Wissenschaftliches Abreiten

Wissenschaftliches Abreiten

“Haha, der zu Guttenberg hat in seiner Doktorarbeit abgeschrieben”, hämt es durch die Medien, und fast erwartet man, dass hinten dran ein “Ätschbätsch” gehängt wird. Aber mal ehrlich: Erstaunt es wirklich noch jemanden, das in den Doktorarbeiten von Politikern, hochrangigen Unternehmern und Promigesocks fremde Passagen auftauchen?

Heutzutage läuft das doch so: gibt es einen inoffiziellen Ausbildungsberuf zum Politiker.
Dafür, das man Seele, Gewissen und Persönlichkeit abgibt und ein reines Parteigeschöpf wird, bekommt man im Gegenzug alles, was man für eine Karriere in der Politik benötigt. Dazu gehört auch ein Doktortitel, das ist halt immer noch so eine Station die man auf dem Weg nach oben abreiten muss, und sei es im Schweinsgalopp.

Seit dem Fall Christina Köhler wissen wir doch wie es läuft: Die hat für Doktorarbeit mit dem Nulltitel “Gerechtigkeit als Gleichheit” eine Umfrage machen und auswerten müssen. So, in der Theorie zumindest. Praktisch wurde der Fragebogen in der Bundeszentrale der CDU erstellt und von dort verschickt. Als “Hilfskraft” bei der Doktorarbeit wurde zudem der wissenschaftliche MItarbeiter des Doktorvaters eingekauft. So stelle ich mir eine rundum Full-Service-Dienstleistung vor.

Die ältere Politikergeneration kannte diesen Luxus noch nicht, die mussten sich von irgendwelchen AgrarFachhochschulen in Lampukistan die Ehrendoktorwürde verleihen lassen, um sich fürderhin mit “Dr. Sehover” ansprechen zu lassen.

Seien wir mal ehrlich: wirklich erstaunlich wäre es doch nur gewesen, wenn sich herausgestellt hätte, dass jeder teil der Arbeit aus zu Guttenbergs Kopf und Feder geflossen wäre. So neben seinen Tätigkeiten für Partei, Parlament und Klatschpresse. Denn, so bitter es klingt: Ich traue bestimmten Politikern auf Landes- und Bundesebene schlicht keine vernünftige Arbeit zu, auch nicht im wissenschaftlichen Bereich.

12 Gedanken zu „Wissenschaftliches Abreiten

  1. Ich seh’s ja auch ein bißchen so: Würde er nicht ständig diese arrogant-hochherrschaftliche Gutsherren-Attitüde ausstrahlen, dieses “Ich bin der Freiherr von und zu, ich darf durchgreifen wo und wie ich will und überhaupt, was fällt Ihnen ein, mich mit solchen Details zu belästigen, sie unwichtiges bürgerliches Staubkörnchen?”, dann wäre jetzt nicht mindestens halb Deutschland mit Hochgenuss darauf aus, ihm am Zeug zu flicken. Mag sein, das das nur meine persönliche, proletarisch-neidvolle Wahrnehmung ist. Mag aber auch sein, das Millionen andere das auch so oder ähnlich wahrnehmen.
    Was das wissenschaftliche Arbeiten angeht, meine Güte, man sollte echt annehmen, ein einigermaßen intelligenter Mensch (und für einen solchen halte ich den Gutti durchaus, auch wenn ich ihn nicht leiden kann) sollte sich darüber im klaren sein, das er, gerade wenn er höhere Positionen im Lande anstrebt, sowas besser ordentlich machen sollte, weil in selbigen Positionen mit Sicherheit irgendwann jemand ankommen und alles, was man bisher verzapft hat, genauestens unter die Lupe nehmen wird.

  2. @Zimapfel
    Missverständnis. Hierzulande finden heuer reichlich Wahlen statt. Da braucht es Munition um den Leumund von Menschen zu schädigen, die scheinbar erhaben sind. Wäre doch gelacht. So in der Art. Meine Vermutung, sonst nichts.

  3. @Ruediger: Ah, ok. Was das angeht, bin ich allerdings etwas verwundert, das die eigenen Parteikollegen sich (noch) so vehement hinter den Gutti stellen. “Jeder macht mal Fehler, kann mal passieren, blablablubb.” Gerade im Hinblick auf die anstehenden Wahlen wäre es nur logisch, wenn sie ihn und diese unangenehme Geschichte schnellstens loswerden wollten. Na, mal die nächsten Tage abwarten…

  4. Hach ja… mich schockiert ja Gutti selbst fast weniger als die Kommentatoren bei Bild und den Pro-Gutti-Facebook-Seiten (exemplarisch: http://www.facebook.com/ProGuttenberg – mit fast 180.000 Anhängern derzeit!!!). Da scheinen sich Paralleluniversen (den Paralleluniversitäten-Gag verkneife ich mir… ach, Mist…) aufzutun. Oder ich lebe in einem. Wenn es nicht so traurig wäre, würde ich laut lachend vor dem Rechner sitzen. Interessante, kritische Kategorisierung dazu: das „Die-paar-Fehler“-Argument, das „Alles-Vorverurteilung“-Argument, das „Gibt-es-denn-nichts-Wichtigeres?“-Argument und das „Wir-brauchen-den-Mann“-Argument in der FAZ (http://www.faz.net/-01oxkr).

    Und noch viel traurig ist doch, dass dem Großteil der Bevölkerung der Wissenschaftsbetrieb ohnehin suspekt ist und die Vorfälle nur eine weitere Bestätigung dafür sind – der große Rummel wird derzeit eher von einer “Bildungselite” veranstaltet, die sich selbst durch ein Hochschulstudium gequält hat und deswegen quasi persönlich angegriffen ist. Der Rest Deutschlands versteht nicht, was das alles soll und wieso sie ihnen nun “ihren Gutti” wegnehmen wollen (siehe wiederum oben/Facebook, etc.). Außerdem entsteht statt dem Image des “makellosen Überfliegers” jetzt ein menschliches, das eines geschlagenen Mannes, der sich mit den Untertan gemein macht, was nach den ersten Aufregungen die Sympathiewerte steigen lassen wird. Ob er nun noch ein paar Milliönchen auf dem Konto hat oder nicht, spielt dann keine Rolle. In einem Kommentar (http://verfassungsblog.de/wenn-guttenberg-zurcktritt/) stand schon, dass er sich jetzt das System Palin zunutze machen kann: Mit jeder weiteren kritischen Stimme wird sein Rückhalt bei vielen nur noch mehr zunehmen. Ich fürchte sehr, dass das wahr ist.

    Auch der Schritt, den er jetzt gemacht hat zeigt, dass er genau damit spielt. Die Guttenberg-Lemminge können jetzt ihr gönnerhaftes “Er hat euch doch Zugeständnisse gemacht und seinen Titel sogar FREIWILLIG zurück gegeben.” auspacken. Dass die Bayreuther Promotionsordnung das gar nicht zulässt, das erkläre denen mal. Die Geblendeten haben sich leider den Blender ihrer Wahl gesucht.

  5. @ruediger Leider ist in der “Schmutzkampagnen”-Argumentation ein Denkfehler: Die Doktorarbeit – das, worauf sich die Diskussionen und vor allem die Kritiker nun stützen – hat kein politischer Gegner verfasst. Sondern alleine Guttenberg selbst (oder sein Ghostwriter, man wird sehen). Auch die Ehrenerklrärung, die Dissertation selbst, ohne fremde Hilfe verfasst und dabei alle Quellen ordnungsgemäß angegeben zu haben, hat er selbst geschrieben und vor allem unterschrieben.

    Beides ist nichts, was ihm Neider oder Gegner untergeschoben haben, um ihn jetzt darüber stolpern zu lassen.

  6. Alles richtig was hier geschrieben wurde. Guttenberg wird sich jetzt noch eine Runde mehr entschuldigen und verkünden, dass er seinen Doktortitel an die uni zurück gibt (was er nicht kann und die Bayreuther düpieren wird) und dann zum Tagesgeschäft übergehen und die Welt retten. Bah.

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