DURST!

DURST!

Termin im Ausland. Präsentation.
Um Zeit zu sparen, weil Zeit Geld ist (und weil ich doof bin), beschliesse ich, an einem Tag hin und wieder zurück zu fahren. Dreizehn Stunden mit der Bahn.
Wird hart, ist aber machbar.

Nach sieben Stunden Zugfahrt endlich die Ankunft am Zielort. Die kleine 0,5 Liter-Pulle, die so schön in die Notebooktasche passt, ist schon lange leergenuckelt. Der Kaffee unterwegs ist auch schon lange durch. Ein wenig Durst habe ich schon, aber bei dem Treffen wird es ja sicherlich gleich was zu Trinken geben.

Das Gebäude, in dem die Besprechung stattfindet, ist nur ein paar hundert Meter vom Bahnhof entfernt. Sagt zumindest die Internetkarte. Stimmt ja auch. Was die Karte verschweigt: Es sind auch gefühlte 200 Meter Höhenunterschied.

Steile Gässchen und Treppenstufen hochhatzend, freue ich mich auf ein kühles Wasser. Durchgeschwitzt ist irgendwann auch der Besprechungsraum gefunden. Auf dem Tisch steht – nichts.
Kein Kaffee, kein Wasser.
Sowas kenne ich sonst nur von Rechenzentren in der Provinz.

Drei Stunden reden und zuhören, die Zunge klebt am Gaumen, der Hals raspelt vor sich hin. Dann im Schweinsgalopp zurück zum Bahnhof und ab in den Zug. Am Bahnsteig ein Getränk kaufen geht nicht – keine Devisen dabei. Der Gaumen löst sich in Staub auf.

Im Zug als Erstes in den Bistrowagen – welcher sich geschlossen gibt. Weil man ja hier im Ausland mit so einer komischer Fremdwährung sei, erläutert die DB-Angestellte, erst nach der Grenze könne man hier gegen Euro etwas erstehen. Ich überlege ganz kur, ob es sich lohnt zum Vampirismus überzutreten und der Dame in den Hals zu beißen. Hauptsache Flüssigkeit, egal welche!

Bis zur Grenze sind es noch ein einhalb Stunden. Ich zähle die Minuten.
Ist eigentlich schon mal jemand in einem ICE verdurstet? -deliere ich vor mich hin, während ich mich abzulenken versuche. Was genauso gut funktioniert wie nicht an rosa Nilpferde zu denken.

Nach der Grenze macht der Bistrowagen kurz auf – und dann sofort wieder zu, noch bevor ich da hinkomme. Wegen Personalmangel geschlossen, heisst es.
Noch fünf Stunden bis nach Hause. Ich habe Kopfschmerzen, mir ist leicht schwindelig.

Unerwartet hat Mensch 2.0 einen Auftritt als Retter in der Not – er hat es in dem kurzen Zeitfenster, in dem der Bistrowagen offen war, geschafft, ein Mineralwasser zu organisieren. Der Held! Selten hat Wasser so gut geschmeckt!

Ausreichen tut es nicht wirklich.
Unwirklich ist auch der Weg vom Bahnhof zurück nach Hause. Irgendwie ziehen sich Zeit und Raum, sind leicht verschmiert und klebrig, wie Harz in Öl oder so.
Ich muss kurz kichern – eine Polizeistreife würde mich sicherlich fragen, auf was für Drogen ich eigentlich bin.

“Auf keinen, Herr Wachtmeister”, würde ich antworten, “ich bin auf Entzug!”
Auf Schlafentzug: Ein 20-Stunden Arbeitstag, der mitten in der Nacht begann.
Auf Nahrungsmittelentzug: Zum Essen war nicht wirklich Zeit, aber das ist Nebensache.
Auf Nikotinentzug: Ja, die Bahnfahrt war lang – aber es ist tatsächlich so: Nicht das Nichtrauchen ist für einen Raucher schlimm, sondern der Gedanke daran nicht rauchen zu können. Auch Nebensache.
Auf Flüssigkeitsentzug: Da wird man schon mal komisch.

Zu Hause erst einmal zwei Liter Wasser und Tee trinken, um die Nieren daran zu erinnern, dass sie noch existieren.
Trinken, trinken, trinken, bis der zu “satt” äquivalente Status auf der Flüssigkeitsebene erreicht ist.

So was mache ich so bald nicht wieder. Das kann nicht gesund sein. Und wenn ich einen 5-Liter-Kanister mit mir rumtragen und dafür komische Blicke ernten muss.

12 Gedanken zu „DURST!

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