Was soll schon passieren? (1)
In letzter Zeit höre ich immer öfter Aussagen wie “Ach, dann hat Google halt meine Daten. Was sollen die schon damit machen?”
Sich dauernd Gedanken darüber machen zu müssen, ob man jetzt dieses oder jenes Feature bei Google, Facebook und Co nutzen darf, oder ob das jetzt gefährlich ist und man zu viel von sich Preis gibt – das ist ein ständiger Kampf, und anscheinend sind einige jetzt schon mürbe geworden und leiden entweder unter Social Fatigue oder geben irgendwann auf, sprich: Sie machen halt dann doch bei Facebook mit, weil halt jeder da ist. Oder sie geben Google die Erlaubnis, alle Suchanfragen in der History zu speichern. Oderoderoder. Das ist keine Post-Privacy Spackeria (die sich ja bewusst und offensiv für absoluten Exhibitionismus entscheidet), sondern ein erschöpftes Einknicken vor den Verhältnissen, die die Webfirmen vorgeben.
“Was soll schon passieren?”, fragte mich gerade am letzten Wochenende wieder wer. Mir stieg dabei ein wenig der Dampf aus den Ohren.
Nun, vielleicht braucht man einfach in regelmäßigen Abständen mal eine Erinnerung, was man in unserer schönen, digitalen Welt alles so mit Daten anstellen kann. Und nicht nur das – denn, frei nach MSPro, was morgen Daten sein werden können wir heute noch nicht wissen. Das wiederholt Frau Wortkomplex sehr häufig, und wenn sie sowas macht sollte man ihr zuhören, das ist dann nämlich wichtig.
Auf der anderen Seite erfährt das Netz selbst große Ignoranz. Politiker machen Gesetze mit Wirkung auf und für das Internet, Journalisten Berichten darüber, und das alles OHNE JEDE SACHKENNTNIS. Unsere politische Führungsriege und die ehemalige vierte Gewalt im Staat verstehen die Welt, in der wir leben, nicht mehr. Es interessiert sie aber auch nicht wirklich sie zu begreifen. Erstaunlich, nicht wahr?
Zurück zum Thema: Praktische Anwendungsszenarien für Netzauswüchse, die demonstrieren was passiert, wenn einem Internet, Lebenswirklichkeiten und die Menschen egal sind. Das wird eine neue Serie hier im Blog.
Teil 1: Was soll schon passieren, wenn meine Daten bei Facebook weltoffen sind?
Dazu bin ich auf einen interessanten Spiegel-Artikel gestossen, der sich eigentlich mit Blitzern beschäftigt. Man kann den Inhalt aus Netzsicht aber auch anders zusammenfassen:ORDNUNGSAMT DURCHWÜHLT FACEBOOK
Der erschreckende Hintergrund: Wenn gegen einen Bußgeldbescheid wegen Geschwindigkeitsüberschreitung Widerspruch vom Fahrzeughalter eingelegt wird, weil er nicht weiß, wer zu dem Zeitpunkt den Wagen gefahren hat, dann nimmt das Ordnungsamt das Blitzerfoto und durchwühlt auf Facebook die Freundeslisten des Halters, in der Hoffnung, den Fahrzeugführer ermitteln zu können. Das erzählt Roland Staude, der Chef des Bielefelder Ordnungsamt, so nebenbei in diesem SPIEGEL-Artikel, ohne eine Spur von Unrechtsbewusstsein. Und die Journalistendarsteller vom Spiegel begreifen nicht mal, was der Mann da gerade von sich gegeben hat.
6 Gedanken zu „Was soll schon passieren? (1)“
Sich stets zu disziplinieren erfordert mehr Mühe als einfach nachzugeben, dazu noch der Gruppendruck. Du hast Recht, dass der Punkt an dem man sich aus welchen Gründen auch immer einfach ergibt anstatt weiter zu filtern und stillschweigend zu akzeptieren, unbewusst näher kommt. Eine spannende Idee für die Serie. #kudos
wahrscheinlich mache ich mich schon total verdächtig weil ich bis heute weder beim Fratzenbuch, noch dem Guuuuugelhupf oder irgendwelchen anderen Social media Gedöns angemeldet bin…
Vielen Dank schon mal für diese Serie, ich bin wirklich gespannt was du alles zusammentragen kannst. Daumen hoch für dein Engagement!
Hu, Holla, Danke für das Lob – mal bitte nicht die Erwartungen in große Höhen schrauben… 😀
Alles außer eine großartigen Lösung für das Problem ist inakzeptabel. 🙂
Eine Reihe, auf die man sich wirklich freuen darf. Immer wieder zitierte Fälle: – Krankenakten / Kreditdaten.
Erwähnen sollte man, wo man die Original-Thesen von Michael Seemann alias mspro nachlesen kann und tunlichst sollte: http://www.ctrl-verlust.net
Er schreibt deutlich konziser als er redet (etwa im derzeit pausierenden Podcast wir. müssen reden) und ist in der deutschen Szene der einzige (!) dem ich so etwas wie eine philosophische Höhe in Netzdiskursen zubilligen würde. Andere haben auch häufig recht (Lobo, Haeusler, …) aber Seemann geht eben mit einem gerütteten Maß akademischer Grundbildung an die Themen heran.