Willkommen im Club

Willkommen im Club

Anruferin: “Hallöchen! Spreche ich da mit Herrn Silencer?”
Ich: “Mwnh.”

Um kurz nach 09.00 Uhr am Samstag Morgen bin ich nicht wirklich ansprechbar. Und auskunftsfreudig erst recht nicht. Anrufer müssen sich darauf einstellen den Kopf abgebissen zu bekommen. Allerdings bin ich dazu erzogen worden, gegenüber älteren Leuten freundlich zu sein. Und die Dame am anderen Ende ist ein älteres Semester. Ausserdem ist sie vermutlich bis oben hin zu mit Eierlikör oder 4711 oder was auch immer ältere Damen so zum Berauschen nehmen. Sie strahlt nämlich quasi radioaktiv durchs Telefon.

Anruferin: “Wissen Sie eigentlich, wie lange sie schon im Club sind?”

WTF? Ich dachte, aus dem Club wäre ich vor ein paar Stunden raus. Nochmal schnell umgucken: Gottseidank, ich bin zu Hause.

Ich: “Mwah?”
Anruferin: “18 Jahre! Acht-Zehn-Jahre sind sie schon Mitglied im Club! Ist das nicht toll? Wie die Zeit vergeht, was? Ich frage das immer am Anfang, weil die meisten Leute gar nicht wissen wie lange sie schon drin sind.”

Ach, DER Club. “Der Club”. Der Bertelsmann Buchclub.
Wie Quelle ein Relikt aus vergangenen Zeiten. Als Mitglied kann man Bücher in speziellen Clubeditionen bestellen. Die sind dann etwas günstiger als im Laden. Dieser ganze Club ist eigentlich ein Vehikel, um die Buchpreisbindung zu umgehen. Als Clubmitglied ist man verpflichtet mindestens einmal pro Quartal was zu kaufen. Ich habe die Clubmitgliedschaft quasi geerbt.

DamalsTM war er die einzige Möglichkeit für die Leute vom Dorf, Informationen über Neuerscheinungen zu bekommen und Bücher per Post zu bestellen. Wer lesen wollte, musste im Club sein. Meine Güte, ist DAS lange her. Mittlerweile vertickt DER CLUB auch Filme, Musik, Versicherungen und Whatnot, aber das lieblos. Die Filialen sind viel zu klein, der Internetauftritt ist ein Witz. Jahrelang hat Bertelsmann gepennt, und auch die Quelle-Insolvenz ist anscheinend kein mahnendes Beispiel dafür, dass es nicht ewig mit überkommenen Vertriebskonzepten weitergehen kann. Wenn man im schlecht sortierten Onlineshop eine Bestellung aufgibt, hat man die Wahl: Entweder den Versand bezahlen oder an eine Filiale liefern lassen und dort abholen. In Zeiten von One-Click-Versandkostenfrei-Amazon ist das ein Anachronismus. Bertelsmann Buchclub, das riecht immer noch nach Schrankwand, röhrendem Hirsch und Wirtschaftswunderzeiten.
Was die Dame am Telefon nicht davon abhält, stimmlich eine Begeisterung auszudrücken als wäre DER CLUB das tollste auf der Welt.

Anruferin: “Ich wollte mit Ihnen mal über unsere Zusatzangebote sprechen, wir haben da tolle Handyverträge…”
Ich: “MwahGRrrr.”
Anruferin: “Oder ist gerade schlecht?”
Ich: “Mwnh”
Anruferin: “Dann rufe ich später nochmal an”
Ich: “Mwah.”

Seit Jahren will ich mich schon um eine Kündigung kümmern. Nun werde ich es endlich mal angehen. Irgednwie vergesse ich zwischen den Quartalskäufen immer, dass ich ja Mitglied im CLUB bin. Danke, liebe unbekannte Callcenter-Oma, für den Erinnerungsservice.

7 Gedanken zu „Willkommen im Club

  1. ohmann, mein beileid!

    ich kenne das zugut von meinen eltern… selbst wenn sie sagen wir haben nur! interesse an den büchern und rufen sie uns nie wieder an … kommt trotzdem alle paar wochen nen durchruf!

    deswegen, unterschreibe nie etwas was du nich genau gelesen hast

  2. Ach, du auch… Allerdings ist das alles irgendwie von meinem Vater an meine Mutter an mich übergegangen. Was so viel heißt wie: Meine Mutter hat die Mitgliedschaft und erinnert mich alle vier Monate, ich möge mal wieder was bei denen bestellen. Wir könnten uns ja immer gegenseitig an das Kündigen erinnern, vielleicht führt das zu Ergebnissen.

    Wobei ich mittlerweile ohnehin nur noch Kochbücher oder Bücher aus dem “normalen” Buchhandel wahrnehme, den sie mittlerweile ja auch anbieten. Vieles andere ist Quatsch oder mich nervt dann das Aussehen der Club-Edition. Und auch der Service an sich ist einfach überholt…. in Zeiten von Großer-Fluß-Versand vor allem. Die liefern es zudem schneller und im Zweifelsfall versandkostenfrei.

  3. Ach. DER Club. Ja. Ich befürchte, mein Vater ist da auch immer noch Mitglied. Seit ca. 20 Jahren. Und das ist meine Schuld.
    Es gab da diesen Buchladen in der väterlichen Kleinstadt, der gleichzeitig Bertelsmann-Filiale war. Dort gab es Bücher und auch CDs nd so Kram. Die Bücher konnte man auch als Normalsterblicher erwerben, aber eines Tages wollte das Zimtäpfelchen eine CD haben – ich weiß leider nciht mehr, was für eine, aber auch wenn ich es wüsste, müsste ich darüber vermutlich den Mantel des Schweigens decken – und da stellte sich raus: CDs dürfen nur Mitglieder kaufen. Vater fand die Bedingungen (ein Kauf je Quartal) annehmbar, man braucht ja immer mal ein Buch oder eine CD, und unterschrieb. Und ich bekam meine CD von wem auch immer.
    Tja, und heute isser da immer noch Mitglied und ich glaube, mittlerweile ist der Goldneffe größter Nutznießer meines damaligen CD-Wunsches. (Und das mit der Kündigung wird mein Vater vermutlich nie auf die Reihe kriegen.)

  4. Ich hatte bei Bertelmann kündigen wollen und bei Nachfrage warum, erklärte ich sowas bekommen ich auch alles bei Weltbild, mit viel mehr Sonderangeboten und ohne Quartalskauf. Seitdem brauch ich ganz offiziell keinen Quartalskauf mehr machen und bin trotzdem Mitglied! 🙂

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