Vortrag mal anders
So, der Vortrag ist gehalten. Ich war im Vorfeld ja etwas im Zweifel, aber vom Publikum gab es viel Lob für Inhalt und Form. Mit Tomaten hat niemand geworfen.
Ich hasse ja “klassische” Powerpoint-Vorträge. Mich überfällt körperliches Unwohlsein, wenn ich Folien mit 18 Bulletpoints und einer DIN A4-Seite Texte in 10er Schriftgröße sehe. Ich könnte speien, wenn Vortragende sich nur stupide an diesen Punkten entlanghangeln. Geht gar nicht.
Eine solche Vortragsform ist Körperverletzung.
Als Redner ist man seinem Publikum gewisse Dinge schuldig, immerhin opfern die Leute ihre Lebenszeit um einem zuzuhören. Wenn man dann versucht sie einzuschläfern, muss man sich nicht wundern, wenn der Vortrag nicht hängenbleibt.
Ich experimentiere schon seit einiger Zeit mit anderen Ansätzen zur Gestaltung meiner Präsentationen. Dazu gehört u.a., wenn Thema und Publikum es erlauben, dass die Folien nur illustrieren was ich erzähle. Oft mit einem Bild, ergänzt durch max. zwei Sätze Text.
Der Ansatz des heutigen Vortrags ging noch einen Schritt weiter. Ich sollte einer Runde von Nicht-Technikern was zu Schnittstellen und Softwareentwicklung erzählen. Nicht unbedingt das spannendste Thema von der Welt, insbesondere wenn das Publikum in Gedanken schon im verlängerten, sonnigen Berlinwochende weilt. Die Aufmerksamkeit musste geweckt werden. Also hielt ich einen ernsten und fundierten Vortrag, dessen Visualisierung aber so ungewöhnlich war, dass tatsächlich ALLE zuhörten.
Hier ein paar Highlights, die ohne Kontext vielleicht schwieriger zu verstehen sind, aber vielleicht aufzeigen worauf ich hinaus will. Mehr als die untenstehenden Bilder und max. sechs Worte Text gab es nicht zu sehen.
Die Männchen stellen, je nachdem, mal Nutzer, mal die Software selbst dar. Im Original trägt die Software T-Shirts mit entsprechenden Logos.
Visualisieren sie…
…”akquisitorisches Potenzial” (Kundenbindung, durch gewisse Maßnahmen wie z.B. Qualitätssicherung)
…”schlechte Nutzererfahrung durch schlechtes Softwaredesign”…
…”die Nutzer dort abholen, wo sie sich befinden”…
…”performante Schnittstellen zwischen Programmen”…
…”schlechter Support”…
Mehr Bilder nach dem Klick
…”gute Nutzererfahrung”…
…”mehr Sicherheit durch Speicherung von Daten in verschiedenen Systemen” (Natürlich ohne das hässliche Entlein Redundanz, hier gerade nicht im Bild)…
…auch die ganz Großen der Branche stecken ihre Budgets oft lieber in Marketing als in die Softwareentwicklung. Wenn man genauer hinsieht, stellt man fest: Aufgrund schlechten Designs passt die Metapher “die Software läuft” häufig nicht wirklich. Im Gegenteil stimmt eher das Bild: Im praktischen Einsatz fallen ihr nach kurzer Zeit die Beine ab, bei schwierigeren Aufgaben liegt sie nur noch am Boden und spuckt Blut.“
7 Gedanken zu „Vortrag mal anders“
Zu geil!
Das hätte ich gerne in der Schule so gehabt. Uns kamen sie – wenn überhaupt – mit oben genannten Powerpoint Quälereien. -.-
Sehr schön – bei dem Vortrag wäre ich gern dabei gewesen!
Toll Idee und in jedem Fall besser als trockene Folien. Mir gefällt es und macht mich zudem auch neugierig auf den gesamten Vortag.
Och, ich lehne eigentlich keine Einladung ab. Wenn ich eine bekomme.
Das hätte zwei der Kandidatinnen/Kandidaten (in genau dieser Reihenfolge) bei den Berufungsvorträgen letzte Woche auch gut getan.
Aber die haben sich lieber auf 52 Folien + 3 Videos in 45 Minuten verlassen.
Folgerichtig fiel nachher folgender Kommentar im Studentenplenum: “Wir waren nur aus Freundlichkeit so ruhig. Und weil vorne der Dekan saß…”
Schön wenn jemand wie Du gut genug in seinem Job ist, dass er den Inhalt nicht von seinen Folien ablesen muss.
Sowas ist doch nicht auszuhalten, oder?
Peinlich, wenn man hauptberuflich als Prof reden soll und dann den Vortrag so in den Sand setzt.
Nachtrag: Eine Folie pro Minute ist für Bullet Points das Maximum (wobei mir wieder einfällt, dass ich eigentlich mal einen Beitrag überTips für Vorträge zusammenstellen könnte).
Ich muss zugeben: bei o.g. Vortrag hatte ich über 80 Folien für 17 Minuten. Was aber OK war, da er praktisch ohne Text auskam und die Folien eher einen Trickfilm ergaben.