Die Politik kapituliert vor der Lobby der Heroinjunkies
Die Aussage aus der Überschrift steht allen Ernstes zum Jahrestag des erweiterten Suizids in Winnenden in der Berliner Tageszeitung Der Tagesspiegel:
Mit einer Vehemenz, die an Heroin-Junkies erinnert, denen gerade die Spritze entzweigebrochen ist, während das Dope über der Kerze brodelt, wurde zum immergleichen Counterstrike ausgeholt: Sind doch bloß Spiele, macht doch jeder, Verbote bringen nichts, Zusammenhang mit erhöhter Gewaltneigung ist nicht einwandfrei nachgewiesen.
Die aggressive Leidenschaft der Killerspiel-Gemeinde überrascht nicht. Denn diese Gemeinde ist groß, gut organisiert und als Lobby fast ebenso stark wie die Pharmaindustrie, die Automobilbranche oder der so genannte militärisch-industrielle Komplex. Seit dem Erfolg der Piratenpartei schließlich und der erfolgreichen Kampagne gegen “Zensursula” von der Leyens Kinderschänder-Webseiten-Sperrungs-Initiative ist klar: Die Politik hat vor dieser Macht kapituliert. Keine geistig-politische Wende wird daran etwas ändern.
Quelle: http://www.tagesspiegel.de/meinung/kommentare/Winnenden-Amoklauf;art141,3053761
Der zitierte Artikel, verfasst vom leitenden Redakteur des Meinungsressorts beim Tagesspiegel, geht in diesem Stil weiter.
Ein Pamphlet in seiner reinsten Form. Ein Beitrag auf Stammtischniveau, der gänzlich ohne Fakten auskommt, mit niedrigsten Mitteln auf emotionale Wirkung abzielt und mit einer Argumentation á la “Wer anderer Meinung ist, frisst auch kleine Kinder” schliesst.
Das ist so derb unterste Schublade und billig getrickst, dass ich keine Lust verspüre, den Artikel im Detail auseinander zu pflücken. Muss ich aber auch nicht. Der Autor macht von Anfang an klar wo er steht (was auf einer Meinungseite OK ist) und demontiert sich durch seine Kenntnislosigkeit stante pede selbst. Einfach mal zurücklehnen und mit wachem Hirn lesen.
Was da steht, ist in der Summe so unfassbar dumm, dass man sich wirklich die Frage stellen muss, wie niedrig die Qualitätsstandards im Printjournalismus mittlerweile wohl sind. Ich würde wetten das sogar die, bei Journalisten in der Regel schlecht beleumundeten, Blogger sachlicher und gleichzeitig angemessener mit Themen wie dem erweiterten Suizid von Winnenden umgehen könnten. Vielleicht wäre denen sogar ein relevanter Kommentar eingefallen, etwa zu Mobbing an Schulen, Waffengesetzen oder der Verantwortung der Medien in Bezug auf Nachahmungstäter.
Wenn man nur für 5 Cent nachdenkt, fallen einem gleich mehrere Dinge ein, die sich besser für einen Kommentar eignen. Aber das ist nicht Sinn und Zweck eines Pamphlets, bei dem es per Definition um Herabwürdigung und Unsachlichkeit geht. Bleibt die Frage: Warum zum Teufel soll ich eine Zeitung kaufen, in der unsachliche, polemische und falsche Dinge stehen? Da ist nicht mal das Ressort Meinung eine Entschuldigung.
Der fürchterlich dumme Artikel steht übrigens im starken Kontrast zu den teils wirklich klugen Leserkommentaren darunter.
3 Gedanken zu „Die Politik kapituliert vor der Lobby der Heroinjunkies“
“Qualitätsstandards im Printjournalismus” ???
hallo, wo sollen die denn herkommen?
wir haben das Jahr 2010, da ist das abgeschafft worden.
wenn die Spieler eine Lobby wie die Pharma- oder Autobranche haben sollten, stellt sich mir die Frage weshalb seit einem Jahr alle möglichen Veranstaltungen abgesagt werden und Counterstrike nicht Schulfach ist.
boah, was ein Humbug.
Ja, alles frei erfunden und überhaupt nicht nachgedacht.
Du hast Recht, grausamer Artikel, aber dafür wunderbar differenzierte Kommentare. Man beachte mal nur die von “MwaH” (die anderen Teile seines Artikels stehen weiter unten) oder “seriouskano”.