Auf der Kreuzung vor dem Firmengebäude, an einer der Strassen mit dem höchsten Verkehrsaufkommen hier in der Stadt, steht ein Linienbus. Davor steht eine Frau, mitten auf der Strasse, und schreit sich die Seele aus dem Leib.

Keine Ahnung was der Busfahrer angestellt hat. Der Lautstärke und dem Erregungsgrad der Radfahrerin nach zu urteilen hat er sie wohl umgefahren, die Handtasche geklaut und ihre Bonbons aufgegessen. Also stellt sie sich mitten auf die Strasse vor den Bus wie einst Gandalf vor den Balrog und verschafft ihrer Wut lautstark Gehör. Eine Grünphase lang, dann noch eine. Als beim dritten Grün noch nichts vorwärtsgeht, steigt eine Autofahrerin aus und versucht die Radfahrerin zu beruhigen.

Zum Dank bekommt sie fast eine Gedonkt, zumindest sieht das von meinem Logenplatz in diesem Theater so aus. Nach der vierten Grünphase, der Verkehr staut sich vermutlich bis in den Nachbarort, steigt die Frau wieder auf ihr Rad. Als die Ampel grün wird, beschliesst sie allerdings doch, dass sie lieber nochmal ihr Rad auf die Erde wirft und eine Runde den Bus anschreit. In der sechsten verpassten Grünphase steigt der Busfahrer aus. Er ist fast einen Kopf größer als die Schreierin, dafür doppelt so breit. Und trotzdem steht in einer Körperhaltung vor ihr, die irgendwie an einen eingeschüchterten Tanzbären im Zirkus erinnert. Hektisch wringt er die Hände vor der Brust. Man muss fast Mitleid mit ihm haben.

Was die Radfahrerin nicht davon abhält in ohne Unterlass anzuschreien.
In der neunten Grünphase hat ein Fahrgast des Busses die Faxen dicke, steigt aus und macht der Brüllette klar, dass er gedenkt die Polizei zu rufen, wenn sie noch länger die Strasse blockiert.
Die Frau macht Anstalten den Fahrgast zu verprügeln. Wo ist eigentlich meine Kamera? Ah, hier… Oh, die Frau ist verschwunden. Und der Busfahrer holt tief Luft und fährt weiter.

Zehn Minuten im Göttinger Stadtverkehr.

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