AC2-Tourtagebuch (1): Schotten, BHs und ein Alptraum
Im Januar 2010 spielte Herr Silencer das Spiel “Assassins Creed II”, dessen Handlung im Italien der Renaissance angesiedelt ist. Gepackt vom Toskana-Fieber, entwickelte er die fixe Idee, die Orte im Spiel mit eigenen Augen sehen und erleben zu wollen. Der Moderne Nerd griff die Idee auf und begann mit der Umsetzung.
Und so begab es sich, dass sich im September 2010 zwei abenteuerlustige, junge Männer aufmachten, um Norditalien und die Toskana zu besichtigen, ausgerüstet nur mit iPhones, Kreditkarten und einer Ersatzsocke. Dies ist das Tagebuch ihrer Reise.
Tag 1 | Karte: Google Maps | |
Ort | Bremen | |
Zeit | 4.45 Uhr | |
Hotel | Hanseatic Mercure Bremen | |
Schlüssel des Tages | – | |
“Frühstücken werden wir dann in Mailand” – das wollte ich schon immer mal sagen. (Stimmt nicht, klingt aber total mondän und welterfahren). “Frühstück in Mailand” ist auch der positive Gedanke, der mich um kurz vor fünf Uhr morgens motiviert das Hotelbett zu verlassen. “Zum Frühstück sind wir in Mailand!” ist der Schlachtruf, den auch den Herrn Moderner Nerd aus dem Bett treibt.
War eigentlich Quatsch, dieses Hotelzimmer in der Nähe des Flughafens. Wir hätten die Nacht auch gleich durchmachen können – die besten Orte in Bremen kennen wir jetzt, unserem Gastgeber vom Vorabend sei Dank.
Gegen 5.30 Uhr machen wir uns auf den Weg. Der Flieger geht zwar erst zwei Stunden später, aber hey, man weiß ja nie. Am Flughafen ist schon Hochbetrieb. Busladungen von Geronten werden davor ausgekippt. Es ist putzig anzusehen, wie sie alle gleichzeitig versuchen, mit ihren Trolleys durch die Schiebetüren zu kommen. Auch am Terminal unserer Fluglinie ist schon die Hölle los.
Ein Asiate kippt versehentlich den Inhalt seines Koffers aus. Eltern versuchen ihre Kinder einzufangen. Einer voluminösen Studentin aus Lettland reisst der BH, was sie ihrer Freundin dergestalt kund tut, dass jeder, auch des Lettischen nicht Mächtige, es mitbekommt und versteht. Trotzdem bewirbt sich niemand um den Job als Büstenhalter, auch die besoffenen Schotten in Kilts nicht, die sich auf Plastikstühlen durch die Gegend schieben. Dem Gegröhle nach ist das Ziel des Spiels, möglichst spektakulär umzufallen und möglichst heftig auf den Boden aufzuschlagen. In alle dem Trubel diskutieren verschiedene Subjekte lautstark mit dem Bodenpersonal, warum ihr Gepäck nun doch unbedingt Handgepäck sei, auch wenn es viel größer oder schwerer ist als die Vorgaben oder lebende Tiere beinhaltet.
Der Flieger mit der irischen Laute am Heck ist wie immer nagelneu, eine Boing 737-800. Schlappe 8 Euro hat der 80minütige Flug von Bremen nach Bergamo, nahe Mailand, gekostet. Unglaublich, dass das umweltschädigendste Reisemittel auch das günstigste ist. Die Bahn wäre 20 Mal so teuer gewesen und hätte lockere 10 Stunden gebraucht. Trotzdem wundere ich mich, während die Sicherheitsprozeduren ihren Lauf nehmen und die Security die wogende Peripherie der Lettin nach Dingen abtastet. Die dabei an den Tag gelegte Sorgfalt kann ich verstehen, immerhin hat diese Granate schon vor dem Frühstück ihren BH gesprengt. Wer weiß, zu was die noch fähig ist.
Gegen die Schotten ankämpfend sichere ich mir einen Fensterplatz. Der Start verläuft reibungslos, schnell bleibt das miese Wetter zurück und Sonnenschein über den Wolken flutet die Kabine. Während ich fasziniert aus dem Fenster starre, startet das Ryan Air-Personal eine Verkaufsshow, gegen die jeder Homeshoppingsender alt aussieht. Nacheinander werde angeboten: Kaffee, Getränke, Brötchen, Pizza, Zigaretten, elektrische Zigaretten die nur qualmen aber kein Nikotin enthalten (was wie ein Puff ohne Frauen ist, also sinnlos, quasi), Zigaretten die Nikotin enthalten aber nicht brennen, Parfüm und am Ende sogar Rubbellose.
Ist mir alles egal, ich gucke Wolken, dann Alpen und schliesslich unsereren Zielflughafen: Bergamo. Kennt keine Sau, liegt sechzig Kilometer östlich von Mailand und breitet sich wie ein Krebsgeschwür in mehreren Voralpentälern aus. da will man nur so schnell wie möglich weg, aber da sei die Autovermietung vor. Von drei Damen in der örtlich Hertz-Filiale kriegen wir ausgerechnet die Bratze als Bedienung. Die kann uns nicht leiden, mit dem Zusatz “Strassengebühren im Mietpreis enthalten” auf unserem Internetvoucher nichts anfangen und verweigert, nachdem wir uns keine Superduper-Versicherung von ihr haben aufschwatzen lassen, die Herausgabe eines anderen Autos als eines Fiat 500.
Statt im Alfa Romeo-Cabrio über die Landstrassen zu cruisen, werden wir also in einem Fiat 500 durch Schlaglöcher hopsen. Super. Was weiß man über Fiat? Die Dinger haben traditionell beschissene Getriebe und gehen schon kaputt wenn man nur in den Fahrersitz pupst.
UNSER spezieller Fiat ist zudem ein ganz besonderes Exemplar. “Sport” steht am Heck, und irgendwer hat einen dicken Endtopf drangebastelt, vermutlich mit Klebeband. Das wirklich erschreckende offenbart sich erst im Innenraum: Eine Taste mit Windowslogo am Lenkrad, “Esc”-Taste am Armaturenbrett und ein “Made for Windows Mobile 6.5”-Logo in der Mittelkonsole. Wait…WHAT? Ein Windows-Fiat? Ist das ein Scherz??
hier findet das Schlechteste aus allen Welten zusammen. Wer kauft sowas? Bei dieser Kombination passt es auch ins Bild, dass das Radio nur Sender mit italienischen Schlagern, Kirchenmusik und Gebeten rein bekommt, unseren mitgebrachten FM-Sender aber ignoriert. Mit dem wollten wir eigentlich das iPhone als Navigationsgerät benutzen. Richtig ärgerlich ist, das unser Auto Knöpfe und Schalter an Stellen hat, wo laut der italienischen Betriebsanleitung keine sein sollten. Dafür fehlt die gebuchte Klimaanlage, wie wir erst während der Fahrt bemerken.
Ausserdem sind die Rücksitze nicht vorhanden, der Kofferraum ein Witz (zwei Stücke Handgepäck bekommt man nur mit Mühe rein), der Rückwärtsgang geht nur bei gutem Wetter rein und alles an dem Wagen ist aus lökerigem Plastik. Im Innenraum sogar in wabbeliger Klavierlackoptik, was der letzte Beweis für den kompletten Irrsinn der Entwickler ist: Man sieht JEDEN Fingerabdruck darauf, und das Kram irritiert den Fahrer, weil sich die vorbeiziehende Landschaft darin spiegelt. Fiat 500 fahren ist ungefähr so, als ob man in einer klappernden Discokugel durch die Gegend rollt.
Bereits nach fünf Minuten hassen wir den Wagen, in dem wir die nächsten 7 Tage verbringen sollen.
Aber jetzt erst einmal los, in Mailand wartet das Frühstück!
Erkenntnis des Tages |
---|
Was man über italienische Gepflogenheiten wissen sollte, aber in keinem Reiseführer steht. Heute: Schilderwald Schilder werden in Italien oft und häufig in die Landschaft gestellt, gerne auch 19 Mal das Gleiche hintereinander. Gegen den italienischen Schilderwald ist der in Deutschland ein Witz. Vermutlich betreibt die Mafia oder Berlusconi selbst die Schilderfabriken, anders ist die enorme Anzahl überflüssiger und sinnloser Schilder nicht zu erklären. |
3 Gedanken zu „AC2-Tourtagebuch (1): Schotten, BHs und ein Alptraum“
Hey super Tagebuch! Verlink ich gleich mal auf lolinternet.de 😀
Freu mich auf Teil 2!
Au fein, ein Reisebericht mir Biß. sry. 😀