Familienkutsche vs. Superbike

Familienkutsche vs. Superbike

Ich drehe den Kopf ein wenig nach links, und die Szene brennt sich auf ewig in mein Gedächtnis ein: Wie sich der Passat Kombi langsam, Zentimeter für Zentimeter, an mir vorbeischiebt. Vorne, auf dem Beifahrersitz eine blonde Frau, die erst mit angstgeweiteten Augen zu mir hersieht und dann schnell den Kopf zum Fahrer dreht, der in angespannter Haltung und mit zusammengebissenen Zähnen offensichtlich gerade das Gaspedal seiner Schwachmatenkarre durchs Bodenblech drückt. Mein Blick huscht auf den Tacho. Der zeigt 120 km/h, schon fast zu viel für die langgestreckte Kurve, die die Bundesstrasse hier beschreibt. Sie ist zwar gut einsehbar, aber schneller zu Ende als man glaubt. Und von vorne kommt was. Ich blicke wieder zur Seite. Der Passat hat den Überholvorgang nicht mal zur Hälfte abgeschlossen. Mutti redet und gestikuliert heftig auf Vati ein, während mich vom Rücksitz zwei erschrockene Kinderaugenpaare ansehen. Offensichtlich muss Vati irgendwas beweisen. Ich könnte jetzt kurz Gas geben und ihn in Sekunden ganz dumm darstehen lassen. Mache ich aber nicht. Ich trete auf die Bremse und mache dem Spuk damit ein Ende.

Diese Szene hat sich im letzten Herbst abgespielt, und seitdem einige Male wiederholt: Kombifahrer legen sich mit Motorrädern an. Ein paar mal ist es mir selbst passiert, einige Male konnte ich es beobachten. Am skurrilsten: Ein vollbesetzter Passat TDi (170 PS) in einem unglaublich riskanten Kamikazemanöver gegen eine Suzuki Hyabusa (200 PS, 200 Kg schwer, irgendwas bei 300 km/h Spitze). Hätte der Kradfahrer gewollt, er wäre in Sekunden am Horizont verschwunden.
Mal ehrlich: Was stimmt eigentlich in den Köpfen dieser Kerle (es waren bisher nur Männer) nicht, dass sie sich mit ihrer vollbesetzten Familienkutsche mit Superbikes anlegen, die ein vielfaches schneller und wendiger sind, wenn ihre Fahrer es wollten? Was geht hakt bei denen aus, dass sie sich und ihre Familien in Gefahr bringen, nur um ein verdammtes Motorrad zu überholen? Sind die Neurosen und Minderwertigkeitskomplexe mittlerweile so groß, dass Männer in rollenden Kasperbuden dergestalt beweisen müssen? Seit wann ist das denn bitteschön so? Mitte der 90, als ich meine erste Motorradkarriere hatte, war sowas sinnloses absolut undenkbar.

Den Gipfel der Dummheit, und damit einhergehend die Entscheidung darüber zu schreiben, konnte ich heute beobachten. Nachdem ich erst auf der Hinfahrt zu einem Treffen mit Freunden in einer tempobeschränkten Zone von einem klapperigen Opel Kombi überholt wurde, in dessen Fond ein Hund und zwei Kinder herumsprangen und kletterten, durfte ich auf der Rückfahrt Zeuge einer Szene werden, die ich einfach nicht begreifen kann: Da hat ALLEN ERNSTES ein VW Sharan, die buckeligste unter den unsympathischen Familienschaukeln, auf einem mehrspurigen Autobahnzubringer ein Rennen mit einem Krankenwagen im Notfalleinsatz gefahren und den links überholt, obwohl das Rettungsfahrzeug genau auf diese Spur rüber musste. Un-fass-bar.
Wie heisst es so schön? Zwei Dinge sind unendlich: Das Universum und die Dummheit der Menschen.

UPDATE: Es wird schlimmer. Die folgende Meldung habe ich gerade in der Tageszeitung gefunden. Offensichtlich wollen die Passatfahrr den offenen Krieg.

3 Gedanken zu „Familienkutsche vs. Superbike

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

 


Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..