Huhus Geschichte (6)
Nach wenigen Metern ging die Röhre in eine Steigung über. Huhu zitterte vor Angst und Anstrengung, als er langsam hinaufkletterte. Ihm war klar, dass, wenn jetzt Spam hier durchkam, ihm der mit hoher Geschwindigkeit um die Ohren fliegen würde. Oder noch schlimmer, wenn es massiver Spam war, dann würde er ihn vielleicht mitreißen und in die Grube schleudern, und dort würde er bestimmt nicht wieder rauskommen. Dann würde er bis an sein Lebensende zwischen den brüllenden und wispernden Würfeln sitzen, die versuchten ihm Medikamente zu verkaufen. Huhu versuchte diese Gedanken zu verdrängen, aber die Stimme der Angst in seinem Hinterkopf liebte es offensichtlich, sich solche Sachen im Detail auszumalen.
Huhu hatte Glück. Ohne einen Zwischenfall erreichte er das Ende der Röhre und den Rand eines Trichters, den er nach mehreren Anläufen erklettern konnte. Nun stand er in einem hell erleuchteten Raum, den gut kannte. Es handelte sich um die Spamentsorgung von Silencers Blog, wo der Spam hinverbracht wurde, der im Spamfilter hängen blieb! Für einen kurzen Moment war Huhu erleichtert. Immerhin war er nicht in irgendeinem Blog gelandet, sondern quasi wieder zu Hause. Doch sofort meldete sich die Stimme der Angst wieder zu Wort. Die Spamentsorgung lag im untersten Stockwerk des Blogs, und bis zurück zu seiner Wohnung hinter dem Kommentarkasten hatte Huhu noch einen langen Weg vor sich. Zwar ein bekannter Weg, aber, so wurde die Stimme nicht müde zu betonen, auch auf einem solchen konnten noch DINGE passieren und Gefahren lauern.
Huhu tippelte zur Tür der Spamentsorgung hinaus und den langen Gang mit der Mülltrennung entlang. Hier gab es unterschiedliche Räume, in denen, streng nach Sorten geteilt, gelöschte Beiträge, alte Kommentare und nicht mehr verwendete Bilder kompostiert wurden. Huhu mochte diesen Bereich des Blogs nicht, und er war froh, als er die Tür zum Treppenhaus erreichte.
Vorsichtig stieg Huhu der breiten Metalltreppe nach oben, wobei er sich dicht an der Wand hielt und sich immer wieder umsah. Er kam am Maschinendeck vorbei, wo die WordPress-Engine vor sich einstampfte und der Anschluss ans Internet untergebracht war. Dann passierte Huhu die Etage mit dem großen Kontrollraum, in dem alle Einstellungen des Blogs vorgenommen wurden. Eine Eben höher verliess er das Treppenhaus und betrat durch eine schwere Metalltür die Beitragsebene.
Hier war es weit weniger sauber und ordentlich als es hätte sein müssen. Sicher, Silencers unsauberer Schreibstil hinterließ ohnehin hier und da seine Spuren, und es gehörte normalerweise zu Huhus Aufgaben, die kleineren Unsauberkeiten zu beseitigen. Er beseitigte hier und da Zeichensetzungs- und Rechtschreibfehler und entfernte vor allem die Füllworte und überflüssigen Adjektive, die Herr Silencer so gerne überall in seine Texte reinstopfte.
Huhu machte das gerne, und die Tätigkeit sorgte zugleich für Ordnung und Sauberkeit im Blog. Im Moment sah es allerdings so aus, als ob hier sich seit Monaten niemand mehr aufgeräumt hatte. Konjunktionen stapelten sich in den Ecken und verwesten bereits. Aus dem Kompost ringelten sich sogar schon Bandwurmsätze über den Boden. Eine Gruppe Kommata kratzte und scharrte an einer Tür herum. Huhu wusste genau was die bezweckten. Hinter der Tür war der Zulauf für den Lesefluss. Wenn man nicht aufpasste, dann verschafften sich die kleinen Satzzeichen Zugang dazu und sprangen hinein. Dann paddelten sie darin herum, vermehrten sich und machten, Tauchspielchen, alles mit dem Ziel, durch ihr willkürliches, Auftauchen, den Lesefluss, zu beeinträchtigen.
Huhu watschelte weiter und musste aufpassen, dass er nicht auf den Adjektiven ausrutschte, die überall herumlagen. Meine Güte, wie lange war hier nicht mehr saubergemacht worden? Er war froh, als endlich die Tür zum Kommentarraum hinter ihm zufiel. Doch statt der erwarteten Kommentarkästen sah sich der Blogpinguin in einem Raum voller Holzkisten wieder.
Einige sahen aus wie normale Kisten, gefertigt aus sauber gesägten Brettern, die ordentlich zusammengenagelt waren. Die meisten Kisten waren allerdings grob zusammengezimmert, aus Teilen die nicht zueinander passten. Einige waren so schief, dass sie hinten und vorne auseinanderfielen. Der ganze Raum war voller Kisten. Manche daher neu aus, andere so, als würden sie schon seit Jahrhunderten hier vermodern. Huhu wusste natürlich was das war. Er hatte sich in der Tür vertan und war in dem Lagerraum gelandet, in dem Silencer Entwürfe für Blogeinträge lagerte. Es waren hunderte, jede Kiste entsprach einem Entwurf. Manche Beiträge waren fast fertig und warteten auf die Veröffentlichung, andere bestanden nur aus einer hastig notierten Überschrift zu einer längst nicht mehr aktuellen Idee. Huhu drehte sich um und wollte den Raum wieder verlassen, als er vom Gang ein lautes Geräusch hörte, dass ihn zurückschrecken liess.
Schnell schloss er die Tür wieder, bis auf einen winzigen Spalt, durch den er hindurchspähte. Durch den Spalt konnte er sehen, wie ein HTML-Tag durch den Gang geflogen kam und an die Wand gegenüber der Tür zum Entwurfslager klatschte. Langsam rutschte das i
die Wand hinab, eine kursive Spur hinterlassend. Wieder gab es ein lautes Geräusch, als ob jemand gegen ein nasses Sofakissen getreten hätte, und diesmal kam ein Objekt den Gang hinabgeschliddert, gefolgt folgten einem Subjekt und einem Prädikat. Huhu runzelte die Stirn. Er hatte noch nie gesehen, dass jemand so bösartig mit Satzteilen umging.
3 Gedanken zu „Huhus Geschichte (6)“
Hm. Wenn Huhu hinter den Kulissen von Silencers Blog auftaucht, was war dann bei Owley mit ihm los? Werden wir das je erfahren?
Warten Sie es ab…
*Hibbel*
*Fingernägelkau*