Spanien 2013 (2): Barcelona
Im Februar 2013 sind Modnerd und Silencer der Kälte des Winters entflohen. Nach Spanien. Modnerd kennt sich da aus, sein Begleiter kein Stück. Die Mission: Studium von Architektur. Von Girona geht es nach Barcelona. Ohne Wiesel.
Barcelona! Beeindruckende Weltstadt, Hauptstadt Kataloniens. 1,6 Millionen Menschen leben in der Stadt, die nach Paris die am dichtesten besiedelte Stadt der EU ist. Im weiteren Stadtgebiet leben mehr als 3 Millionen, in der Metropolregion fast 5 Millionen Menschen. Dennoch hinterlässt Barcelona den Charme einer mittelgroßen, dafür extrem abwechselungsreichen Stadt.
Das Gefühl, nicht in einer Millionenmetropole zu sein, kommt vor allem daher, das die Straßen, Plätze und Grünanlagen überaus großzügig angelegt sind. Alles atmet Raum, nirgends wirkt es überfüllt. Das liegt aber auch daran, dass wir Februar haben, und außer Modnerd und mir kaum Touristen in der Stadt sind. Es ist sonnig, und in der Sonne warm, aber sobald man in den Schatten kommt, merkt man recht deutlich, dass gerade mal 10 Grad sind.
Das Gefühl der Abwechselung kommt durch die vielen Kontraste, die man hier erleben kann. Barcelona schmiegt sich in zwischen Meer und Berge in ein Tal mit mehreren Ausläufern. Hier Wasser, dort Felsen, dazwischen eine verwinkelte Altstadt, das Barrì Gotic, und im Gegensatz dazu der streng symetrische Stadteil L´Eixample mit seinen quadratischen, an den Ecken abgerundeten Ecken Wohnblocks, den Xamfrans.
Die Altstadt von Barcelona besteht aus verwinkelten Gassen mit kleinen Geschäften, großen Markthallen und jeder Menge Streetart. Die Stadt fühlt sich jung an, was sicher auch durch den lockeren Umgang mit Kunst kommt.
In L´Eixample gibt es auch einige Bauwerke des Modernisme zu besichtigen. Der Modernisme ist, einfach gesagt, spanischer Jugendstil. Jugendstil hat viele Namen: Art Nouveau (Frankreich), Modern Style (England), Stile Floreale (Italien), aber nur hier, in Ktalonien, heisst er Modernisme. Der Stil kam um die Jahrhundertwende auf, und sein bedeutenster Vertreter war zweifellos Antoni Gaudì.
Der Mann war genauso Genie wie Visionär. Dabei war der 1852 geborene Katalane in der Schule eine faule Socke. Er hielt sich nicht mit dem Anfertigen von großen Plänen oder Berechnungen auf, sondern bastelte lieber Statikmodelle aus Bindfäden oder malte Fassadendetails morgens auf, damit die Handwerker wussten, was sie den Tag über machen sollten. Als er sein Diplom von Präsidenten der Architekturschule erhielt, soll der gesagt haben: „Qui sap si hem donat el diploma a un boig o a un geni: el temps ens ho dirà.“ („Wer weiß, ob wir den Titel einem Verrückten oder einem Genie gegeben haben – nur die Zeit wird es uns sagen.) Um ehrlich zu sein: Die Zeit sagte es nicht. Ich bin mir immer noch nicht sicher, ob Gaudí ein Genie oder ein Irrer war. Vermtulich beides, zu gleichen Teilen.
Gaudìs bekannestes Bauwerk ist natürlich die Temple Expiatori de la Sagrada Família oder kurz Sagrada Familia, die verrückte Kirche, an der seit 1882 herumgebaut wird, und die vielleicht 2026 fertig sein wird. Die Kirche stammt ursprünglich nicht von Gaudì, aber nach dem Tod des ursprünglichen Architekten übernahm der Katalane und plante ein einzigartiges Kunstwerk, das eine Vermischung von klassischen Bauweisen, Modernisme und Elementen der Moderne werden sollte. Viel davon ist bereits fertig, zum Beispiel die prächtigen Fassaden, die ganze Geschichten erzählen und mit ihrem Detailreichtum das Auge durcheinander bringen.
Auch die hauptsächliche Gestaltung des Innenraums ist fast fertig. Der Bau ist z.T. 75 Meter hoch ist und lässt mich fühlen, als stünde ich in einem riesigen, steinernen Wald. Das mag auch daher kommen, dass die mächtigen Säulen sich, wie Bäume, nach oben hin verästeln. Oder an dem teilweise grünen Licht, das durch die prächtigen Fenster hereinstrahlt und den eigentlich weißen Säulenwald in Farben taucht, mal grün, mal blau, mal rot. Je nach Lichteinfall wird der Wald zur Unterwasserlandschaft oder zur Wüste.
Mit einem Fahrstuhl kann man zu einer, beim Ticketkauf festgelegten, Zeit auf einen der Türme fahren und den Blick über die Stadt genießen. Bis wir den Fahrstuhl benutzen dürfen dauert es noch eine Stunde. Also sehen wir uns das Baumuseum in der Krypta an. Hier ist auch das statische Modell der Kirche: Gaudì hielt ja nichts von Plänen und Berechnungen. Um die Statik seiner Kirche und die Verteilung der Kräfte zu prüfen, baute er seine Kirche aus Schnüren und kleinen Gewichten nach, und liess das ganze von der Decke herabhängen. Dieses kopfstehende Modell zeigte ihm, wenn es schief hing, wo noch korrigiert werden musste. Vom Original unterscheidet sich das Modell nur die die Richtung der Kräfte: Wo es bei den Schnüren zieht, wird beim echten Bauwerk Druck ausgeübt. Gaudì hat diese Methode übrigens nicht erfunden. In der Gothik war es üblich so zu planen.
Nachdem wir genug über die Schnüre gestaunt haben, geht es auf den Turm hinauf. Der Blick ist nett, aber nicht spektakulär – das sind dafür die organischen Details der Sagrada Familia. Wobei ich persönlich die Himbeeren auf den Turmspitzen für übertrieben halte.
Antoni Gaudì hat noch mehr Bauwerke in Barcelona hinterlassen. Unter den reichen Industriellen der Stadt galt es als schick, sich etwas von Gaudì bauen zu lassen. Vor allen Eusebi Guell liess sich alles Mögliche von Gaudì fertigen, von einer Arbeitersiedlung über eine Kirche, Stadthäuser bis hin zu einem ganzen Park. In einem Haus im Park Guell lebte Gaudì in den letzten Jahren seines Lebens. Allein. Er hatte sich früh in eine Frau verliebt, die er unbedingt heiraten wollte. Als daraus nichts wurde, beschloss er, ein Leben als “zölibatärer Laie” zu führen. Das bedeutet: Durchaus wie ein geistlicher Leben, ohne geweiht zu sein. 1926 wurde er von einer Strassenbahn überfahren, als er in Gedanken verloren auf der Strasse herumstolperte.
Der Park Guell ist eine ziemlich schräge Ansammlung unterschiedlicher Landschaftsmerkmale, Bauwerke und organischer Elemente. Sogar Gravitationsanomalien gibt es hier, ich habe persönlich eine gefunden:
Auch hier, im Park, gibt es Kunst-Kunst-Kunst. Selbst jetzt, im Februar, ist alles voller kleinkünstler, Musiker und Bands. Hinter jedem Busch wird musiziert und getanzt, was ein wenig den Eindruck von Ferienlager, Hippietreffpunkt und Kirchentag hinterlässt.
Nach einem Spaziergang über die Ramblas, die breite Strasse mit der Fußgängerzone zwischen den Fahrspuren, die voller Souvenirverkäufer und Tierhändler ist, kommt man zum nördlichen Teil der Altstadt. Dort finden sich zwei der berühmtesten Häuser, die von Gaudì gestaltet wurden.
Modnerd habe ich irgendwo verloren, deshalb gucke ich mir allein das Casa Milà an. Allerdings nur von Außen, der Eintritt ist teuer, nach Personenzahl beschränkt und gerade belegt von einem Bus Rentner.
Mein eigentliches Ziel ist aber ohnehin das Casa Battlò. Dieses Stadthaus wurde von Gaudì für den Industriellen Josep Batlló i Casanovas komplett umgestaltet. Die Fassade gibt angeblich die Legende des Heiligen St. Georg wieder – um den Dachfirst windet sich der Schuppenleib des Lindwurms, die Balkone sollen Totenköpfe sein, und das drehsymetrische, lateinische Kreuz auf dem Dach sollt die Lanze des Ritters darstellen.
Das Casa Battlò wurde bis in die Details von Gaudì gestaltet. Er entwarf alles, von der Fassade über die Fenster, die Lichtplanung, dem Kaminen bis hin zu den Möbeln. Sogar eine eigene Schriftart hat das Haus. Es kann zum Glück besichtigt werden, und wird durch die Eintrittspreise erhalten. Da zahlt man gerne fast 30 Euro Eintritt, zumal es sich wirklich lohnt. Als ich in die Welt des Casa Battlò eintauche, bin ich wie verzaubert und wandere mehr als eine Stunde von Zimmer zu Zimmer.
Es gibt keine Kante und keine Ecke in dem Haus, alles fliesst und schmeichelt Augen und Händen mit weichen, runden Formen. Sogar die Tür- und Fenstergriffe sind perfekt ergonomisch designt, aus Abdrücken menschlicher Hände. Durch optische Tricks wirken manche Räume heller, andere gleichmäßiger. Innovativ ist auch die Versorgung des Hauses: Der Wassertank auf dem Dach des Hauses und Wände mit Innenbelüftung sind nur ein paar Beispiele für den Erfindungsreichtum Gaudìs.
Nicht von Gaudì ist dieses Objekt hier: Ein Antennenmasten auf dem Gelände der olympischen Spiele, designt von Santiago Calatrava. Das ist Modnerds Lieblingsarchitekt und wird uns auf dieser Reise noch so einige Male begegnen.
Das Barcelona Austragungsort der olympischen Spiele und anderer, bedeutender Sportereignisse war, merkt man der Stadt an. Nicht nur, dass der Montjuïc, einer der beiden großen Hausberge von Barcelona, noch heute mit den Anlagen vollgestellt ist, nein, die ganze Stadt hat davon profitiert. Für die Sportereignisse wurde sehr viel gebaut, renoviert, abgerissen. Das merkt man an vielen Stellen, die einfach elegant und schön daherkommen.
Obwohl ich nach nach dem ersten Tag, an dem wir fast 30 Kilometer durch Barcelona gelaufen sind, schon wieder unter einer verschobenen Kniescheibe leide und tierische Schmerzen im linken Knie habe, kämpfe ich mich langsam und Stück für Stück den Montjuïc hinauf. EIGENTLICH kann man vom Hafen Barcelonas aus bequem mit einer Seilbahn dort hinauffahren und den Blick über die Stadt genießen, aber einmal alle paar Jahre macht die Seilbahn für Inspektion und Wartung für zwei Wochen zu, und das ist genau jetzt.
Egal, ich humpele langsam, aber unaufhaltsam den Berg hinauf. Vorbei am katolanischen Nationalen Kunstmuseum, durch Parks, vorbei an den Sportanlagen, durch mehr Parks und irgendwann habe ich das alte Castello erreicht. Der Ausblick entschädigt für die Strapazen. Zumindest so lange, bis mir einfällt, dass ich ja auch wieder den Berg ganz runter muss…
Am Fuß des Montjuïcliegt eine ehemalige Stierkampfarena. Stierkämpfe sind in Katalonien seit 2010 verboten, und diese Arena wird seit ein paar Jahren ganz anders genutzt. Fast 10 Jahre haben die Bauarbeiten gedauert. Eigentlich sind von der alten Arena nur noch die Außenmauern erhalten. Die hat man auf Stelzen gestellt und dann ein Einkaufszentrum unter- und in die Arena hineingebaut. Deckel drauf, fertig ist eine der eigentümlichsten Shoppingmalls der Welt.
Was bauliche Experimente angeht, kennt man in Spanien eh kein Pardon. Was machbar scheint, wird gebaut. Dabei meist sehr kunstvoll und von einer großen Eleganz. Während unserer drei Tage in Barcelona gucken Modnerd und ich uns so einige Gebäude an, die mir vor Staunen den Mund offen stehen lassen.
Selbst an profanste Dinge lässt man nur große Designer und Architekten. Manchmal, wie hier im Falle des Funkturms auf dem Mont Tibidabo, kann auch ein Sir Norman Foster nicht mehr viel reißen. Aber trotzdem kann man sagen: Ein Architekt von Weltruf hat die Antennenhalterung entworfen.
Als wir nach drei Tagen Barcelona verlassen, bin ich schon voll mit Eindrücken. Die Stadt ist nicht laut und schon gar nicht Hektisch, zumindest im Februar nicht, aber sie ist… VIEL. Es gibt so viel zu sehen, dass ich froh bin, dass es jetzt ins kleine Valencia weitergeht – da kann es ja nicht so viel zu gucken geben, außer dieser Hippiekommune, die mit ihrer “Stadt der Künste” in einem ausgetrockneten Flussbett herumhockt.
Übrigens hatten wir es am Ende geschafft, wirklich alles anzusehen, was an Sehenswürdigkeiten auf dem Bild im Klo zu sehen war…
16 Gedanken zu „Spanien 2013 (2): Barcelona“
Oh wie toll!
Barcelona ist ja schon lange auf meiner Wunschliste der spanischen Städte, die ich ansehen will – hauptsächlich dieses genialen verrückten Gaudis wegen und ich komme gerade kaum wieder aus dem Hachzen heraus.
Vielen Dank für’s Mitnehmen – jetzt hab ich noch mehr Lust, mir die Stadt anzusehen. 🙂
Haha! Ich kann euch sehen! Dich und Herrn Modnerd! In der Glasscheibe!
Und in diese Villa Dingensda will ich einziehen. Meinst du. Das lässt sich machen?
Zimt: IiEK. Na, zumindest sind wir bekleidet. Bei vielen Reflexionen von Leuten auf Fotos ist das ja nicht der Fall.
Markus: Mach das, ist ganz nett 🙂
Barcelona gehört neben Lissabon und Hamburg zu den wenigen Großstädten Europas die ich mir gerne noch mal ansehen möchte.
schicke Fotos!
🙂
Könnten Sie mir sagen, welches der bestsortiere Erfrischungsgetränkeautomat ist? Bitte?
Sie bekommen dafür auch das fehlende t…
Sorry, nein, Ich mag lieber Kaffee als T.
Hihi, Barcelona erinnert mich stark an die Scheibenwelt. Die Sagrada Familia steht auf dem Rücken einer Schildkröte und der Baustiel von Gaudì hat was vom absolut bekloppten Johnson. Alle seine Werke zeichneten sich durch eine Spur Wahnsinn aus und ich stell mir das dann genau so vor.
Ansonsten ein toller Bericht, mehr davon!
Spaßbremse 😛
Kenny: Absolut, genau deshalb habe ich die Schildkröte fotografiert – wegen dieser Assoziation!
WdW: Wie lange kennen wir uns schon?
Naja, genau genommen, kenne ich nur Ihr Wiesel. Ich dachte gestern übrigens, statt Bloggertreffen (sooo 2000er) wäre ein Wieselblog/Blogwiesel/Wieselfreunde und Puschligkeitssupperter-Treffen mal schick.
Sie kennen mich virtuell schon fünf Jahre. In der Zeit müsste ihnen der Begriff “zweit(-größte, -längste, -schönste, häßlichste)” schon das ein oder andere Mal untergekommen sein. Wieseltreffen ist eine Superidee, das letzte (in Nürnberg) ist schon ein Jahr her.
fahrt mal nach belgrad ihr werdet überrascht sein wie schön unsere perle an der donau ist… im winter kann es durchaus 25 tage dauerfrost geben doch die sommer sind meist tropisch warm da die luft zu dieser zeit meist aus dem ägäis oder schwarzmeerraum kommt im winter eher aus nordwest bis nordost was unser klima erklären lässt… bade vergnügen gibt es an der ada ciganlija mitten in der donau novi grad ist nicht zu empfehlen aber stari grad also altstadt ist sehr schön
Oops… ist wohl nicht hängegngeblieben.
Ich finde, Hamburg böte sich an, liegt zwar nicht so direkt in der Mitte, bietet aber erprobte Wiesellocations en masse.
Miroslav: Aber gerne doch. Belgrad wollte ich schon immer mal hin. Ohne scheiß.
WdW: War eigentlich auch ein bilaterales Wieselgipfeltreffen.
Nicht hängengeblieben war das “zweit-“.
Alles, was mit dem Wiesel zusammenhängt, ist in meinem Herzen.