinsteiger, der frisch von der Uni kommt und engagiert wirkt, aber, um es mal vornehm auszudrücken, von Tuten und Blasen keine Ahnung hat und dabei ein Gehalt in Höhe eines SAP-Vorstandes fordert*, weil ihm seine Mutter gesagt hat, er solle sich nicht unter Wert verkaufen?

Was soll ich davon halten, wenn der Langzeit-Jobsuchende, der alle Qualifikationen mitbringt, gleich erstmal herauströtet, dass er nicht mehr als 34 Stunden pro Woche arbeitet, weil alles darüber ja faschistoide Ausbeutung (!?) wäre, und Überstunden auf keinen Fall, NIEMALS und unter keinen Umständen in Frage kommen. Dafür sollten es aber gleich zu Anfang schon mal gleich 30 Tage Urlaub sein, später dann mehr.

Gehälter und Arbeitszeiten sind natürlich auch Verhandlungssache. Zum Verhandeln gehört aber auch, dass sich beide Seiten zumindest minimal flexibel zeigen. Wenn nach Entgegenkommen von meiner Seite nur ein steinhartes Verharren auf der Gegenseite festzustellen ist – was soll es dann noch? Wenn es im Vorstellungsgespräch schon so läuft, gibt das später nur noch mehr Ärger. Ich will Mitarbeiter, im wahrsten Sinne des Worte: Leute mit denen ich arbeiten kann und keine, gegen die ich arbeiten muss.

Ich lasse die o.g. Exemplare dann mal weiterziehen und wünsche ihnen noch viel Glück bei zukünftigen Vorstellungsgesprächen.

*(OK, ganz leicht übertrieben, aber trotzdem waren die Vorstellungen überzogen)

9 Gedanken zu „Verkehrte Welt

  1. Eine traurige Erfahrung, die ich leider teile. Als wir Verstärkung in meinem Team suchten, haben wir ähnliche Erfahrungen machen müssen. Letztlich habe ich über private Beziehungen einen Menschen gefunden finden, der auf dem Boden der Tatsachen geht und nicht schwebt.

  2. Moment mal! Du meinst, wenn ich mit meinem Studium fertig bin, bekomme ich nicht automatisch mindestens 10.000€/Monat, Büros in Köln, London und New York sowie Dienstwagen (keine Opels, bitte)?

    Verdammt! Dann hätte ich doch in die Politik gehen sollen.

  3. Rüdiger: Danke, ich habe schon an mir gezweifelt

    WdW: Ich schimpfe nicht auf den Mittelstand an sich. Wäre auch schön doof, immerhin gehöre ich dazu. Der Mittelstand beschäftigt die meisten Angestellten, zahlt die Steuern und ist für Deutschland weitaus wichtiger als die DAX-Konzerne. Ich schimpfe auf schlechte und fast menschenunwürdige Arbeitsbedingungen, die man mancherorts vorfindet.Manchmal werden Mitarbeiter in Betrieben er- und ausgepresst. Das geht anders, besser und schöner, das leben wir jeden Tag vor. Man kann so arbeiten, dass es allen dabei gut geht.

    Skriegel: Ja, Politik oder, bis vor kurzem noch, Dax-Konzern, das wär´s gewesen.

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