Herr Silencer war im Oktober 2013 in Rom unterwegs. Nach 6 Tagen in der Stadt fährt heute Nacht der Zug zurück nach Mumpfelhausen. Aber bis dahin bleibt noch ein ganzer Tag, an dem das Wiesel jemandem zum Hals raushängt und ein Blick durchs Schlüsselloch riskiert wird.
Donnerstag, 24. Oktober 2013, Rom
Der letzte Tag in Rom – Heute will ich noch einiges mitnehmen. Zunächst nehme ich im Browns & Co. ein Frühstück mit, im Billa um die Ecke dann eine Flasche vom guten Limoncello.
Bei meiner Rückkehr ins Ada erwartet mich im Gang eine elegante Erscheinung. Eine hochgewachsene, blonde Dame, ganz in weiß gekleidet, steht mitten im Flur des Appartments und fragt, ob ich nicht derjenige bin, der heute abreist. Ja, bin ich. Ich kann ihr versichern, dass mein Aufenthalt im Ada Rooms ein sehr angenehmer war, und gratuliere zu der Stilsicherheit bei der Auswahl der geschmackvollen Einrichtung des Appartments – das freut sie sichtlich. Die Dame muss die Ehefrau von Fabio sein, zumindest hat sie seinen Hund dabei und spricht in einem ankommenden Telefonat fliessend und ohne Akzent französisch, was auch den Nachnamen Chevallier erklärt.
In meinem Zimmer ist schon alles bereit für die Abreise. Der Rucksack ist seit gestern abend fertig gepackt, lediglich der Limoncello muss noch verstaut werden. Auf der Hinfahrt hätten meine Sachen in eine kleine Sporttasche gepasst, weswegen der große Rucksack so komprimiert wie möglich und trotzdem zu Hälfte leer war. Jetzt ist er zu Dreivierteln voll, in der Mitte steckt ein großer Kalender und oben raus guckt die Kartonrolle mit den historischen Karten aus Florenz. Trotzdem ist er noch tragbar.
Das Wiesel, dass bislang die Reisevorbereitungen gutmütig ignoriert hat, hopst an Bord und macht es sich im Rucksack bequem. Dann ein letztes Umsehen, ein stiller Gruß an dieses schöne Zimmer und ein Dank für eine großartige Woche, dann lasse ich die Schiebetür zugleiten, lege den Schlüssel zu Zimmer vier auf den Tisch im Flur und verlasse das ADA Rooms Appartment durch die holzgetäfelte Panzertür. Solche Sicherungen sind in den Palazzi übrigens üblich, genau wie teure Alarmanlagen. Einbrüche sind wohl nicht ganz selten, was bei der Armut in Rom kein Wunder ist. Interessant ist aber das raffinierte Vorgehen in einigen Fälle. So gab es vor einigen Jahren eine Serie von Einbrüchen, bei denen durch die, in der Regel einlagigen, Fenster ein Loch geschlagen und dadurch Betäubungsgas eingeleitet wurde. Waren die Bewohner bewusstlos, wurde das Appartment ausgeräumt.
Vor der Tür des Ada steht ein Reisender, der auch schon mehrfach geklingelt hat. Sein Zug hätte Verspätung gehabt, sagt er, und nun mache ihm niemand auf. Ich kann ihm nicht helfen, anscheinend at Madame Chevallier auf ihn gewartet, dann aber die Geduld verloren und ist gegangen. Hat er halt Pech gehabt, für den Moment.
Unter dem inzwischen gewohnt mißmutigen Blick des Hausmeisters verlasse ich das Haus und in Richtung U-Bahnstation Lepanto. Wie ein Astronaut auf einem Hochgravitationsplaneten komme ich mir dabei vor, jeder Schritt ist schwer von dem Gepäck, dass ich jetzt auf dem Rücken trage. Im Spiegel der Schaufenster sieht es so als, als wäre der Rucksack jetzt fast so groß wie ich selbst.
Die U-Bahn bringt den Rucksack und mich zum Bahnhof Termini. Dort, im Untersgeschoß, befindet sich die Gepäckaufbewahrung, wie ich bei meiner Ankunft in Rom ausgekundschaftet habe. Sie hat von 06.30 bis 23.30 geöffnet. Theoretisch sind hier die Regeln strenger als in Florenz. Das Gepäck darf maximal 20 Kilogramm wiegen, es läuft durch bei der Annahme durch einen Röntgenscanner und die längste Aufbewahrungszeit beträgt 5 Tage. Die Gepäckaufgabe ist links um die Ecke herum, am Kassenhäusschen rechts bezahlt man erst bei der Abholung und bekommt dort auch sein Gepäck zurück.

Der Bahnhof Roma Termini ist RIESIG. Hunderte Meter kann man in unterirdischen Gängen, und dann noch auf verschiedenen Ebenen, zurücklegen. Die Beschriftung der Wegweise ist dabei kreativ und verwirrend. Aber Gleis 1 Nord und Ost sind dasselbe, liegen nur 100 Meter Bahnsteig dazwischen.
Ich gebe den großen Rucksack auf, entnehme vorher aber das kleine Daypack, in dem alles steckt, was wichtig und wertvoll ist: Notebook, Kindle, Fahrtkarte und Wiesel. Die trage ich lieber den ganzen Tag mit mir herum als es aufzugeben. Gleich am Bahnhof steige ich wieder in die U-Bahn. Ich habe heute ein Tagesticket, und das will ich auch ausnutzen.
Die Fahrt geht mit Metro B nach Garbatera. Das liegt südlich der Altstadt und ist eine Ansammlung hässlicher Wohnblöcke, durch die eine Schnellstrasse führt. Die erkenne ich sogar wieder, 2011 sind Modnerd und ich von Süden kommend hier entlang nach Rom hineingefahren. Jetzt wandere ich die staubige Schnellstrasse entlang, während der Verkehr sechsspurig vorbeirauscht.
Diese Gegend war schon immer das Tor zur Stadt, und vor den Toren römischer Städte wurden die Toten bestattet. Die Zufahrtsstrassen waren einst gesäumt von den prächtigen Mausoleen der Reichen. Weithin sichtbar prangten ihre Namen auf den Totengebäuden, denn es galt: Man war erst dann wirklich tot, wenn sich niemand mehr an den Namen erinnerte. Was umgekehrt auch hiess, dass man jemanden zweimal töten konnte: Erst physisch, dann, in dem man sein Andenken aus der Geschichte radierte. Dazu gehörte es, Namen wegzumeißeln und Statuen die Köpfe abzuschlagen. Was übrigens der hauptsächliche Grund für die vielen kopflosen Statuen überall in Europa ist: Man tilgte auf diese Art missliebige Personen aus der Geschichte.
Geradezu revolutionär war deswegen die Idee des Christentums, Tote ohne Angabe eines Namens zu bestatten, denn der war laut Bibel ja ohnehin In Gottes Hand. Unweit von hier, wo ich jetzt gerade langlaufe, führte früher die Via Appia entlang. An dieser Strasse standen die meisten Mausoleen, meist prächtige Gebäude und toll verzierte Gebäude. Genau an der Strasse fingen die Christen an zu buddeln, anstatt Totenhäuser zu bauen. Weil die heidnischen Römer zunächst nicht wirklich begriffen was die Christen da trieben, nannten sie das entstehende Werk nach dem Namen des Steinbruchs, in dem gegraben wurde, und der hieß AD CATACUMBAS. Und daher, bzw. hierher, also von diesem Ort hier, dem Feld an dem ich vorbeilaufe, kommt der Name Katakombe, der sich als Oberbegriff für unterirdische Grabbauten durchgesetzt hat, in denen die Menschen anonym beigesetzt werden.
Unweit von Ad Catacumbas verfügte die Römerin Flavia Domitilla über Ländereien. Flavias Familie war wirklich unermesslich reich. Das bekannteste Bauwerk der Familie Domitilla kennt jeder: Das Theater Flavia, besser bekannt als Kolosseum. Das hat die reiche Bande mal eben aus der Portokasse bezahlt. Flavia war nicht nur reich, sie war auch zum Christentum übergetreten. Das war unter reichen Römern um das Jahr 100 herum Mode, genau wie es heute bei unseren Promis Mode ist, zum Buddhismus überzutreten oder sich mit der Kabbalah zu beschäftigen..
In dieser Zeit, in der Rom bereits eine Stadt mit über 1 Million Einwohnern war, schenkte Flavia Domitilla der christlichen Gemeinde eine Teil ihres Landes, damit die darauf ihren eigenen Friedhof errichten konnte. Die Christen bauten auch hier eine Katakombe, und genau die existiert immer noch und ist heute mein Ziel.
Zwischen den hässlichen Wohnblöcken tut sich plötzlich ein Parkplatz auf, auf dem bereits mehrere Reisebusse stehe. Einige davon aus Deutschland. Hinter dem Parkplatz liegt ein Palmengarten, und darin eine Gruppe flacher Gebäude.
Hier herrscht brereits ganz schöner Andrang. Das ist gut, denn Führungen finden nach Bedarf statt – wäre ich hier allein, hätte ich schlechte Karten. So kann ich mich einer deutschen Kirchengemeinde ansschließen, die bereits die Treppen zur Katakombe hinabsteigt.
Am Fuß der Treppe steht man dann allerdings nicht in einem engen Grabgang sondern in einer Kirche. Es gibt 63 Katakomben in Rom, aber die Domitillakatakombe ist mit 17 Kilometern Ausdehnung die größte und die einzige mit einer unterirdischen Basilika. Da die Gänge zu eng sind, um Gruppen hindurchzuführen und gleichzeitig etwas zu erklären, wird vor der Führung in der Basilika erklärt.
Dort sitzen jetzt bereits rund 150 Personen. Mit viel Hingabe und wirklich witzig erläutert Manfred Wendler, einer der Seyler Missionare die die Katakombe betreuen, Entstehung und Geschichte der Katakombe, zeigt Bilder auf einer Leinwand und geleitet uns schließlich ist das Gangsystem. Nicht ohne vorher zu warnen, dass wir auf unsere Köpfe und Frisuren aufpassen sollen, und die Anekdote erzählt, wie eine deutsche Frau am Ende der Führung erschrocken ausrief: „Friedhelm! Das Toupet ist weg!“
Einer hinter dem anderen marschieren wird durch die langen Gänge und bestaunen die Grabnischen (kaum eine größer als 1,70 Meter) und die kunstvoll gehauenen Gänge. Faszinierend sind die farbenfrohen Malereien in einer Kapelle: Symbole des Lebens und der Freude sind hier abgebildet. Eine Katakombe war, so betont der Wendler immer wieder, kein Ort der Trauer – es war ein Ort der Freude! Der Freude auf das Wiedersehen nach dem Tod.
Nach insgesamt einer Stunde geht es wieder ans Tageslicht, und ich wandere an der Schnellstrasse zurück nach Rom.
Mein nächstes Ziel ist die Cestiuspyramide. Ja, in Rom gibt es eine echte Pyramide. Auch so ein Mausoleum, aber weil der darin Bestattete lange Zeit als Offizier in Ägypten war, eben in Pyramidenform. Weil die Römer praktisch veranlagt sind und immer alles recyceln, machten sie die Pyramide in zum Teil der Wehrmauer, als Rom mal wieder belagert wurde. So ist das auch heute noch, sprich: Es gibt eine Mauer, in der eine Pyramide steckt. Leider ist davon nichts zu sehen, alles wird gerade denkmalgepflegt.
Zehn Gehminuten von der Pyramide, auf dem Aventinhügel, residieren die Ritter von Malta. Gebäude und Gärten der Malteser sind von hohen Mauern umgeben, aber es gibt ein Tor.
Darin ist ein Schlüsselloch, und das ist eines der berühmten Geheimnisse der Stadt. Wenn man nämlich dadurch schaut, sieht man in perfekter Linie eine Allee entlang. Erst nach wenigen Sekunden bemerkt das Auge des Betrachters, dass an deren Ende die Kuppel des rund drei Kilometer entfernten Petersdoms zu sehen ist. Ein fantastischer Anblick und ein ganz besonderer Moment.

Bild mit freunldicher Genehmigung von Italyguides.it. Die kleine Lumix war mit dem Schlüsselloch überfordert.
Von den Maltesern aus führt eine Strasse den Hügel hinab und direkt zum Circus Maximus, von dem aber nicht mehr viel zu sehen ist – sandige Spuren inmitten eines grünen Tals, dessen Gras an diesem Morgen frisch gemäht wurde und duftet.
Um die Ecke und etwas versteckt liegt die Kirche Santa Maria di Cosmedin.
Davor, geschützt von einem vergitterten Gang, befindet sich der Bocca della Verità, der Mund der Wahrheit. Das berühmte Wahrzeichen beisst angeblich untreuen Männern den Arm ab, wenn sie die Hand in den Munde des Steingesichts legen, weshalb das hier für viele eine ganz besondere Mutprobe ist. Die Schlange der Touristen vor dem Bocca ist kurz, und damit das auch so bleibt, wacht ein Rentner darüber das jeder, der dem Mund der Wahrheit gegenüber tritt, nur ein Foto macht. Wie ein Feldwebel kommandiert er die Japaner und Italiener vor mir herum. Ich werde nervös, denn ich weiß, dass das Wiesel äusserst allergisch auf diesen Tonfall reagiert, der löst bei ihm Anfälle von Anarchie aus.
Kaum habe ich das zu Ende gedacht, als das Wiesel aus dem Rucksack hopst und um eine Ecke flitzt. Vor mir hat sich gerade ein lustiger Japaner fotografieren lassen, nun kommandiert der Feldwebel mich nach vorn. Als ich gerade antreten will, sehe ich das Wiesel, wie es… nun… sagen wir mal… das Wiesel hängt der Wahrheit zum Hals raus.
Ich drücke auf den Auslöser, während dem Rentnerfeldwebel eine pochende Ader an der Stirn schwillt. Er stürzt auf das Marmorgesicht zu und verjagd das Wiesel, dass ihm eine lange Nase dreht und im Ausgang verschwindet, dann springt er auf mich zu, piekt mir mit dem Finger auf die Brust und brüllt auf italienisch „KEIN FOTO FÜR DICH!“. Sei´s drum, ich hatte meinen Spass.
Etwas weiter die Strasse hinauf liegen die merkwürdigsten Gebäude die ich bislang in Rom gesehen habe. Es sind Frankensteinbauten, uralte Gebäude, an die andere Gebäude angebaut wurden. So scheint eine Kirche aus zwei halben zusammengesetzt, deren Baustile ungefähr tausend Jahre auseinanderliegen. Daneben ist ein Theater zu sehen, in das offensichtlich Wohnungen gebaut wurden. Sehr seltsam.
Neben der Via Venezia liegt der Kapitolshügel mit der Kirche Santa Aecoli, die eine beeindruckende Innenausstattung besitzt.

Die drei Bienen sind das Wappen der Barberini. Eine Bande Banausen, die u.a. das Kolosseum zur Nutzung als Steinbruch freigegeben haben. In Rom gibt es ein Sprichwort: Was die Barbaren nicht zerstört haben, das zerstören die Barberini.
Daneben liegt der Campodillo, ein schöner Platz, an dem der Senatorenpalast und der Palast der Konservatoren liegt. Das hier ist das politische Herz Roms, denn alles zusammen bildet das Kapitol – ein Begriff, der später von wichtigen politischen Zentren überall übernommen wurde. Das Bekannteste ist sicher das Capitol in Washington, D.C..
Füher, vor ungefähr 2.400 Jahren, war hier übrigens die römische Münzdruckerei und der Tempel der Juno. Die Göttin hiess mit vollem Namen Juno Moneta, und daher kommt der Begriff „Moneten“für Geld. Der Sage nach wurden retteten Gänse den Monetentempel, die mittenm in der Nacht laut schnatternd vor einem Angriff der Gallier warnten.
An die historischen Bauwerke grenzt das Nationalmonument an, das die ganze Front des Hügels einnimmt und aufgrund seiner Größe und Hässlichkeit die Spitznamen „Mussolinis Grinsen“ oder auch „Schreibmaschine“ trägt. Es ist ein unsagbar klotziges und, im Vergleich zu allen anderen Gebäuden rundrum, riesiges und hässliches Gebilde aus Marmor, vor dem Engel posieren, eine ewige Flamme brennt und Soldaten Wache halten.

Naja, manche Soldaten spielen lieber an ihrem Dings rum statt Wache zu halten. Smartphone, genau, so heisst das. Sie spielen lieber an ihrem Smartphone rum.
Rechts am Gebäude befindet sich ein Panoramalift, der einen auf´s Dach befördert. Von hier hat man einen tollen Ausblick über ganz Rom, der die 7 Euro für den Lift wert ist.
Der Blick von Oben über das Forum Romanum:
Irittiert haben mich diese Metalldinger, die überall am Rande des Dachs angebracht sind.
Es sind keine Blitzableiter, sondern, wird mir auf Nachfrage erklärt, Halterungen für Feuerschalen und Feuerwerk.
Im Inneren der Schreibmaschine findet sich das Nationalmuseum des Risorgimento mit allem was dazugehört, inkl. Nationalhymne in Dauerschleife, riesigen Denkmälern, Heldenverehrung, Pathos und vielem mehr. Genau hier müssen die Designer des Spiels „Bioshock Infinite“ die Inspiration für ihr bombastisches Setdesign geholt haben. Allein die zehn Meter hohen Bildnisse der Kriegshelden, deren Pferde von Engeln geführt werden oder die, eine Armee im Rücken, mit gezücktem Säbel und in vollem Galopp auf den Betrachter zusprengen, sind beeindruckend.
Natürlich werden alle als Helden und gutaussehende Anführer portraitert. Nur er hier nicht, dafür hat er Respekt verdient.
Letztlich dreht es sich beim Risorgimento um die Einigung Italiens. Darin kommen Kriege gegen Österreich vor, ein südamerikanischer Rebell der als General durchs Land zog, viele Einzelschicksale und ein Radetzkymarsch. Wer schon immer wissen wollte, warum es in jeder italienischen Stadt eine Via Cavour, einen Corso Emmanuelle II oder eine Plaza Garibaldi gibt, hier wird es erklärt.
Es hat leicht zu nieseln begonnen. Nach sieben Tagen Sonnenschein und Temperaturen um 25 Grad sei das dem Wetter verziehen. Ich trage ohnehin schon wieder römische Patina, diesen dünnen Film aus Schweiß, Staub und Abgasen auf der Haut, der jede Pore zu verstopfen scheint und einen irgendwie klebrig macht. Ein wenig Abkühlung tut da gut.
Mit weiten Umwegen, u.a. über das Pantheon und den Quirinalpalast, gehe ich in Richtung Bahnhof.
Übrigens ist in der nähe historischer Plätze das Essen im Sitzen verboten. Wer sich dabei erwischen lässt, wie er auf der Spanischen Treppe sitzend etwas isst, muss sofort ein hohes Bußgeld zahlen. Das hört sich jetzt nach Überregulierung und kleinkariert an, außerdem ist es doof für Leute die da in der Nähe Arbeiten und draußen ihr Pausenbrötchen essen wollen, aber ich bin ein großer Freud davon. Wer einmal gesehen hat, wie eine amerikanische Familien Pause macht, weiß warum. Da wird sich nämlich auf eine Treppe oder auf einen Brunnen gesetzt, und DANN werden auf 20 Qudaratmeter Dosen, Flaschen und Büchsen ausgepackt um eine fürstliche Schweinerei mit Dips und Sandwiches und whatnot zu veranstalten. E-kel-haft. Erst wird riesig viel Platz belegt, anschliessend sieht es aus, als hätte eine Bombe da eingeschlagen.
Ich bin erstaunt, dass ich etliche Strassen schon kenne und einordnen kann, und so finde ich mich ohne Karte zurecht. In Rom kann man übrigens immer ohne Wasserflasche unterwegs sein, denn Wasser gibt es hier an jeder Ecke. Es plätschert aus den Nasones, kleinen Brunnen. Das Wasser in Rom ist in allen Brunnen immer sauber und von höchster Trinkqualität, es sei denn, es steht ausdrücklich was anderes dran („Non potibile“), aber die kleinen Nasones („Näschen“) sind nur zum Trinken gemacht.
Amateure erkennt man übrigens daran, dass sie sich verrenken, um irgendwie den Mund unter den Wasserstrahl zu bekommen. Profis halten das Wasserloch zu, dann kommt nämlich eine kleine Fontäne oben aus dem Nasone heraus.
Es gibt sogar eine App, die den nächsten Nasone im Umkreis anzeigt. In der Summe ist das fantastisch – man braucht nicht nur keine Wasserflasche rumschleppen, man kann auch die Händler ignorieren, die bis zu 2 Euro für eine kleine Flasche oder Dose Wasser wollen.

Gelaufener und gefahrener Weg am letzten Tag: Im Nordwesten meine Unterkunft, Südosten liegt die Katakombe, im Westen der Bahnhof.
Am Rande des Bahnhofs von Termini lehne ich in einem großen Torbogen in einer Nische, gucke hinaus in den Regen und warte darauf, dass die Sonne untergeht. Eine Dreiviertelstunde vor Abfahrt des Nachtzugs nach München löse ich den großen Rucksack bei der Gepäckaufbewahrung aus, dann begebe ich mich zum Gleis.
In dem Moment, in dem ich dort ankomme, fährt auch der Zug ein – wundervoll, anders als in Florenz vor einem Jahr gibt es diesmal keinen Stress mit „wo und wann und fährt der Zug überhaupt“.
Meine Koje befindet sich diesmal unter dem Dach, was auch OK ist. Da muss man zwar ein wenig klettern, hat aber das Gepäck direkt neben sich auf einer Ablage. Zudem habe ich einen kleinen Aufschlag gezahlt, damit die Kabine nur mit vier Personen belegt ist statt mit sechs. Umso erstaunter bin ich, als fünf Schwaben einmarschieren. AUSGERECHNET! Schwaben! Davon verabschieden sich drei aber gleich wieder, und die restlichen beiden unterhalten sich nur flüsternd, sind äußerst leise und löschen sofort das licht. Vermutlich müssen die morgen früh raus, bestimmt wegen Kehrwoche oder so.
In Bologna steigt noch ein Italiener zu, der Rest der Nacht ist ereignislos. Wie auf der Hinfahrt lese ich im Dunkeln (gelobt sei der Kindle mit Beleuchtung!), döse zwischen halb zwei und halb fünf weg und dann sind wir auch schon in München. Ich wuchte den Rucksack ein Gleis weiter, dann geht es mit dem ICE weiter nach Norden, während draußen die Sonne aufgeht und eine nebelverhangene und mit Raureif überzogene Landschaft zeigt. Ich komme aus dem Sommer direkt in den Winter, zumindest fühlt es sich so an.
Während diese Zeilen entstehen bin ich noch auf der Heimfahrt von Rom. Die Reisen für dieses Jahr sind vorbei. Nach Italien werde ich in absehbarer Zeit nicht mehr kommen. Aber es ist OK. Ich habe in den vergangenen Tagen noch einmal ganz viel Sonne und Erlebnisse getankt. Jetzt kann ich mich zurückziehen und die langen Herbstabende und Wintertage nutzen um das Erlebte aufzuarbeiten – und Dinge für die Zukunft auszuhecken.
Im ICE 884 von München nach Hamburg-Altona schnarcht das Wiesel im Rucksack vor meinen Füßen vor sich hin. Es ist das weltberühmte Reisewiesel, und ich fürchte, es hat mich mit seiner Reiselust dauerhaft infiziert. Wir sind bestimmt nicht das letzte Mal unterwegs gewesen.
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Zwei Stunden später stehe ich wieder auf der Dorfstrasse. Die Bäume haben ihre Blätter fast verloren und ich friere in der dünnen Sommerjacke, die gestern noch viel zu warm war. Mumpfelhausen hat mich wieder.
Aber ein wenig Rom-Flair konnte ich über die Alpen retten:
Jaja, der verflixte Reisevirus 🙂
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Noch einmal vielen Dank für diesen wunderbaren Reisebericht und die vielen tollen Fotos!
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Und jetzt, wo der Rom-Reisebericht abgeschlossen ist, kann ja dann direkt im Anschluss der Bericht von der Ganz, ganz großen Reise kommen. Ja? Danke!
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Kalesco: Ja, ja…. Wenn es einen hat 😉
Mic: Sehr gerne. Bitte dranbleiben, wenn Du daran Spass hattest…
Zimt: 😉
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über deine Bienen bin ich gestolpert . Die 3 Bienen sind die Flagge von Elba und bezeichnen die 3 Hauptorte dort. Sie gehen auf Napoleon zurück der die Bienen auch in seinen Krönungsmantel trug. Ansonsten – deine Reisebeschreibung über Rom macht Lust darauf die Stadt kennen zu lernen … sowieso ein lang gehegter Traum
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Leandrah: Stimmt, Elba hat auch drei Bienen, allerdings hintereinander in einem roten Band. Drei Bienen im Dreieck auf blauem Grund sind das Wappen der Barberini (s. auch http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/2/25/CoA_Francesco_Barberini_Sr.svg/599px-CoA_Francesco_Barberini_Sr.svg.png)
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Unheimlich spannend das mit den abgeschlagenen Köpfen! Ich hielt das immer für puren Vandalismus. So macht es ja, aus damaliger Sicht, sogar richtig Sinn.
Ich hab gerade erst gemerkt, dass ich ja über einen Monat gebraucht habe, um mir endlich die Zeit zum Lesen zu nehmen. Aber ich bin da tatsächlich lieber viel später dran, als irgendwie hektisch drüber wegzulesen – dafür lese ich deine Reiseberichte viel zu gerne!
Vielen Dank für’s Mitnehmen wieder mal!
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Sehr gerne, ich freue mich immer über nette Mitreisende!
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Und wie Du siehst: Ich habe im Ausland Zahnpasta und Zahnseide gekauft, wir pflegen also die gleichen
MackenGewohnheiten.LikeLike