Könnensenichmal vorbeikommen? (4)
Am Telefon, Fortsetzung von dem und dem und dem:
Männliche Stimme: “Nuschelnuschelnuschel Volksbank Nuschelnuschel?”
Ich: “Moin. Kann ich bitte mit Frau Brunzel sprechen?”
Nuschel: “Die ist leider heute in Urlaub.”
Ich: “Vielleicht können Sie mir auch helfen. Ich warte da auf eine Kreditkarte, und so langsam brauche ich die ECHT dringend. Die wird mir doch zugeschickt? Oder muss ich vorbeikommen um die abzuholen?” *Gnichel*
Nuschel: “Nein, die wird ihnen zugeschickt. Dazu kann jetzt aber nur Frau Brunzel was sagen. Soll sie Sie morgen zurückrufen? Oder möchten Sie einen Termin bei Frau Brunzel und einfach mal vorbeikommen?”
Ich: *Seufz* “Rückruf wäre toll.”
…
Um es kurz zu machen: Frau Brunzel hat mich nicht zurückgerufen. Sie hat sich bisher gar nicht mehr gemeldet. Die Kreditkarte lag gestern im Briefkasten, dabei ein unpersönlicher Formbrief.
Der Witz an der ganzen Geschichte ist ja: Bis heute ist mein Konto u.a. deshalb bei dieser Bank, weil ich den persönlichen Kontakt und die kurzen Wege bei der Betreuung so schätzte. Man kannte sich, und deshalb reichte ein Anruf, und die Bänkerin machte die Sachen klar. Erhöhung des Dispo? Kein Thema. Autoversicherung übernehmen? Aber sicher, ich schicke ihnen die Sachen gleich mal rüber.
Das war schön, das war OK. Diese ganze Könnensenichmal vorbeikommen-Geschichte zeigt, was davon übrig bleibt, wenn man aus diesem harmonischen Miteinander einen wichtigen Bestandteil entfernt und durch korporales Regelwerk zu ersetzen versucht. Wenn das Miteinander nicht über die Zeit gewachsen ist und auf Vertrauen beruht, sondern als Strategie zur Kundenbindung vorgegeben wurde. Dann wird aus dem guten Verhältnis schnell eine Angelegenheit, die die Kunden durch permanentes, pseudo-persönliches Rumgeschleime nervt, und bei der überdeutlich wird, dass die gemütliche Dorffiliale nur die Maske eines hässlichen, anonymen Konzerns ist.
Handbuch für Banker auf dem Dorf: 1. Persönlicher Kontakt. Anweisung: Mit allen Kunden Kaffee trinken, dabei Dinge aufschwatzen. “Wie, der Kunde will nicht vorbeikommen? Wenn sie ihn nicht dazu bringen macht sich das aber schlecht in ihrer Bewertung, Frau Kollegin.”
Statt einem Geschäftsklima, in dem man das Gefühl hat mit echten Menschen zu agieren, die sich gegenseitig schätzen und sich wichtig sind, bekommt man plötzlich Gänsehaut. Als ob man etwas Ekelhaftes angefasst hat.
Die “Könnensenichmal vorbeikommen”-Anthologie:
Teil 1
Teil 2
Teil 3
Teil 4
5 Gedanken zu „Könnensenichmal vorbeikommen? (4)“
also ich hätte ja, wie schon mal bemerkt, spätestens nach dem 1. Teil hier die Bank gewechselt.
ich kenne es so wie du auch schreibst, man kennt sich, man reagiert auf Anruf /mail, man sieht sich vielleicht einmal im Jahr. glücklicherweise klappt das bei mir momentan noch so …
🙂
och, nun ist Frau Bunzel wohl eingeschnappt. 🙂
Frech wäre ja jetzt, sie anzurufen und zu fragen, ob Du sie besuchen könntest, weil Du ihr unbedingt persönlich für die erfolgreiche Zustellung der Kreditkarte danken möchtest. o_o
Das ganze Dilemma könnte auch ‘nur’ das Ergebnis einer ablaufoptimierenden Operation seitens einer gewinnoptimierten Beratungsgesellschaft sein. Bei mir war es die Versicherung, die sich von einem auf Zuruf tätigen Unternehmen zur proaktiven Multi-Konzern-Krake wandeln wollte. Erst als ich meinen Agenten einbestellt und ihn aufgefordert habe dafür zu sorgen, dass diese Belästigungen (Anrufe, Briefe, Broschüren,…) sofort aufzuhören haben, ließen die von mir ab. Wie mir bestätigt wurde war KPMG am Werk und es hagelte reichlich Beschwerden, besonders von Altkunden.
Kann das an den Provisionen liegen?
Geschäftsabschluss vor Ort: Frau Bunzel
Geschäftabschluss telefonisch/online: Vertriebskanal E-Business
Das Ganze systemisch prozessual so sauber getrennt, dass jede “echte” Persönlichkeit verloren geht, wie Du treffend beschreibst.
Ich werde mich durch alle deine Beiträge lesen. Zu köstlich diese kleinen Geschichten, die das Leben geschrieben hat.
Alter Schwede, jetzt gräbst Du aber ganz tief im Archiv… Aber mach ruhig, ich freue mich über jeden Kommentar!