Watchmen (2009)
Nach langen Jahren der Vorbereitung und diversen Rechtsstreitigkeiten gibt es nun doch eine Verfilmung des unverfilmbaren Graphic Novels Watchmen – und der Regisseur wird nicht müde zu beteuern, wie sehr er doch versucht hat, der Vorlage gerecht zu werden. Tatsächlich sahen die Trailer und Poster sehr stimmungsvoll aus, aber ist dabei nun DIE Comicverfilmung herausgekommen, die jeder gesehen haben muss?
Ich meine: Nein. Obwohl der Film besser ist, als man nach dem Hype erwarten durfte.
Was wäre wenn? Aus diesem Ansatz baut Alan Moore, der von mir sehr geschätzte Autor des Graphic Novels, die Parallelwelt auf, in der Watchmen im Jahr 1985 spielt. Diese Welt gleicht unserer, nur kleiden sich dort in den 40er Jahren einige Menschen in absurde Kostüme und nehmen als “Superhelden” das Gesetz in die eigene Hand. Die zweite Generation dieser Männer und Frauen in Strumpfhosen formiert sich in den 60er Jahren und nennt sich Watchmen. Wirkliche “Superkräfte” hat nur einer von Ihnen, ein blauer Muskelschlumpf namens Dr. Manhattan, der durch einen Unfall mit irgendwas zu einem gottgleichen Superwesen mit Kifferattitüde wurde. Er schert sich nicht wirklich um die Menschheit oder irgendwas anderes, sondern denkt in kosmischen Maßstäben, was dazu führt, dass er permanent Blödsinn redet und nackt rumrennen muss.
Auch seine Watchmen Kollegen machen nicht mehr viel, denn Ende der 70er erklärt die Regierung Superheldentum für illegal. Die Welt hat auch ohne die selbsternannten Helden genug Probleme: Es ist 1985, und da es in der Was-wäre-wenn-Welt kein Watergate gab, ist Nixon noch Präsident. Der kalte Krieg mit den Russen ist auf seinem Höhepunkt, der Ausbruch eines Atomkriegs steht bevor. Die Menschen leben in ständiger Angst. In diesem Klima wird einer der ehemaligen Watchmen ermordet, und die Geschichte beginnt.
Viel wurde schon über “Watchmen” geschrieben, die literarische Vorlage als der großartigste Grafik Novel aller Zeiten gelobt und als unverfilmbar deklariert.
Nun, die wenigsten, die sowas zusammenschreiben, haben das Buch wirklich gelesen, sondern einfach nur die Pressemitteilung zum Film abgepinnt. Tatsächlich ist das Comic was Besonderes – wegen der Mischung aus Gesellschaftskritik und Dekonstruktion von Superhelden, wegen seiner Erzählweise und seiner zynischen Grundhaltung.
Aber: Es ist beim ersten Lesen auch ziemlich zäh und langweilig. Typisch für den Autor Alan Moore ist eine lange Exposition, ohne das der Leser überhaupt erfährt, wohin die Reise eigentlich geht. Über mehrere hundert Seiten werden Charaktere eingeführt, teils auf unterschiedlichen Zeitebenen, ohne das man wirklich einen Plan hat, was da eigentlich gerade passiert.
Ein der letzten, noch illegal arbeitenden, Watchmen ist Rohrschach, der nach dem Mörder seines Kollegen fahndet und eine Verschwörung wittert. Was nicht viel zu sagen hat, denn Rohrschach ist ein paranoider Psychopath, der als einziger noch die Watchmen im Auge behält. Er warnt seine ehemaligen Mitstreiter vor einem Killer, der es auf Ex-Superhelden abgesehen hat. Aber weder das verweichlichte Bruce-Wayne-Imitat Nite Owl, noch die Latexfetischistin Silk Spectre glauben ihm. Die beteuern lieber, das ihnen das Superheld sein nicht fehlt, sind aber ohne ihre Fetisch-Anzüge nicht in der Lage ein Nümmerchen zu schieben.
Ein Nacktschlumpf-Kiffer, ein ungewascherner Psycho, ein liberales Weichei und eine Fetischistin – um diesen Haufen Kaputter, die nun wirklich überhaupt kein Identifikationsmaterial abgeben, vorzustellen, braucht das Buch mehrere Hundert Seiten inkl. Zeitsprünge und Rückblenden. Das ist verwirrend, langatmig und stellenweise auch langweilig – einer der Gründe, warum Watchmen NICHT der “größte Graphic Novel aller Zeiten” ist, auch, wenn er durch Zufall auf irgendwelchen Bestsellerlisten gelandet ist. Der große Verdienst der Vorlage ist das Durchschütteln eines Genres: Ein Buch über Superhelden, das ohne wirklichen Bösewicht auskommt, und die Protagonisten als selbstgefällige Saubeutel mit “Wir wissen was gut für Euch ist”-Attiüde zeigt, die sich am Ende die Frage stellen müssen, ob sie den Preis der Freiheit zu zahlen bereit sind.
Der Film folgt der Erzählstruktur der Vorlage sehr genau, und absurderweise muss man ihm genau das vorwerfen: Das er zu eng an der Vorlage klebt.
Was im Graphic Novel gut funktionierte, erweist sich beim Kinobesuch als Bruch mit den üblichen Sehgewohnheiten. Statt nach dem üblichen Blockbusterschema mit 1-3 Höhepunkten vorzugehen, nimmt sich der Film Zeit, um seine Figuren vorzustellen. Viel Zeit.
Rund 100 Minuten lang sehen wir, wie aus einem Physiker der Muskelschlumpf wird, was für Probleme die Mutter der Fetischistin hatte undundund. Der Spannungsbogen um den Mord an dem alten Watchmen wird nur zögerlich und mit vielen, langen Einschüben verfolgt. Das ist durchaus unterhaltsam, wenn man als Zuschauer begreift, dass hier der Weg das Ziel ist. Aber selbst wenn man die Vorlage kennt, wünscht man sich (und dem schmerzenden Hintern im Kinosessel), dass die Geschichte um die große Verschwörung etwas stringenter und straffer erzählt wird. Zum Vergleich: Die “Herr der Ringe”-Filme waren auch deshalb gut, weil die Elemente der Geschichte verwürfelt wurden und eben NICHT jedes Frühstück der Hobbits zelebriert wurde.
Wenn es dann endlich losgeht und die Story um den Mord wieder in den Vordergrund tritt, dürften 2/3 der Kinobesucher schon weggedämmert oder verwirrt unter ihre Sitze gekrochen sein.
Das liegt nicht an der Umsetzung, die z.T. wirklich gut ist, auch wenn die Effekte einen nicht vom Hocker reissen. Nur: Die memorablen Bilder sind nicht unbedingt der Verdienst des Filmes. Fast jedes Bild, teilweise sogar die Kamerawinkel, entstammen der Vorlage. Jeder coole Einfall (abspritzendes Eulenschiff) stammt aus dem Buch. Dialoge sind meist eins zu eins übernommen.
Die einzigen Bereiche, in denen der Film ein wenig Selbstständigkeit entfaltet, sind der Soundtrack, die exzessive Ausführung der Gewaltszenen und das geänderte Ende der Geschichte. Die beiden erstgenannten Punkte sind dabei nicht wirklich gut gelungen. Die eingespielten Musikstücke sind im Filmkontext nervig, abgenudelt oder nur skurril (Bob Dylan, Nena). Die Darstellung von Gewalt, die im Buch nur angedeutet wird, ist so widerlich und übertrieben, als hätten die Macher des Filmes sich noch mal auf die Schnelle überlegt, hier ein Meta-Irgendwas in SAW-Manier transportieren zu müssen. Lediglich das neue Ende passt besser als der Originalschluss.
Muss man das jetzt gesehen haben?
Nein, nicht unbedingt.
Watchmen ist ein wirklich guter und unterhaltsamer Film geworden, aber beileibe kein must-see-for-everyone.
Das Festhalten an den mäandernden Erzählstrukturen und die übertriebene Gewaltdarstellung werden viele abschrecken. Wer die Vorlage kennt und mag, wird begeistert sein, auch wenn viel von der Mooreschen Gesellschaftskritik fehlt und das wichtige Element der atomaren Krisenangst sehr cheesy umgesetzt ist.
Wer gänzlich unvorbereitet einen klassischen Superheldenfilm a la “Mit großer Macht kommt große Verantwortung” erwartet, wird sein blaues Wunder erleben. Auch in Form eines nackten Pimmelschlumpfs.
2 Gedanken zu „Watchmen (2009)“
ich habe den film gestern gesehen: Meine Freundin war auch mit dabei, die irgendwann anfing sich eine Schlafposition zu suchen, weil sie der Film so gar nicht abgeholt hatte und nur auf Klischees rumreitet.
Ich selbst werde mir noch ein zwei tage Zeit lassen bevor ich eine Kritik schreibe. Visuell berauschend auf jeden Fall.
Gelesen haben wir Watchmen aber beide nicht. Muss ich auch nicht zwingend.
Danke für die schöne und hilfreiche Filmbesprechung. Werd ich mir also sparen. 🙂