Lerchenberg

Zugegeben, ich hatte erst „Leichenberg“ gelesen, ein Begriff, der beim ZDF mit seinen ganzen Krimi und „XY ungelöst“-Sendungen zur Beunruhigung der älteren Bevölkerung gar nicht so fehl am Platz wäre. Aber die neue Sendung heißt tatsächlich Lerchenberg, wie der Berg in Mainz, auf dem das Sendezentrum des ZDFs steht.

In diesem Sendezentrum sitzt -zumindest in der Serie Lerchberg- eine junge Produzentin, und die hat den Auftrag, Sascha Hehn in irgendeinem Format unterzubringen. Eingangs hält sie das für einen Witz und lacht sich kaputt, während sie alte Bänder aus „Schwarzwaldklinik“-Zeiten sichtet, in denen Hehn immer wieder in sein Golf-I-Cabrio springt (wir Älteren erinnern uns). Recht bald macht ihre Chefin ihr klar, dass sie Sascha Hehn für den größten Star im deutschen Fernsehen hält, und er unbedingt wieder angemessen im Programm des Zweiten Deutschen Fernsehens berücksichtigt werden muss. Das Problem: Der echte Sascha Hehn ist arroganter Misantroph vom widerlichsten Schlag. Er parkt Behindertenparkplätze zu, brüllt Kollegen an und vögelt Produktionsassistentinnen, wenn es seinen eigenen, kleinen Intrigen nutzt, und hält sich selbst für einen großen Künstler. Dieser Sascha Hehn ist ein Ekel.

Trailer:

Was das ZDF hier abliefert ist schlichtweg unfassbar. Die vierteilige Miniserie bietet ein Maß an Selbstironie, dass man den Mainzelmännchen nie im Leben zugetraut hätte. Besonderer Respekt gebührt Sascha Hehn. Das der Traumschiff-Sonnyboy und Chefarzt-Sohn sich wirklich traut eine übellaunige, unsympathische und zum Fremdschämen peinliche Version seiner Selbst zu spielen und dabei mit seinem Image bei der ZDF-Stammzuschauerschaft zu spielen, dass muss man einfach anerkennen. Dazu kommt, dass alle Folgen ein erzählerisch hohes Tempo an den Tag legen und durchgehend nicht nur witzig, sondern schreiend komisch sind. Wenn Hehn als neuer Matula gehandelt wird und schon mal probeweise den Vorspann neu dreht, es dann aber vergeigt – da bleibt einem echt der Mund offen stehen.

Die Serie „Lerchenberg“ besteht momentan nur aus vier 20minütigen Episoden, die man gut mal an einem Abend weggucken kann. Bislang wurden sie nur auf ZDF-Neo mitten in der Nacht versteckt, ab diesen Freitag laufen jeweils zwei Episoden nach der Heute-Show im ZDF-Hauptprogramm. Alternativ kann man die Folgen gerade auf Youtube und in der ZDF-Mediathek sehen, dort werden sie allerdings in Kürze wieder gelöscht depubliziert. Ich würde mir wünschen, dass die Verantwortlichen nicht der Mut verlässt, und es eine Fortsetzung geben wird.

„Lerchenberg“
Freitags, 23.00 Uhr oder aktuell in der ZDF-Mediathek

Ganze Folge: „Fall für Zwei“

Kategorien: TV-Serie | 4 Kommentare

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4 Gedanken zu „Lerchenberg

  1. Das klingt grandios und der kurze Trailer wirkt auch so. Selbstironie empfinde ich meistens als eine äusserst sympathische Eigenschaft und sie ist das, was den öffentlich rechtlichen normalerweise ja leider völlig abgeht.

    Ich hoffe, ich komme in den nächsten Tagen dazu, in die Episoden reinzugucken. Der Trailer und dein Bericht machen Lust darauf. Danke für den Hinweis!

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  2. zimtapfel

    Gleich einprogrammiert. Hihi, Sascha Hehn. Ich gestehe, das ich den in meiner Jugend mal toll fand. Aber sagen Sie’s nicht weiter.

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  3. Hab mir tatsächlich mal eben alle Folgen angesehen (mache ich selten sowas). Allerdings stellte sich bei mir trotz anfänglicher Begeisterung dann doch immer öfter Schamgefühl ein: Das Grundkonstrukt ist toll, und Sascha Hehn ist ist mir tatsächlich um einiges sympathischer geworden (und man fragt sich unwillkürlich, ob er tatsächlich auf der Straße lebet – seine Filmografie der letzten 15 Jahre ist nun wahrlich nicht der Hammer) aber drumherum ist vieles so schrecklich inszeniert. Da gibt es peinliche, Soap-artige Sex-Szenen im ZDF, eine gar zu offensichtlich böse (und faule Chefin), überhaupt einen gräßlichen, unerträglichen Vorspann sowie klebrige Musik – schade. Auch wenn das ZDF sich hier über sich selbst lustig macht, greift es doch allzuoft in ÖR-Klischees in Punkto Plot und Machtart. Tiefpunkt ist die unerträgliche Karnevalszene am Schluß, die natürlich mit schmertternder Karnevalsmusik unterlegt ist. Das ist dann so gar nicht mehr meins…

    Ganz im Gegensatz zu deinem letzten Tipp, de, Tatortreiniger, der in jeder Hinischt glänzt. Und der stammt ja auch aus den ÖR, hier dem NDR. Es geht also auch innovativ in der Gesamtanmutung, nicht nur in der Idee.

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  4. Oh, cool das ihr meinen Empfehlungen traut! Da ich weiß wie wenig Fernsehen Du, Modnerd, schaust, ist das ein besonderes Kompliment.

    Du hast recht damit, dass hier teils mit Klischees gearbeitet wird. Zum Teil werden die variiert und persifliert, aber manchmal wünscht man es sich doch noch böser. Aus den USA kennt man das ja bitterer: Von Seinfeld über Curb your Enthusiam bis hin zu 30 Rock hat solche Art Show, wo Promis sich selbst als Ekel spielen, eine lange Tradition. Im deutschsprachigen Raum bekam sowas nur Pastweka hin, aber das wirklich in Vollendung. Nur: Wir müssen hier tatsächlich Bonuspunkte verteilen, weil es das ZDF ist. DAS ZDF!!! Unfassbar. Ich kann gar nicht aufhören die zu Loben, in der Hoffnung, dass die dann damit weitermachen mutig zu sein.

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