Wetten dass…
Fürchterliche Dinge sind heute passiert.
Die Ersten nutzen die Ereignisse schon wieder, um politische Forderungen zu stellen – hübsch verpackt in Beileidsäußerungen.
Die üblichen Mechanismen laufen an – und ich WETTE, dass spätestens Morgen früh zu lesen ist, dass Tim K. ja immer “so Killerspiele” spielte. Und in 24 Stunden hält Prof. Pfeiffer sein Gesicht wieder in die Kamera und darf unkommentiert den üblichen Quark absondern.
Wenn die Pietätlosigkeiten nur groß genug sind, fallen Sie gar nicht mehr als solche auf.
[Update, 22.58 Uhr:] Wette gewonnen. Ich hatte es vorher nicht gesehen, aber die ARD bietet den Pfeiffers dieser Welt schon die Bühne: In einer Sondersendung zum Thema.
[Update 23.50:] Reflexhaftes Medienhandeln: Spiegel und SZ fabulieren von Killerspielen. Die FAZ schreibt dazu O-Ton im Interview mit einem Klassenkameraden: Sein wichtigstes Hobby jedoch habe er nie aufgegeben: „Tischtennis war seine Leidenschaft“, sagt Tomas. Mit Computern hatte er dagegen nicht viel am Hut. Für das Internet habe er sich auch nicht begeistert.“
Liebe FAZ, DAS PASST NICHT INS BILD!
[Update 12.03., 10.30:] Uh, es geht weiter. Der übliche Fund von Counter Strike: “Wir haben bei ihm unter anderem das Spiel Counter-Strike gefunden.”
8 Gedanken zu „Wetten dass…“
Irgendwie denkt jeder gleich darüber…
Garantiert wird es wieder auf die “Killerspiele” geschoben, die gehen ja immer. Dann wird es wieder zig Berichte über den Einfluss von PC- und Konsolengames und den daraus folgenden Realitätsverlust geben. Und anschließend werden Die Sims und Mario Kart wegen erhöhtem Gewaltpotenzial eine USK18 Einstufung bekommen. *lach* 😀
Der Mob wird eben bedient. Das machen doch Medien, oder?
Nicht die Öffentlich-Rechtlichen, die haben einen …öh, Bildungsauftrag?
Immer schön die Verantwortung dahin leiten, wo sie keinen von uns stört.
Ich mochte eine heute im TV angesprochene Theorie, dass tatsächlich zu viel Medienaufmerksamkeit zu der Mehrung solcher taten führt. Warum ich dabei plötzlich ein bestimmtes BILD im Kopf hatte, weiss ich leider auch nicht.
Das Anheizen der Diskussionen über die möglichen Ursachen ist in meinen Augen pietätlos gegenüber den Menschen die ihr Liebstes wegen diesem kranken bewaffneten Kind verloren haben. Hier wird seitens Medien versucht Aufmerksamkeit zu erheischen, weil diese weiterhin von dem selbst mit entworfenen Klischee profitieren wollen. Die sollen aufhören medial in der Seele der Menschen herumzustochern und sie in Ruhe und Anstand trauern lassen.
OT: der FAZ-Link bounced, mangelnde Berechtigung.
Bin ein großer Anhänger dieser Theorie.
Rüdiger: Bei mir funktioniert der Link. /Wunder
Nach gut einem Tag ist tatsächlich alles so eingetroffen und noch mehr. Deutschland tut das, was es am besten kann: Betroffenheit auslaufen lassen und kritische Theorien entwickeln. Was mich in diesem Zusammenhang überraschte, war die Wortmeldung des Soziologen Roland Eckert, dass Amokläufer nicht einmal eines Motivs bedürften, um so eine Tat zu begehen. (Natürlich kam dann, wie die Katze ja meist im Schwanz endet, auch gleich wieder die ganze Suppe mit den Ego-Shootern hoch.) Da wundere ich mich: wo jedes Psychologie-Erstsemester und der medizinische Laie die Tathintergründe offen sehen und die Folgen abschätzen können, erkennt ein Gewaltforscher eine narzisstische Persönlichkeitsstörung nicht mal dann, wenn sie ihm ins Bein beißt. Schon schön. Da ist es ja vergleichsweise ehrlich, wenn die christliche Rechte als Motiv die Sündhaftigkeit des Täters sieht (Notiz an mein Gehirn: Samstag Erbsünde wegbeichten gehen, sonst drehe ich nächste Woche bestimmt durch) und die unchristliche Rechte Metalldetektoren und Überwachungskameras installieren will (bringt nix, aber das Unterschichtenfernsehen hat danach wenigstens ein paar Live-Bilder).
In medias res? Besonders hübsch ist die Schlagzeile Polizei: Motiv des Amokläufers hat mit Internet zu tun, während es im angehängten Text neben Ballerspielen sonst vor allem um die Waffenfixierung des jungen Mannes geht. Offensichtlich hatte hier aber nur die Logik der Begleitumstände kurzfristig ausgesetzt, da ein komplettes Waffenarsenal in deutschen Haushalten ja anscheinend zum Normalfall gehört. Kein Wort an dieser Stelle über Fahrlässigkeit. Warum auch.
Es gab (gibt?) einen Pressekodex, der reißerische Berichterstattung über Suizide verbietet, da diese erwiesenermaßen Nachahmer finden; warum dies nicht auch auf Amok, auf erweiterten Suizid anwenden? Die üblichen Verdächtigungen, das Nachbohren mit immer denselben vorhersehbaren Ergebnissen fördert nur, dass die Debatten in dem Sand verlaufen, durch den dann die Karawane weiterzieht. Zynisch gesagt: wir warten auf den nächsten Amoklauf. Damit wir danach noch ein bisschen genauer feststellen können, was wir nicht wissen.