Die Ära Berlusconi endet… nicht.

Die Ära Berlusconi endet… nicht.

“Die Ära Berlusconi ist zu Ende” schlagzeilt es allerorten durch den Blätterwald. Hört sich gut an, dürfte aber leider komplett an der Realität vorbeigehen. Von unserem Qualitätsjournalismus erwarte ich mittlerweile ja gar nicht mehr, dass er bei solchen Themen genau hinguckt und Vorgänge analysiert und im Kontext darstellt, daher mache ich das mal selbst:

Tatsache ist nämlich, dass Italien deshalb so am Abrunde steht, weil Berlusconi die fast 20 Jahre seiner Amtszeit(en) genutzt hat, um eine neue politische Kultur im Land zu installieren und die an Schlüsselpositionen mit seinen Getreuen zu besetzen. Man muss sich das ähnlich vorstellen wie seinerzeit am Hof von Versailles. Da gehörte dazu, seinem Vorbild nachzueifern, wenn man sich in dem Kreisen des Sonnenkönigs bewegen wollte. Am Hofe Ludwig des XIV hieß das, gepuderte Perücken zu tragen, albern zu kichern und das Volk öffentlich zu verachten. Am Hofe Berlusconis schickte es sich, dem Vorbild durch groteske Schönheitsoperationen und ungehemmte Selbstbedienung nachzueifern.

Das führte nicht nur dazu, dass Berlusconi ständig von Leuten umgeben war, die irgendwie wie die Splicerzombies aus Bioshock aussahen. Es führte auch dazu, dass bis auf kommunale Ebene hinunter ein politisches System etabliert wurde, in dem Amtsträger hemmungslos Vergünstigungen abgreifen können – was von oben nicht kontrolliert wird, weil dort genauso gemacht wird. Selbstbedienung gehört im Berlusconismus wie selbstverständlich zum Tagesgeschäft.

Zwei Jahrzehnte hat il veleno de Berlusconi, Berlusconis Gift, das Land verseucht und die Strukturen korrumpiert. Davon legen die vielen Bauruinen im Süden des Landes ein beredtes Zeugnis ab. Diesen Krebs aus den Strukturen und den Köpfen herauszubekommen, wird – wenn es überhaupt möglich ist- Jahrzehnte dauern. Die Ära Berlusconi ist also mitnichten vorbei. Der Cavaliere wird nur nicht mehr im Rampenlicht mitmischen. Die von ihm installierten Leute aber bleiben, und alle, die vom System Berlusconi profitiert haben, schulden ihm eh Dank. Die einzig interessante Frage muss sein: Will er es nochmal wissen? Falls ja, kommt er in zwei Jahren wieder. Falls nein, wird er die Geschicke des Landes aus dem Hintergrund steuern, wenn es ihm einen Vorteil verspricht.
Ohne eine solche Einflussnahme wird man ihn tatsächlich für seine Verbrechen zu belangen versuchen.

Ein weiterer, interessanter Aspekt ist übrigens, dass in den großen Städten Italiens in den letzten Wochen ziemlich große Proteste stattfanden, die aber -wen wunderst- in den Medien nicht statt fanden. Klar, wird man jetzt denken – die privaten Sender gehören ja auch Berlusconi und die öffentlich-rechtlichen sind an die politische Agenda und deren Vorgaben gebunden. Das stimmt sicherlich auch. Berlusconi konnte sich nur deswegen so lange halten, weil die Bevölkerung keine Ahnung hatte, was im eigenen Land lief und er nur als Lichtgestalt in Erscheinung trat, der alles anpackte und zum Wohl Italiens arbeitete.

Nur: In den letzten Wochen war ich ein wenig in Deutschland unterwegs und konnte Proteste und Demonstrationen in größeren Städten miterleben. Die fanden aber in den bundesweiten Medien, soweit ich mitbekommen habe, auch keine oder nur geringe Beachtung. Was sagt denn sowas bitte über unser Land?

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