Smithsonian
Es begann im Jahr 1979. Deutschland hatte gerade den schweren Winter überstanden, in Harrisburg war gerade ein Reaktorunfall geschehen, da stieg ein Ehepaar zusammen mit ihrem 3 Monate alten Baby in eine Pan Am Maschine und flog zur Verwandtschaft nach Washington D.C.. Es folgten viele vergnügliche Tage, die Stadt wurde erkundet, Museen wurden besichtigt, unter anderem auch das Smithsonian für National Air and Space. Dabei entstand ein Bild, welches für mich wohl zu den frühesten Kindheitserinnerungen gehört und mich seitdem immer wieder fasziniert hat. Es zeigt den kleinen Kenny, schlafend im Babybag vor der Landefähre Apollo 11 in eben diesem Museum. Diesmal, so hatte ich es mir bereits in der Anfangsplanung vorgenommen, sollte mir das nicht passieren, und so schob ich die ganze Reisegruppe bestimmt in Richtung Museum.
Die Smithsonian Institution ist der größte Museumskomplex der Welt. Gegründet wurde es im Jahr 1846 und zwar aus der Hinterlassenschaft von James Smithson. Er hatte verfügt, dass, wenn seine Erben keine Kinder haben sollten, das Geld an die USA zur “Einrichtung zu begründen zur Mehrung und Verbreitung des Wissens unter den Menschen“ gehen sollte. Kurios dabei ist, dass der Herr Smithson, welcher in Frankreich geboren wurde, nie in den USA war, bzw. engere Kontakte dahin pflegte. Das Motiv seiner Erbschaft ist daher bis heute unklar. Er hinterließ, nach Abzug der Gerichtskosten für allerlei mögliche Erbklagen, $ 515.000. Diese Summe hat dann gereicht um so etwas Großes aufzubauen.
Am Eingang gab es, wie so häufig beim Betreten von öffentlichen Gebäuden, die obligatorische Sicherheitsüberprüfung mit Metalldetektor und Taschendurchsuchung. Dafür war der Eintritt wenigstens kostenlos. Im Museum selbst ist auf mehreren Ebenen alles ausgestellt, was jemals Luftfahrtgeschichte geschrieben hat.
Direkt am Eingang hängt die originale Spirit of St. Louis, jenes berühmte Flugzeug, welches Charles Lindbergh am 20. Mai 1927 von New York nach Paris geflogen hatte. Damit war er der erste Mensch, der den Flug über den großen Teich überlebte. Viele andere vor ihm hatten nicht so viel Glück. Der Name Spirit of St. Louis ist übrigens ein Dankeschön an seine Sponsoren die eben aus St. Louis kamen. Ein wenig verrückt war diese Konstruktion schon, der Haupttank zum Beispiel war vor der Pilotenkanzel eingebaut, er selbst schaute nur durch ein kleines Periskop nach draußen, und auf Instrumente sowie Funkgerät verzichtete er auch. Man muss sich das einmal vorstellen, da sitzt der Pilot umgeben von 1700 Litern Sprit, unter ihm nur der Ozean, in der Gewissheit, dass der kleinste Fehler in den Berechnungen oder in der Konstruktion sein sicheres Ende bedeutet. Ich glaube, Pioniere müssen nicht nur mutig sein sondern auch ganz schön einen an der Murmel haben. Gewonnen hat er bei dem Flug ein Preisgeld in Höhe von $ 25.000 und durch seine Berühmtheit ein klein wenig Unsterblichkeit.
Ein wenig weiter rechts hängt das SpaceShipOne, ein Raumschiff, dessen Leistungen meiner Meinung nach viel zu wenig gewürdigt werden. Es ist das erste rein aus privaten Mitteln finanzierte Schiff, welches am 21.06.2004 die magische Grenze von 100 KM Höhe überschritt und sich damit offiziell im Weltraum befand. Der Flug sah dabei so aus, dass das SpaceShipOne vom Trägerflugzeug White Knight in 14 KM Höhe gebracht wurde und von da aus mit eigener Antriebskraft in den Weltraum flog. Hier gibt es einen Zusammenschnitt des Fluges auf Youtube. Finanziert wurde das Projekt von Paul Allen, dem Mitbegründer von Microsoft und bekennenden Weltraumenthusiasten.
Das Wiesel, welches inzwischen auf eigene Erkundungstour gegangen war, fanden wir bei Otto Lilienthal und seinem Werk “Der Vogelflug als Grundlage der Fliegerkunst (1889)” wieder. Die Amerikaner stellen es gern so hin, als wären die Gebrüder Wright die ersten Menschen in einem Flugzeug gewesen. Dem ist natürlich nicht so, Otto Lilienthal flog als erster in einem selbstgebauten Gleiter, die Gebrüder Wright übernahmen “nur” sein Konzept und bastelten einen Motor dran. Somit waren sie die ersten mit einem Motorflugzeug. Lilienthal gilt als der Pionier, der als erstes die Wirkung verschiedener Flügelprofile systematisch vermessen und dokumentiert hatte. Sein Fluggerät verbesserte er ständig und schaffte es letztendlich sogar, einen Gleiter zur Serienreife zu bringen. Lilienthal starb am 10. August 1896 im Alter von 48 Jahren bei einem Flugunfall.
Die Gebrüder Wright experimentierten viel mit Lilienthals Gleitern und setzten sich das Ziel einen Motorgleiter zu bauen. Dafür mussten sie einen Motor entwickeln, der nicht nur genügend Leitung erbrachte, sondern auch für damalige Verhältnisse sehr leicht war. Das taten sie zusammen mit Charles Taylor, und heraus kam ein Motor mit 12PS bei “nur” 81 KG Gewicht. Den bastelten sie auf einen Gleiter und schwupps… Motorflug!
Das Smithsonian legt viel Wert auf eine gute Atmosphäre. So wurde eine Ecke sogar zum Flugzeugträger umfunktioniert. Der Bereich versetzt einen in eine andere Welt. Flugzeuge über Flugzeuge, Wissenswertes zu diesen Kolossen auf See, zusammengepackt in eine beeindruckende Ausstellung. Das aber nur am Rande, wir mussten ja noch die Apollo 11 Landefähre finden.
Weiter ging es in die Weltraumabteilung. Hier ist wieder einmal alles zu finden was Rang und Namen in der Geschichte der Raumfahrt hat. Von den Anfängen, vertreten durch die V1 und V2, ging es über einen Nachbau vom Hubble Weltraumteleskop, zum originalen und begehbaren Skylab B und der originalen Landekapsel von Apollo 11. Kleine Anekdote am Rande: Als Skylab A, der Vorgänger des begehbaren Exponates, im Jahr 1979 abstürzte, verrechnetet sich die Nasa ein wenig und Teile der Station fielen auf Australien, woraufhin die Behörden einer Australischen Gemeinde den USA einen Bußgeldbescheid wegen unerlaubter Abfallbeseitigung über 400 $ schickten. Dreist dabei ist, dass die USA bis heute nicht offiziell bezahlt haben.
Ich mag ja kleine Schmunzler am Rande, deswegen musste unbedingt Eugene Kranz´s Weste beim Vorbeigehen festgehalten werden. Der Mann war jahrelang Flugleiter bei der Nasa und damals maßgeblich an der Rückholung der Apollo 13 Crew beteiligt. Apollo 13 war diese “Houston, wir haben ein Problem” Crew. 1970 starteten die Astronauten Jim Lovell, Jack Swigert und Fred Haise zum Mond. Durch eine Fehlfunktion gab es eine Explosion, und es war bis zur Landung nicht klar, ob die Astronauten die Mission überleben würden.
Eugene oder Gene Kranz, wie er genannt wurde, bekam für jede Mission eine neue Weste, die seine Frau für ihn nähte und die er bis zur Landung trug. Diese Weste entwickelte sich zu seinem Markenzeichen. Im 1995 erschienen Film Apollo 13 wird dies am Rande erwähnt. Wo wir gerade bei dem Film sind, wer ihn noch nicht kennt, unbedingt einmal anschauen. Hollywood hat sich unheimliche Mühe gegeben, alles so akkurat und genau wie nur irgend möglich nachzubauen und zu filmen. Sie haben sogar Schauspieler gecastet, die den original Beteiligten ähnlich sehen. Kleiner Fakt am Rande, Tom Hanks spielt in dem Film den Apollo 13 den Kommandanten Jim Lovell, und am Ende des Films hat der richtige Jim Lovell als Kommandant des Flugzeugträgers einen Gastauftritt.
Das Wiesel versuchte derweil Freundschaft mit einem Astronauten zu schließen. Erwähnte ich schon einmal, dass Wiesel ganz schön anstrengend sind? Wir haben einiges an Überredungskünsten und Keksen gebraucht um ihn davon zu überzeugen, doch weiter mit uns zu kommen sich nicht in ein Weltraumabenteuer zu stürzen.
Tja… und dann war es endlich soweit:
An dieser Stelle ist anno ´79 das eingangs erwähnte Foto entstanden. Für mich ein sehr merkwürdiges Gefühl. Dieses Exponat hat mich meine ganze Kindheit begleitet. Häufig habe ich mir mein Fotoalbum angeschaut und mich bei diesem Bild auf den Mond geträumt. Nun an diesem Ort zu sein und festzustellen, dass noch alles viel größer als in meiner Vorstellung ist… Magisch.
Wir haben hier eine ganze Weile verharrt, die Gedanken treiben lassen, an vergangenes und zukünftiges gedacht und ich habe die für mich sehr spezielle Atmosphäre genossen. Schade dass mein Vater nicht mehr dabei sein konnte. An dieser Stelle ist wohl ein Dank an meine Mitreisenden für ihre Geduld mit mir angebracht. Für dieses Foto bin ich euch ganz schön auf die Nerven gegangen. Es war ein unbeschreiblicher Moment für mich.
Auf dem Weg nach draußen, nichts Böses ahnend, und der Meinung nach alles gesehen zu haben, liefen wir dann noch hier vorbei:
Hier am Ausgang, völlig unscheinbar, steht das vielleicht wichtigste und wahrscheinlich auch teuerste Stück der Sammlung. Das schwarze Dreieck ist allen Ernstes ein Stück Mondgestein. Echtes Mondgestein. Von da oben. Vom Mond! Apollo 17 brachte den Stein 1972 auf die Erde. Es ist ein 4 Milliarden Jahre alter, eisenreicher Basaltstein, in einen Sockel eingegossen und man darf diesen Stein anfassen.
Alles in diesem Museum ist von Menschenhand geschaffen und großartig präsentiert. Aber neben Apollo 11 aus sentimentalen Gründen, ist für mich dieses kleine Stück außerirdischen Gesteins das eigentliche Highlight der Ausstellung. Ein Stück Mond berühren zu dürfen, damit hätte ich am Morgen noch nicht gerechnet. Die Oberfläche fühlte sich übrigens leicht rau an.
Kurz darauf standen wir wieder im verregneten Washington, voller Eindrücke und bereit zu neuen Abenteuern.
Zum nächsten Teil: Shenandoah
Zum vorherigen Teil: Neue Freunde
3 Gedanken zu „Smithsonian“
Woah. So viel Geschichte unter einem Dach. Ich wurde schon ganz ehrfürchtig als ich das Foto der Spirit of St. Louis sah. Danke für die kleinen Anekdoten aus der Geschichte! Und das sich dann noch Deine eigene Geschichte mit der Historie mischt… Wow. Und toll erzählt!
Mich hättet ihr vermutlich gar nicht mehr rausbekommen aus dem Smithsonian.
Hihi, mich haben die anderen auch nicht mehr rausbekommen 🙂
Danke für den netten Kommentar, beim nächsten mal kommst Du einfach mit
Wow, die persönliche Anekdote finde ich besonders rührend. (Und Sie sind ehrlich nicht wieder eingeschlafen 😉 ?) Toll, wenn man so etwas wirklich erleben kann.
Das muss ein eindrucksvolles Museum sein. Man darf den Mond tätscheln? Wie großartig.