Teures Altpapier

Teures Altpapier

Es ist jedes Jahr das Gleiche: Ab Anfang Dezember flattert eine Weihnachtskarte nach der nächsten ins Haus. Mal läppisch vorgedruckte Exemplare, mal aufwendig gestaltete mit persönlicher Unterschrift. Unternehmen möchten sich dadurch bedanken und sich noch mal schnell in Erinnerung rufen, in der Hoffnung, dass der Kunde die Karte auf´s Kaminsims stellt und den Rest des Jahres verliebt anschaut.

Das funktioniert nicht.
Die allermeisten Empfänger werfen einen flüchtigen Blick darauf, dann landet das gute Stück im Altpapier.

Nehmen wir an, jede Karte kostet im Schnitt 3 Euro, dazu kommen Porto und Personaleinsatz (Adressen raussuchen, Briefmarken kleben, unterschreiben, zur Post laufen), dann liegen wir ungefähr bei 6,50 pro Karte.

In Deutschland gibt es rund 3,2 Millionen Unternehmen, wenn man dabei auch die Kleinstunternehmen berücksichtigt. Nehmen wir an, jedes Unternehmen schreibt im Schnitt 50 Weihnachstkarten (was vermutlich viel zu niedrig gegriffen ist). Dann liegen wir gesamtwirtschaftlich bei über 1.040.000.000 Euro Ausgaben für Weihnachtspost.

Über eine Milliarde!
Jedes Jahr.
Nur für Karten.
Geschenke für Kunden nicht mitgerechnet.
Vielleicht ist es auch noch mehr, keine Ahnung wie genau meine Schätzung ist.

Was man mit dem Geld für sinnvolle Dinge tun könnte, anstatt es über einen kurzen Umweg dem Altpapier zuzuführen.

Nun, es gibt durchaus positive Ausnahmen und Vorbilder, wie man es besser machen kann. In diesem Jahr schließe ich mich denen mit unserem Unternehmen an.

Anstatt, wie andere Mittelständler, über die Nachrichten zur Weltwirtschaft zu jammern, nägelkauend unter dem Schreibtisch zu hocken und dabei zu überlegen, wo gespart werden kann, verdoppeln wir unser Weihnachtsbudget.
Aber das wird NICHT in Karten und Geschenke investiert.

Stattdessen kommt das Geld Anne zu Gute.
Anne macht gerade eine Ausbildung zur Fachhandelspackerin in einer Werkstatt für beeinträchtigte und schwer vermittelbare Jugendliche. Sie ist schon die zweite Azubi, die wir auf diese Weise unterstützen.
Übrigens das ganze Jahr über, nicht nur an Weihnachten.

Damit Anne auch praktisch was zu tun hat, finanzieren wir zudem ein großes Paket Bastelmaterial, dass an ein, mir persönliches bekanntes, Kinderhospiz geht. Schwerkranken Kindern wird dort ein würdevoller Abschied vom Leben ermöglicht, und vielleicht lenkt sie ein wenig Bastelei ein bisschen von ihrem Schicksal ab.

Anne wird die Kommissionierung der Waren und den Versand übernehmen.
Unsere Kunden, Geschäftspartner und Freunde bekommen nur eine E-Mail mit einem herzlichen und ernst gemeinten Dankeschön für die gute Zusammenarbeit, den besten Wünschen für´s nächste Jahr – und einer Erklärung, warum es in diesem Jahr von uns kein Altpapier gibt.

Der deutsche Mittelstand trägt einfach auch Verantwortung. Nicht nur, weil 70% der Jobs in KMUs angesiedelt sind. Ich spreche auch von gesellschaftlicher Verantwortung. Die Unternehmen haben es in der Hand, ob sie nur die Gewinnerwartungen der Gesellschafter befriedigen wollen oder auch durch Engagement vor Ort oder anderswo dabei mithelfen, das Leben aller Menschen ein wenig besser zu machen.

Ich habe neulich in einem Blog gelesen, dass ein Vorgehen, wie wir es jetzt praktizieren, für Unternehmen “peinlich und echt arm” sei.

Finde ich nicht. Ich finde, sowas ist gelebte, soziale Verantwortung und passiert noch viel zu selten.
Bin mal gespannt, was die Mailempfänger dazu sagen.

Über eine Milliarde Euro. Ein Teil davon liegt in meinem Papierkorb.
Was man damit alles Gutes tun könnte.

11 Gedanken zu „Teures Altpapier

  1. Naja, Weihnachtskartenhersteller wollen auch von etwas leben…
    Mit Ihrer Schätzung liegen Sie bei allen Variablen etwas hoch, finde ich. Ich würde das Grußkartenschreiben aber ohnehin abschaffen. Ich kenne übrigens Menschen, die solche Karten laaaaaaaaaaaaange aufheben und verliebt ansehen 😯 . Ich natürlich nicht.

  2. Ich glaube, die Schätzungen liegen eher noch zu niedrig. Selbst ein Ein-Mann-Unternehmen versendet seine 10 Karten. Im Mittelstand haben wir aber auch die Unternehmen mit 500 Mitarbeitern, die Tausende Karten versenden. Wenn ich mir die Karten ansehe, die ich so bekomme (Hochglanz, transparenter Edelumschlag, Falt- und Ausklappbar, auf parfümiertem Bütenrandpapier) sind auch die reinen Materialkosten noch zu niedrig angesetzt.

  3. Klar, wenn die Auflage groß genug ist, sinkt der Herstellungs- und Materialpreis. Bei den Druckereien die ich so kenne, liegt bei höherwertigen Karten der Preis immer noch bei 3 Euro bei einer 500er Auflage.

    Das “parfümierte Büttenrandpapier” war ein Insidergag, sorry.

  4. Ich bin ja ein erklärter Freund der “Tue Gutes und rede darüber” Strategie. In diesem Fall bin ich jedoch sehr unentschieden.
    zunächst einmal ist es – wie schon kommentiert – naiv hier von einer milliardenschweren “Verschwendung” von Kapital zu sprechen. Hier haben wir vielmehr einen ganz gewöhnlichen Warenkreislauf, ein Geschäft an dem viele verdienen.
    Und lassen wir mal die Kirche im Dorf: das was hier “verschwendet” wird ist ein Tausendstel dessen was jährlich an Werbe-Printmitteln aufgebracht wird – mit wesentlich weniger Effekt.

    Generell finde ich den Ansatz nicht schlecht stattdessen eine Wohltätige Aktion zu unterstützen, was mich aber glaube ich stört ist der Detaillierungsgrad mit dem das geschieht. Auch die Formulierung “sind uns unserer Verantwortung als mittelständiges Unternehmen bewusst” regt bei mir eher den Verdacht: hier spricht man weniger über den guten Zweck sondern über die eigene Firma und wie weit vorne die in allen – eben auch gesellschaftlichen – Belangen doch ist.

    Und das ist mir dann für den Anlass – Weihnachten – etwas viel eigen-PR.
    Ich würde hier einen Einzeiler bevorzugen, so viel ausgestelltes Gutmenschentum brauche ich nicht.

    Also: ja zur Aktion, nein zur Form.

  5. Nun, in der Mail war das stark verkürzt dargstellt. Hier darf das ruhig ausfürhlich stehen – ohne Nennung eines Firmennamens kann man wohl kaum von PR sprechen. Das steht hier nicht deshlab so ausfürhlich, weil ich mich als Gutmensch präsentieren will – sondern weil es mich intensiv beschäftigt. Keine PR-Blase, sondern ein ehrlicher Einblick in den Kopf.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

 


Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..