Es wird Deutsch in Kaltland
…sagte ein Kollege immer, wenn der Wetterbericht wieder mal solche Eiseskälte prophezeite wie jetzt gerade. Minus 20 Grad in den nächsten Tagen? Da lach´ ich doch drüber. Das ist nichts gegen den Januar 1996, in dem die Temperaturen ein paar Tage lang unter -25 Grad lagen. Und ich die hautnah erleben durfte.
Dummerweise musste ich in einer solchen Nacht rund 20 Kilometer von der Arbeit nach Hause fahren. Das Auto sprang sofort an – Volvo halt, die Kisten fressen solche Temperaturen zum Frühstück.
Nett auch, dass der Wagen schnell warm wurde.
Sehr angenehm. Aber: Moment – ging das nicht ein wenig zu schnell?
Ein wenig viel zu schnell?
Innerhalb weniger Minuten war es im Wageninneren nicht nur muckelig warm, sondern geradezu heiß geworden. Ein Blick auf die Temperaturanzeige des Motors (ja, sowas hatten Autos damals noch 🙂 ) offenbarte auch schnell den Grund für die Blitzsauna: Die Motortemperatur stieg rasant an, die Nadel schnellte auf den tiefroten Bereich zu.
Dafür konnte es nur eine Erklärung geben: Der Kühler war eingefroren! Obwohl die Kühlflüssigkeit zu einem Viertel aus Glysantin bestand.
Was machen? Natürlich so schnell wie möglich den Motor ausstellen! Dummerweise befand ich mich auf einer Bundesstrasse ohne Parkstreifen, dafür mit Schneewehen links und rechts. Einfach dort anhalten war doch etwas gewagt. Stattdessen aktivierte ich erstmal die Notlüftung. Die Motorhaube der GL343-Serie öffnet, anders als bei den meisten Wagen, mit der Fahrtrichtung. Ein Zug an der Verriegelung, und die Motorhaube hob sich um 10 cm. Eiskalte Nachluft strich über den glühenden Motor.
Das reichte, um die nächste Ausfahrt zu erreichen. Ich stellte den Motor ab, stieg aus und wartete. Mitten in der Nacht auf einem Parkplatz, bei Minus 25 Grad. Bekleidet mit einem leichten Anzug, einer nicht allzu dicken Jacke und dünne Halbschuhen. Und ein Auto mit evtl. schon geplatztem Kühler und verheiztem Motor. Super.
Nach einer halben Stunde wagte ich es weiterzufahren. Allzu weit kam ich nicht, vielleicht 5 Kilometer, dann stand die Nadel wieder im roten Bereich. Also wieder Parken und Warten. Meine Füße waren kaum noch zu spüren, als hätte mir jemand Eisblöcke an die Beine getacktert.
Nach einer halben Stunde wieder 5 Kilometer. Und das Spielchen von vorne.
Viel kann man um 2.00 Uhr morgens, mitten in der Pampa, ja nicht machen um sich von der Kälte abzulenken.
Man kann ausrechnen, wieviele Steine in der Mauer da verbaut sind. Oder die Bäume angucken. Man kann die Zähne im Takt zu vorgestellter Musik klappern lassen. Oder ganz still stehen und schauen, wie lange es dauert, bis man sich nicht mehr bewegen kann.
Irgendwann kam ich dann zu Hause an – um dort festzustellen, dass der Kühler plötzlich komplett aufgetaut war, vernünftig funktionierte und noch dicht war.
Ich liess mir erstmal eine heiße Badewanne ein und kam mir darin vor wie Luke Skywalker, der nach seiner Rettung durch Han Solo auf Hoth in einen Bactatank gesteckt wird, um seine Erfrierungen zu behandeln.
Dem Motor hat das Ganze übrigens nicht geschadet – der Volvo lebt heute noch, wenn auch nicht mehr in meinem Besitz.
Trotzdem: Diese Nacht, mit dem endlosen Warten bei eisigen Temperaturen – das werde ich nicht vergessen.
7 Gedanken zu „Es wird Deutsch in Kaltland“
Tja, schon toll solche Extras wie eine Temperaturanzeige zu haben 😉
Aber lustig dass dein ganzes Auto sehr warm wurde, während bei mir ohne Kühlwasser keine Heizung mehr funktionierte…
Und wie sagt mein Opa immer zu mir? Warme Jacke, Handschuhe und am besten noch feste Schuhe (als Frau noch wichtiger, sollte man mal die Strasse verfehlen und im Graben landen… da will man nicht mit High Heels wieder hochstapfen und auf Rettung warten) ins Auto. Immer! (hab ich nat. nicht…)
Ist ja doch was dran…
Gut, das alles gut ausgegangen ist, damals! 🙂
Nunja, der Volvo war Baujahr 1978. In den letzten 30 Jahren werden sich auch die Heizsysteme verändert haben.
Ja, alles gutgegangen und Lehre draus gezogen: Seitdem gehe ich nicht mehr so leichtbekleidet aus dem Haus. Und Handschuhe und chemische Wärmepacks liegen im Winter immer im Reserverad. Konnte ich schonmal gut brauchen, als ich mit dem Volvo… ach, ich muss wohl mal eine Dokureihe über die Abenteuer mit bisherigen Fahrzeugen machen.
Oh ja! Eine Dokureihe, bitte! 😀
(wartet schon ganz gespannt… )
Kommt bestimmt – ich wollte immer schon mal aufschreiben, was mir mit den diversen Vehikeln so passiert ist.
Damit können Sie dann ja die nichtvorhandene Blogpause füllen, in der Sie geschrieben haben, was noch nie jemand zuvor zu schreiben wagte.
Ich verehre Sie, ob dieses mutigen Vorhabens! 😎
Gerade hat es “Plopp” gemacht. Jetzt habe ich einen zweiten Doughnut im Kühlschrank.
Ich glaube, ich brauche dringend eine Neurodepolarisationsvorrichtung, sonst komme ich vor lauter sich manifestierenden Doughnuts heute nicht mehr ins Bett!