Die Krachfelds
Ich wohne in einem wunderschönen Fachwerkhaus aus dem 16. Jahrhundert. Meine Wohnung ist Teil der umgebauten Scheune, und ich wohne nicht allein dort.
Meine unmittelbaren Nachbarn eine Etage tiefer, nennen wir sie mal die Krachfelds, sind eigentlich ein altes Ehepaar. Er in den 80ern und ein ganz Stiller, sie eine kraftstrotzende Mittsiebzigerin.
Die beiden sind vor zwei Jahren eingezogen und haben als erste Amtshandlung ihre Wohnung in kleine, düstere Kämmerchen aufgeteilt. Schon schräg: Da wurden ein paar Jahre zuvor die Wände herausgestemmt, um eine weite, offene Wohnlandschaft zu schaffen, und dann kommen die Krachfelds und machen wieder alles klein-klein. Weil sie es nicht anders kennen. Aber ich schweife ab. Also, die Krachfelds sind eigentlich ein älteres Ehepaar.
“Eigentlich” deswegen, weil mindestens zwei weitere Generationen der Krachfelds bei uns im Haus ein- und ausgehen, was gelegentlich zu dem Eindruck führt, dass ca. ein Dutzend Leute dort wohnen. Die Krachfelds sind sehr nette Leute, vererben aber anscheinend vor allem ein schlechtes Gehör. Dieses Defizit gleichen sie durch Lautstärke wieder aus. Alle Familienmitglieder, bis hin zu den Jüngsten, haben extrem laute Stimmen. Ich habe erst gedacht, die würden sich dauernd streiten – aber weit gefehlt. Was Außenstehende als Anschreien interpretieren, ist innerhalb der Familie Krachfeld die akzeptierte Form der gepflegten Konversation. Auch ansonsten ist alles laut. Der Fernseher läuft am Anschlag. Und die Türklingel spielt, wenn sie betätigt wird, rund eine halbe Minute den Yankee Doodle in einer Lautstärke, das Opa Müller drei Häuser weiter dazu marschieren kann.
Genau diese Klingel hat heute eine Fehlfunktion. Sie Yankeedudelt zwar noch, aber mit einem blechernen, verzerrten Klang und auf doppelter Geschwindigkeit. Und das Beste: Sie hört nicht mehr auf! Das stürzt die Krachfelds in eine kollektive Verwirrung. Man stelle sich also bitte vor: Auf voller Lautstärke schallt in Cartoongeschwindigkeit ein ohnehin alberner Marsch durchs Haus und klingt dabei, als ob das Soundmodul der Klingel jeden Moment explodiert. Um den Klingelknopf (SIC) stehen fünf Krachfelds und schreien sich verwirrt an. Ein Bild für die Götter.
Zwei Dinge schiessen mir durch den Kopf, als ich das akustisch verseuchte Haus verlasse.
1.: Wenn sich jetzt jemand in den Hausflur stellt und in eine Vuvuzela trötet, hört ihn keiner.
2.: Wenn ICH eine Türklingel wäre und JEDEN VERDAMMTEN TAG so ein SCHEISSLIED von mir geben müsste, würde ich auch irgendwann wahnsinnig werden.
Beide Gedanken lassen mich still in mich hineingrinsen, während ich dem Kleinen Gelben AutoTM die Sporen gebe und wir in den Sonnenuntergang reiten. Wir werden Orte der relativen Ruhe aufsuchen. Zum Beispiel Rockkonzerte.
3 Gedanken zu „Die Krachfelds“
*g* Na dann hoffe ich dass sie der wahnsinnigen Klingel bis zur Schlafenszeit zumindest den Strom entziehen!
Das gelbe Auto passt natürlich zur beschriebenen Situation. Die gelben Autos sind bei uns (CH) in der Regel aber relativ gross und wenn jemand darin wegfährt steuert er nicht mehr selber sonder wird darin in die “Klapse” chauffiert.
Kalesco: mir egal. 🙂
Ich komme heute nicht nach Hause.
Ich Packe Meine Sachen
Und Bin Raus, Mein Kind,
ich bin auf Der Reise
Und Hab Rückenwind.
Robert: solche Autos sind bei uns grün… Aber danke für den Tip, ich passe auf wenn ich durch die Schweiz fahre. Nicht, das da plötzlich ungebetene Gäste einsteigen…