Mega-Abschaltung

Mega-Abschaltung

In Neu Seeland wurde ein großer, dicker Mann verhaftet. Und alle so: Ha-Ha, guck an, der Kim Schmitz. Da hat es ja den richtigen getroffen. Mag sein, immerhin ist Kim Schmitz, der sich auch gerne mal “Kimble” oder “Kim Dotcom” nennt, genauso irre wie er guckt. Er ist ein Großmaul, ein größenwahnsinniger Angeber, er prahlt mit seinem Geld und ist skrupellos, was das Geschäftsgebaren angeht. Was man bei all den Anwürfen gegen die Person aber nicht ausser acht lassen darf ist die Sache, um die es hier geht. Schmitz betrieb Megaupload, das ist ein Dienst im Internet, bei dem zunächst mal jeder Daten, auch in großen Mengen, ablegen darf und festlegen kann, wer die Daten wieder abrufen darf. Klar, das wurde selbstverständlich genutzt, um Filme, Serien, Musik und ähnliches hochzuladen und zu teilen. Das ist illegal, aber im Zweifel eher den Nutzern als dem Dienst anzulasten. Den hat das FBI jetzt erstmal dicht gemacht. Und da beginnen meine Probleme.

Die Megaupload Limited, die den Dienst betrieb, hat ihren Sitz in Hong Kong. Die Rechenzentren stehen rund um die Welt, u.a. in den Niederlanden. Von dort hört man gerade, das die vom FBI gestürmt wurde. Das FBI rühmt sich wiederum damit, gleichzeitig in X Ländern zugeschlagen zu haben. Was folgende Fragen aufwirft: 1. Hat wirklich das FBI die Stürmungen geleitet? Oder haben die Polizeien der Länder Amtshilfe geleistet? Falls ersteres: Auf welcher Grundlage wird ein amerikanischer Geheimdienst in anderen Ländern offiziell tätig?
2. Hier wurde massiv Internetinfrastruktur abgeschaltet. Klar, die bösen Filmehochlader wandern Jetzt alle zu Rapidshare, aber was ist mit den Nutzern, die, evtl. auch noch gegen Geld, ihre Urlaubsbilder eben jener Cloud anvertraut haben, die das FBI nun dicht gemacht hat? und 3. Was bedeutet das für die Zukunft von Cloud Storage? Immer mehr Dokumente legen wir im Netz ab – wer kann uns garantieren, das nicht irgendein Geheimdienst die einbehält?

Es geht mir nicht darum, Unsympath Schmitz oder sein Mega-Dings zu verteidigen. Insbesondere letzteres war zu deutlich auf Film- und Pornsharing ausgelegt, als das man hier von einem Opfer sprechen könnte. Nichtsdestotrotz finde ich es beängstigend, wie einfach hier offensichtlich ein riesiger Speicherplatz abgeschaltet werden konnte.

13 Gedanken zu „Mega-Abschaltung

  1. Das hat man davon, wenn man sich von externen Dienstleistern abhängig macht. Der große Nachteil der Cloud und generell von Webdiensten. Eins ist sicher: Trotz Online-Speicherplatz muss man immer noch von allem(!) seine lokalen Backups ziehen. Wer das nicht macht, ist selber Schuld. Das muss aber auch jedem bewusst sein, daher Danke für deinen Artikel.

  2. Ich stimme Stefan Offerman zu 100% zu. Dass man Daten sichern muss, ist ja eigentlich auch nichts neues. Dass Daten “verschwinden” können, auch nicht.

    Dass es im nicht-EU-Ausland, vornehmlich den USA, eigentlich keinen Datenschutz gibt, das ist vielen nicht bewusst, und viele wollen es eigentlich auch gar nicht wissen. Sensible Daten sollte man am besten gar nicht ins Internet stellen, nicht einmal verschlüsselt, aber das ist natürlich leichter gesagt als getan. Eines der größten Probleme des Intenets ist, dass einmal eingestellte Informationen nicht mehr der eigenen Kontrolle unterliegen, und insbesondere nicht mehr sicher selbst entfernt werden können. Selbstverständlich halte ich das für ein Datenschutzrechtliches Unding, aber es hilft nichts, das Web kann in dieser Hinsicht nicht mehr verändert werden, vielmehr ist es notwendig, die Nutzer in dieser Hinsicht zu unterrichten und ihnen beizubringen, mit ihren persönlichen Informationen selbst sehr sensibel umzugehen. In meinem Informatik-Unterricht versuche ich das regelmäßig, aber ob es Früchte trägt, ist in Zeiten von Facebook, Apple und co. einfach fraglich.

    Selbst dieser Blog ist ja bezüglich des Datenschutzes auch nicht ganz unproblematisch. Unterhalb der Textbox, in die ich gerade schreibe, befinden sich 3 Favicons bzw. widgets, eines von WordPress, insbesondere aber auch eines von Twitter und eines von Facebook.

    Insbesondere ist es so Facebook möglich nachzuvollziehen, wenn ein Facebook-Nutzer Silencers Blog besucht, bzw. was ein bestimmter Facebook-Nutzer hier geschrieben hat.

    Ganz ehrlich, da ist es mir lieber, wenn das FBI solch einen Gauner einkassiert und weltweit ein paar Server abschaltet, auf denen sich u. A. auch Kinderpornographie befindet.

    Ich bin wirklich kein Freund von Zensur, aber ich will ganz offen sein: als Lehrkraft reiche ich auch immer wieder Medien bei der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien ein, damit diese in die Liste der jugendgefährdenden Medien aufgenommen werden und fortan den Verbreitungsbeschränkungen des JuSchG unterliegen, d. h. zensiert werden. (diese Medien dürfen fortan nicht mehr beworben, öffentlich zur Schau gestellt oder im Versandhandel vertrieben werden sondern nur an ausweislich volljährige “unter der Ladentheke” verkauft werden.)

    Die Schuldfrage steht nun natürlich auf einem ganz anderen Blatt. Ein Vorbild ist hier die BRD nicht gerade, wurde doch jüngst ein Konsument von Kinderpornographie nicht verurteilt werden, weil es vor Gericht nicht gelang, dem Angeklagten nachzuweisen, dass er sich bewusst darüber war, dass bei Konsum von Kinderpornographie mittels der Streaming-Technologie die Daten auf seinem PC im Arbeitsspeicher und auch der Festplatte zwischengespeichert werden und er sich somit zeitweise tatsächlich im Besitz der Fimdaten befand (und nur das ist strafbar) – welch ein absurder Wahnsinn!

    Nun den Anbieter des Onlinespeichers dafür verurteilen zu wollen, sehe ich nun aber auch als kritisch an. Ich meine, die Deutsche Post wird ja schließlich auch nicht angeklagt, wenn jemand Fotos verschickt, die gegen das StGB verstoßen, sondern vielmehr dann, wenn sie einfach die Briefe öffnet und mal nachschaut, ob nicht zufällig solche Fotos drin sind. Und das ist auch richtig so. Das Internet stellt keine Ausnahme bzgl. des Brief- und Fernmeldegeheimnisses dar, und as Deutschland betrifft, wird das wohl auch noch so bleiben, selbst wenn die EU das anders wollen sollte – schließlich hat sich das Bundesverfassungsgericht in letzter Zeit zunehmend europafeindlich gezeigt.

    Aber wachsam bleiben muss man natürlich – und das sind wir auch, schließlich diskutieren wir hier in Silencers Blog über Datenschutz etc. regelmäßig anstatt Fotos von unseren besoffenen Freunden der letzten Party einzustellen und uns online für die nächste Disko zu verabreden – damit künfige Arbeitgeber schonmal wissen wen sie nicht einstellen sollen und die Einbrecher bescheid wissen, wo sie günstig zuschlagen können. Ach ja, damit ich meine Pin für meine EC-Karte mit Nummer 24879136897 nicht vergesse: sie lautet 5821! (hoffentlich löscht das FBI die Info nicht, sonst kann ich kein Geld mehr abheben… was ist denn das? mein Konto ist ja auf einmal leer 😉

  3. @Pi: Wenn ich mich nicht irre stand neulich Im Lawblog ein Kommentar, dass auch “Streaming” dem “Anfertigen einer Kopie” entspricht, da man ja immer kleine Datenschnipsel des Streams bei sich auf dem Rechner hat. Klar, diese werden sofort wieder gelöscht, aber im Endeffekt hatte man eine Kopie der Daten auf seinem Rechner. Das ist so, als wenn man einen Text zeilenweise druckt, eine Zeile liest, die Zeile verbrennt, die nächste Zeile druckt, liest, verbrennt, … etc. Mal gucken, wie das weitergeht.

    1. @ Stefan Offermann: Mir ist das schon klar, das Unglaubliche an der Sache war aber, dass man für eine Verurteilung beweisen hätte müssen, dass auch auch dem Angeklagten die technische Umsetzung klar war => Unwissenheit schütze vor Strafe!

    1. @Steffan Offermann: Genau deshalb halte ich die BRD nicht gerade für ein Vorbild. Die Regelung stammt (wie Viele) noch aus dem analogen Zeitalter und war dafür durchaus pragmatisch. Es wäre schwer nachzuweisen, wer sich alles den Schund angesehen hat, während hingegen das Auffinden einer Videokassette etwa bei einer Hausdurchsuchung oder einer Fahrzeugkontrolle recht eindeutig ist. Ja, heute ist die Schuldfrage wirklich nicht trivial und die “offline-Lösung” von früher auch nicht mehr pragmatisch. Wenn aber zum begehen einer moralisch schwer verwerflichen Tat für die Straffreiheit hinreichend ist, Unwissenheit über technische Details vorzuschützen, ist dies sicher ethisch genauso falsch, wie pauschal einen Serverbetreiber, einen Datenfrachtführer (also auch nicht Besitzer) für von anderen ohne sein Wissen gespeicherte Inhalte verantwortlich zu machen. Anders sieht es aus, wenn jemand extra zu diesem Zweck einen Server in Betrieb nimmt. Dies ist dann wohl “offline” gleichzustellen der Aufforderung zum Begehen einer Straftat, Bildung und Mitgliedschaft einer kriminellen Vereinigung / Mitgliedschaft des organisierten Verbrechens.

      Es ist und bleibt einfach sehr schwer, hier neue pragmatische Regelungen zu finden und gleichzeitig moralsich im höchsten Maße verwerfliches Handeln einzuschränken, ohne dabei Unschuldige zu strafen oder deren Rechte einzuschränken. Fest steht aber, sowohl Pauschalverurteilung als auch generelle Nichtverurteilung sind falsch.

  4. das ist das Problem was ich mit dem Thema habe:
    1. auf welcher Grundlage kann das amerikanische FBI in Neuseeland Deutsche und Niederländer festnehmen (lassen?) die in Hong Kong eine Internetfirma betreiben?
    (diese Frage hatte ich bei TPB in Schweden übrigens auch schon, bisher unbeantwortet)
    2. wer kann mir mal bitte die 500 Millionen Dollar Schaden vorrechnen?

    übrigens sehr schön schokoladig hier 🙂

  5. St3fan: Danke für den Link. Ich fürchte, dass im Moment einige (insb. Appleaffine) Menschen gerne so sehr an die Cloud glauben möchten, dass sie die Gefahren verdrängen. iCloud, Dropbox, die Microsoft-Pendants – nirgend wird da auf mögliche Backuppflichten hingewiesen. Insbesondere die M$-Cloud verspricht pauschal mal ALLES zu können, selbst Dinge die technisch nicht möglich sind. Was dabei rauskommt, konnte man vor Kurzem bei Amazon beobachten. Ein Teil der Wolke war weg, auch die darin hängenden Shops. Backups gab es bei Amazon nicht. Yeah.

    Pi: Interessant ist ja auch der Satz “Wir wissen heute noch nicht, was morgen Daten sein werden”, übersetzt: Wer kann sagen, was aus vermeindlich unzusammenhängenden Dingen morgen über uns zusammengebastelt wird. Danke für den Hinweis, Facebook-Button wurde entfernt (glaube ich zumindest. Sieht ihn noch wer?) Die Indizierung von Medien sehe ich übrigens nicht als Zensur. Immerhin KANN ich sie als Erwachsener noch kaufen – Kinder kommen in der Theorie nicht mehr ran.

    Markus: Nur 500 Mio? Wie günstig!

  6. Wer sich Sorgen wegen der Zählpixel etc macht verwendet “Ghostery” und blockiert diese.
    @Silencer: Du hast auf der Seite folgende Zählpixel: ClustrMaps, Quantcast, Statcounter, Twitter Button, whos.among.us, WordPress Stats

    Mir fällt spontan grad keine Internetseite ein, auf der nicht in irgendeiner Form Daten gesammelt werden.

    Zum Thema: Mich verwundert diese Aktion auch ein wenig. Weniger, dass mal etwas unternommen wird, sondern der Umfang und die Art in der es geschehen ist.

    1. .C.: Danke für den Hinweis, Ghostery kannte ich noch nicht. Die eingebetteten Skripte die Du aufzählst sind auch bewusst gewählt, no surprise here. Den FB-Button würde ich aber nicht als Zählpixel klassifizieren, ich fürcht, der kann wesentlich mehr als nur zählen.

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