Review: Star Trek (2009)
Star Trek und ich
Früher, also, ganz früher, fand ich die alte Star Trek Serie supi. Das war zu entschuldigen, denn ich war erst ca. 6 Jahre alt. Wenn es nicht spannender war im Wald mit Stöcken zu spielen, hockte ich also einmal in der Woche vor dem TV und beguckte fasziniert diesen Cäpt´n Kirk, den bösen Mann mit den komischen Ohren und Dingen die Piiiu-Piiu machten.
Der Zustand hielt nicht lange an, schon wenige Jahre später fiel mir auf, dass man die alte Serie eigentlich nicht gut finden durfte: Doofe Drehbücher, Macho-Rumgemache des Captains, halbnackte, willige Weiber und schlechte Gummiattrappen-die-Piiiu-Piiiu machen sind als tragende Elemente einer Serie fast eine Beleidigung für die Zuschauer.
Dann kam The next Generation ins Fernsehen. Ich liebte diese Serie, lediglich mit Zottel-Riker und dem Troi-Hasi bin ich nie wirklich warm geworden, wohl auch, weil diese Charaktere stets wie ein Zugeständnis an Fans der alten Serie wirkten.
Die Folgeserien Deep Space Nine dümpelte vor sich hin, bis Commander Sisko sich endlich die Wolle vom Schädel schabte und der Krieg mit dem Dominion begann – hier wurden große Geschichten erzählt, und das war gut so.
Ohne Eier gegen die Wand
Diese Größe hat die Voyager mitsamt ihrem unausstehlichen Führungsriege nie erreicht, und auch Enterprise ist da auf halbem Weg stecken geblieben.
Im Kino war es nicht viel besser: Bisher funktionierte auf der großen Leinwand kein Star Trek-Film. Entweder waren die Kinofilme strunzlangweilig, nur für Insider zu verstehen oder so gequält auf lustig getrimmt, dass es weh tat (man erinnere sich an die 80er-Klamotte Zurück in die Gegenwart aka Rettet die Wale, uh). “Aber was ist mit First Contact?! DER war gut!” höre ich jetzt schon die erbosten Fanboys/-girls schreien. Ja, liebe Trekker, First Contact war nicht schlecht. Für Leute ohne Star Trek-Vorbildung war der aber kaum verständlich. Zu viel wurde da vorausgesetzt: Wer sind die Borg, was ist ein Warpantrieb, warum ist die Sternenflotte wichtig, was hat der Sicherheitsmann für komische Höcker auf dem Kopf?
Die Produzenten Brannon und Braga hatten bei den letzten TV-Serien schlicht keine Eier in der Hose, und durch das stetige klein-klein in Kombination mit beschissenen Kinofilmen haben sie das Franchise über Jahre hinweg, quasi in Zeitlupe, gegen die Wand gefahren. Man hätte ihnen die Vernatwortung für Star Trek eigentlich nach der 2. Staffel TNG mit Gewalt abnehmen müssen.
Ich mochte Star Trek wirklich mal überaus gerne. Hey, als Geldanlage habe ich irgendwo noch sprechende Figuren der TNG-Crew originalverpackt rumliegen. In 30 Jahren machen die mich die reich.
Als kritischer Fan musste ich aber nach Nemesis und Enterprise auch sagen: Gut, dass jetzt erst mal Schluss ist. Die sollen sich mal alle eine Auszeit nehmen und sich überlegen, wie man Star Trek vernünftig gestalten kann.
Die Stärken von Star Trek war immer die Erzählung im Fernsehen. Entfaltung und Auslotung der Charaktere, Erzählung von großen Handlungsbögen, Entwurf von großen Visionen. Für sowas braucht man Zeit, das bekommt man in einem Kinofilm nur schlecht hin.
Der Film, das Reboot, Gähn
Und nun also der Reboot von Star Trek im Kino? Und das ausgerechnet mit Kirk und Spock? Und dann noch als Jugendliche? Das weckt unangenehme Erinnerungen an den ewigen Nervenarsch Wesley Crusher oder die Kadetten-Schnarchnase Jake aus DS9. Statt vernünftiger Weiterentwicklung des Trek-Universums zwei Schritte zurück. Ist das eine gute Idee?
Nun, um ehrlich zu sein ist es die einzige Idee des Films: Wir setzen alles auf Null, werfen den ganzen Quatsch um die Föderation der Planeten, Borg und wiesiealleheißen weg und machen einen Film, den man auch dann sofort verstehen kann, wenn man sich noch nie mit Star Trek beschäftigt hat. Kein Technobabble, keine philosophischen Ausführungen, keine Parallelen auf Politik und Gesellschaft, und sogar auf den Großteil des klassischen Star Trek Unterbaus (Föderation der Planeten, etc.) bzw. des moralischen Überbaus (Gutmenschentum, erste Direktive) wird verzichtet.
Klar sind echte Trekker davon angepisst – ihr ganzes, jahrelang angeeignetes Wissen ist hier nutzlos, der Sonder-Geek-Status der Geheimloge der Trek-Fans ist verloren. Dieser Film will neue Zielgruppen erschliessen und eine neue Generation für Star Trek begeistern. Das tut er, ohne Rücksicht auf die alten Fans – die gehen sowieso ins Kino, und sei es nur, damit sie was zum Jammern haben.
Das man es hier nicht mit einem normalen Trek-Film zu tun hat, wird in den ersten Filmminuten deutlich: Zu heftiger Rockmusik wird Altbewährtes wortwörtlich von der Klippe geschubst. Stattdessen werden junge, schöne Menschen ins Kameralicht geführt, die auch noch gute Schauspieler sind und verständliche Sätze sagen können. Ein ganz neues Look&Feel. Das weckt das Interesse an Neuem beim Zuschauer, eine positiv gestimmte Erwartungshaltung stellt sich ein.
Schöne Menschen vs. Singende Rumkugel
Die Besetzung ist übrigens sehr durchdacht ausgesucht. Figuren, die sich auch über Jahre die Würde bewahrt haben (Spock, Bones) wurden mit Schauspielern besetzt, die der Originalcrew ähnlich sehen. Andere Charaktere, deren Schauspieler zuletzt nur noch eine Karikatur ihrer Selbst waren (wie Shatner, der sich als singende Rumkugel ins kollektive Gedächtnis gebrannt hat) differieren vom Aussehen stark und haben allenfalls gewisse Eigenarten übernommen.
Überhaupt wird mit den Figuren sehr pfleglich umgegangen. Keiner wird hier als die Vollpfeife vorgeführt, die die Charaktere in der alten Serie durchaus waren. Uhura ist nicht die Vorzimmerdame von Kirk, sondern hochspezialiserte Expertin, Sulu hat komische Ideen, setzt die aber konsequent um und selbst Radebrech Chekov darf mal den Tag retten.
Lediglich die Figur des Spock wird auseinandergenommen und der Lächerlichkeit preisgegeben, was besonders schade ist. Weder das angebliche Rebellentum nimmt man der Figur ab noch die fehlende Selbstbeherrschung in der zweiten Filmhälfte, in der Spock in gefühlt in jeder zweiten Szene entweder rumheult oder einen Wutanfall bekommt.
Diese jungen Lümmel werden nun in eine Story geworfen, in der es an allen Ecken rummst. Das ist nur zum Teil gewollt, z.B. in den häufigen und recht gut gemachten Actionsequenzen: Da rummst und knallt es, dass es eine Pracht ist. Das übertüncht auch beim ersten Ansehen die anderen Rummser, die dadurch entstehen, dass die Geschichte nach einer starken ersten Filmhälfte plötzlich hinten und vorne auseinanderfällt. Besonders deutlich wird das bei der “Wir schießen Kirk zum Mond-Szene”, die ebenso unlogisch ist wie alles, was ihr folgt.
Der Film vertuscht diese Handlungsschwächen mit Hektik, Geschwindigkeit und Drama, und das macht er ganz okay. Gerade der letzte Punkt, Drama, fordert natürlich Leid und Opfer um die Emotionen anzusprechen.
Also wird mal fix der Heimatplanet der Spitzohren gesprengt, von einem tätowierten Hooligan in einer fliegenden Artischocke. Um dadurch nicht alle vorangegangenen Trek-Serien und Filme für ungültig zu erklären, wird hier eine alternative Zeitlinie ausgerufen. Na klar.
Fans werden mit uninspirierten Zitaten (“Verdammt, Jim, ich bin Arzt und kein Physiker”) und Anspielungen (“Ich habe Admiral Archers Beagle fritiert”) abgespeist.
Der Großteil der Handlung kommt damit aus dem Trek-Baukasten: Schon wieder eine Geschichte um Rache. Schon wieder ein Bösewicht, der nicht für 5 Cent funktioniert und schon wieder in einem komischen Raumschiff durch die Gegend eiert. Schon wieder Zeitreisen.
Dazwischen versteckt J.J.Abrams seine üblichen Eastereggs und zitiert sich selbst. Vulkan wird dank roter Kugeln (aus Alias), äh, vulkanisiert, auf dem Eisplaneten taucht der kleine Bruder des Monsters aus Cloverfield auf, und Menschen rennen im Halbdunkel durch lange Gänge (nochmal Alias).
Produktionsdesign von IKEA
Auch seine Vorliebe für alte Industrieanlagen schimmert überall durch, was nun wirklich gar nicht passt. Star Trek stand immer auch für mehr der weniger stylisches, gut durchdachtes Design. Davon ist hier nicht zu finden. Das Setdesign ist so inkonsistent, als hätten 5 verschiedene Designer 10 verschiedene Ideen gehabt wie das Ganze auszusehen hat. Das fängt beim fliegenden Rosenkohl des Bösewichts und Spocks Spermienschiff an, geht weiter mit der unübersichtlichen Brücke der Enterprise, mit ihren Schreibtischlampen und den unmotiviert in der Gegend rumstehenden Glaswänden, und endet beim Maschinenraum des Schiffs, der nur deswegen mit Rohren vollgestellt ist, damit ein Gag gebracht werden kann. Und der ist nicht mal gut.
Fazit
Aber wir wollen mal nicht so sein, der Film ist durchaus solides Kino, dem man allerdings auch ohne Probleme noch den letzten Rest Star Trek amputieren könnte. Übrig bliebe immer noch ein guter SciFi-Action-Film. Die Besetzung funktioniert gut, und so lange man nicht auf sein Hirn hört, macht der Film sogar Spass. Ärgerlich sind so einige Punkte, aber wenn man aus dem Kino kommt und Dinge sagt wie: “Wow, bin gespant wie DAS weitergeht” und “Hoffentlich machen die da eine Serie draus” – dann sind das Indizien dafür, dass hier etwas richtig gelaufen ist. Das Ziel, neue Zuschauergruppen für Star Trek zu begeistern, hat er auf jeden Fall erreicht.
13 Gedanken zu „Review: Star Trek (2009)“
Ich bin beruhigt, dass ich den Film richtig verstanden habe. Dachte, das liegt daran, dass ich ihn auf Englisch gesehen habe und ihn deswegen nicht kapiert habe. Als Kirk plötzlich auf dem Planeten mit dem Monster war, dachte ich erst, die hätten die Rollen falsch zusammengebaut…
Tolles Review, vielen Dank. // Nein, ich war nicht im Kino und warte stattdessen auf die DVD. Allerdings weiß ich, nicht ob ich mich darauf so richtig freuen oder doch nur freuen soll. 😉 Selbst sehe ich mich als Konsument => ich lass es zu, dass mich eine Geschichte versucht mich hineinzuziehen. Je nachdem wie gut ihr das gelungen ist, hat mir der Film entweder gefallen oder nicht. Zu derart detaillierten Betrachtungen wie Du hier komme ich erst gar nicht. In meiner Skala ist ein Film am Ende entweder gut und interessant, oder schlecht und langweilig.
Ich würde ihn mir im Kino ansehen. Der “SiverWcreen-Zauber” ist durchaus vorhanden, dass kann eine DVD nicht transportieren.
Und ich gebe zu: Mir fällt es schwer, rein passiv Filme zu kosumieren und anschliessend aus dem Bauch zu sagen gut/nicht gut. Irgendwie läuft der kleine Filmkritiker in meinem Kopf die ganze Zeit mit und analysiert was ihm nun gefällt oder warum etwas nicht funktioniert. Sind wahrscheinlich die Nachwirkungen der Veranstaltungen zur Filmwissenschaft.
Ich find den auch ziemlich mies. Alles schon hundertmal dagewesen und konstruiert. Keine neuen Effekte, eine hohle Story und insgesamt ein Film ala Starship Troopers im Star Wars Look. Das braucht kein Mensch und schon gar kein Trekkie.
Ich fand ihn gut 🙂 ich halte es da wie ruediger, ich lass es zu dass auch Blödsinn Spaß macht.
Von den Effekten hätte ich mir etwas mehr Einfallsreichtum erwartet, aber naja. Dafür gab’s bei der Action keine ungewollte Komik wie bei Wolverine.
Die Besetzung fand ich voll in Ordnung, aber bei Spock muss ich dir zustimmen, Silencer. Wer sollte ihm das abnehmen dass er so oft heftige Emotionen zeigt – vor allem da irgendwie der Rest der ganzen Star Trek sich damit beschäftigen, wie Spock lernt auch seine menschliche Seite anzuerkennen. Das sah man sogar im Rat vom Botschafter an den Commander.
Die Serie Enterprise hatte übrigens Potential, fand ich. Da gab’s mal etwas kantigere Charaktere.
Voyager war ziemlich fad und bei DS9 bin ich wieder ganz deiner Meinung. TNG war geschichtentechnisch trotzdem das beste Franchise. Allein Q und seine Verbalduelle mit Picard. 🙂
Achja, und fliegende Artischocke? :rofl: herrlich!
Ich sehe schon, wir sind einer Meinung 🙂
Um Mißverständnissen vorzubeugen: Ich mag auch No-Brainer-PopCorn-Blockbuster. Ich liebe z.B. Van Helsing (was ausser mir NIEMAND tut) oder diesen pseudowissenschaflichen Quatsch “The Core”.
Dennoch, wenn alle Kritiker einen Film bejubeln, werde ich mißtrauisch – ich liebe Filme, stehe ihnen aber auch mit kritischer Distanz gegenüber.
Ja, Enterprise hatte Potential. Ich erinnere nur an die ausgefallene Schwerkraft u.ä. – das war herrlich cool. Leider hat man erst in der vierten Staffel angefangen was daraus zu machen, und da war es schon zu spät. Die abschliessende Doppelfolge “Terra Prime” war dann nur noch ärgerlich.
Wolverine unfreiwillig komisch? Da bin ich ja drauf gespannt – ich sehe den aller Voraussicht nach am Dienstag.
… [trommelwirbel] … ich mag van helsing (hugh jackman, coole Effekte, Humor (die Kuh?) und nette Action). Und auch the core (ebenfalls wegen der effekte und der aufmachung – das ist doch der wo es eine kristallschicht gibt, nicht? Falls ich nicht mein ich einen anderen wo sie in einem großen bohrer herumfahren *g*).
Langsam wird das unheimlich 😉
… [trommelwirbel] … ich mag van helsing (hugh jackman, coole Effekte, Humor (die Kuh?) und nette Action). Und auch the core (ebenfalls wegen der effekte und der aufmachung – das ist doch der wo es eine kristallschicht gibt, nicht? Falls nicht mein ich einen anderen wo sie in einem großen bohrer herumfahren *g*).
Langsam wird das unheimlich 😉
😯
Hmm.
– fand Spock super, bester Jungdarsteller seiner Generation. Bitte auf Englisch gucken, vermute die Syncro bewirkt da übles. War in OV kein bischen weinerlich sondern wirkte eher gefährlich.
– Starship Troopers ist als Fubn-Space-Opera maßlos unterschätzt. Wenn wir eines brauchen ist das ein StarShipTroopers/Star-Trek Merging – moralinsaure Ergüsse hatten wir doch nun in gefühlten 20.000 StarTrek Folgen wirklich genug.
– die erste Hälfte von Van Helsing geht voll in Ordnung, nur das letzte 1/3 ist grausig (wie bei so arg vielen Fantasy/Horrorfilmen)
– Weiß jemand warum die FAMOSE Musik aus dem 3. Trailer es nicht in den Film geschafft hat?
Was denn, in der Originalfassung weint er nicht? 🙂
Ich hab den Film gestern gesehn und ich bereue es so….
Ich bin richtig traurig. Warum?! *mit Hammer auf Drehbuchautorenköpfe hau*
Seit ihr so unkreativ oder seid ihr es? Ich liebe die alten Star Trek Filme und jetzt umso mehr.
Sagt mal, habt ihr auch erwartet als Kirk vor dem Schneemonster/größeres Monster gejagt wird, dass 1. gleich ein noch größeres Monster kommt, 2. er in der Höhle Luc mit seinem Laserschwert an der Decke hängend findet?
War das Absicht oder einfach nur blinde Dummheit? Alle Ressigeure müssen so EINE Box mit Karteikarten haben: Action = Monsterverfolgung; überraschende Wendung = Monster wird größerem Monster gefressen; lustige Wendung = großes Monster wird von noch größerem Monster gefressen usw. usw. Ich geh jetzt in die Ecke mit meinem kleinen Star Trek Schiff und weine….