Reisetagebuch London 2014 (3): At World´s End
Im Februar 2014 setzten sich Silencer und das Wiesel in einen Bus, und kurz darauf waren sie in London. Eine Woche lang durchstreiften sie die Metropole an der Themse und entdeckten erstaunliche Dinge. Am dritten Tag geht es an gut klingende Orte wie Notting Hill, Camden Town und an das Ende der Welt.
Samstag, 08. Februar 2014, London
Um genau fünf vor Acht füllt sich der Frühstücksraum, der sich im Untergeschoss des Cardiff befindet. Wie Zombies kommen Gruppen und Familien hereingeschlurft, einige Deutsche, ein paar Russen und Niederländer, viele Spanier. Kurz vor Acht, dass ist 7.55 und noch ganz schön früh. Ich werde gleich aus dem Haus sein, aber die Zombies hier… mit Sicherheit kommen die nicht vor 11 Uhr hier weg. Und warum? Weil Frauen und Kinder noch mindestens drei Stunden brauchen um sich fertig zu machen. Im Ernst! Zumindest erzählt mir das ein leidgeprüfter Familienvater mit Augenringen beim zweiten Kaffee. Da lohnt das frühe Aufstehen für ihn mal überhaupt gar nicht, aber ausschlafen lässt ihn die Familienbande natürlich auch nicht.
Um kurz nach halb neun spuckt mich der Underground am Notting Hill Gate aus. Ich schlendere die Portobello Road entlang, die berühmte Straße mit ihren kleinen Geschäftchen und dem trubeligen Samstagsmarkt. Der wird gerade noch aufgebaut, eine Stunde später gibt es hier dann Antiquitäen, Kleidung, Obst und irgendwie alles zu kaufen.
Um die Ecke, im Bensheim Crecent, liegt der Notting Hill Bookshop, den man aus dem Film mit Julia Roberts und diesem Dings kennen kann. Die Sonne scheint und mit 10 Grad ist es sogar angenehm, wenn nur nicht der Wind so schneidend wäre.
Nach der Portobello Road geht es in den Norden London, nach Camden Town. Das ist bekannt als alternatives Mode- und Szeneviertel. Junge Leute setzen hier ihre eigene Entwürfe von Schuhen und Kleidung um und verkaufen sie. Angeblich kommen sogar die Modemacher hierher, um sich inspirieren zu lassen. Ich glaube das sofort, so viele innovative Klamotten und mutige Schnitte wie hier habe ich noch nie auf einem Haufen gesehen.
Camden Lock und der Markt sind eine Aneinanderreihung von Gebäude und Höfen, die über Treppen und Brücken miteinander verbunden sind. Überall sind kleine Räume und Standflächen abgeteilt, und auf jeder wird was anderes angeboten. Im Food Court gibt es Dutzende Stände mit Gerichten aus der ganzen Welt. Alles Handarbeit. Die Leute setzen sich zuhause hin und bereiten ihr Kram vor, und wenn es verlauft ist, gibt es halt keinen Nachschub.
An Camden Lock schliessen sich nahtlos die Stables an, alte Pferdestallungen, die jetzt auch der Markt sind. Es gibt wenig, was man hier nicht kaufen kann, auf jedem Quadratmeter wird Kunst, Kleidung und Spielzeug angeboten. Dazwischen stehen mal riesige, mal kleine Pferdestatuen, mal ragen Teile von Pferden aus Boden und Wänden. Warum muss ich beim Anblick dieses Pferdes an “Im Westen nichts Neues” denken?!
Aus der bunten Menge sticht Cyberdog hervor. Ein Laden, wie er cyberpunkiger nicht sein könnte. Es ist wie eine Großraumdisco, in der auch noch Sachen verkauft werden. Dazu gehören in erster Linie Nerdgadgets, Klamotten und Schminkzeug, aber im Sublevel 3 des unterirdischen Kaufhauses gibt es auch Fetischdinge und Sexspielzeug. Allein die Inneneinrichtung ist eine Show. Jede Kleiderpuppe ist ein von Künstlern geschaffenes Werk, das verdächtig nach Borg aussieht, mit Inneren von Kabeln ud Leuchtelementen. Die glühen im Takt der Musik, deren Bässe durch die Kellerräume dröhnen.
Cyperpunkig sieht auch ein Großteil des Personals aus, alle Mitarbeiterinnen sind gestylt wie auf einer Loveparade, oder wie Cyborgs, oder wie Dominas. Durch Fußböden und Wände ziehen sich pulsiererdene Lichtleitungen, während von überall her Technomusik wummert. Cyberdog ist mittlerweile ein eigenes Label, der Shop ist HIER.
Fast drei Stunden streife ich über den Markt und habe sicherlich immer noch nicht alles gesehen. Mittlerweile ist es kurz vor Eins, und jetzt wird es langsam RICHTIG voll. Ich mache mich wieder auf den Weg. Dabei komme ich am Ende der Welt vorbei.
Zeit, ein wenig was für die Kultur und Bildung (meiner Bildung) zu tun. Es geht mit der U-Bahn bis zum British National Museum.
Das BNM protzt und prunkt. Kein Wunder, beherbergt es doch alles, was die Briten aus ihren Kolonien zusammengeklaut und dann dem Staat überlassen haben. Leider weiß der damit nicht viel anzufangen. Klar beeindruckt die schiere Größe des Gebäudes, dass den größten, überdachten Platz Europas in seinem Inneren hat.
Aber die Exponate sind in etwa so spannend präsentiert wie die Sammlung der Bronzezeit im Landesmuseum in Hannover. Im Ernst, selbst der berühmte Stein von Rosetta steht irgendwie unwürdig auf einem Flur rum… Nein, so macht man Museum im Jahr 2014 nicht.
<img src="https://302d4ba1.vhost.manitu.de/wp-content/uploads/2014/02/p1020411.jpg?w=645" alt="Besser ist da schon die Cortauld Gallery im Somerset House direkt an der Themse, die ich als nächstes besuche.
Die Courtald Gallery ist quasi für Gemälde, was die Galleria Borghese in Rom für Statuen ist: Eine der kleinsten und dabei feinsten Sammlungen der Welt. Hier hängt das Beste von Monet, Manet, Renoir, Cranach d.Ä., Toulouse-Loutrec, van Gogh, Gaugin und anderen. Die Sammlung ist öffentlich zugänglich, der Eintritt für Londoner Verhätnisse mit 5 Pfund ein Witz und fotografieren sogar erlaubt!
Jedes Bild hat einen kurzen Text, der seine Besonderheit aufzeigt und es in den Kontext einordnet, und man sieht anhand der Reihenfolge, wie ein Künstler auf dem anderen aufgebaut hat bzw. sie sich gegenseitig beinflusst haben. So steht alles in Bezug zueinander, man kann als Besucher was entdecken, und so macht Kunst Spaß!
Auf dem Weg zur nächsten Gallerie sehe ich den OXO-Tower. Die Firma heisst OXO, und weil Werbeflächen an Häusern schon früh verboten waren, integrierten die findigen Architekten des neuen Firmengebäudes den Firmenschriftzug in die Fassade. Den Beamten im Bauamt fiel das bei der Vorlage der Pläne nicht auf, aber sie müssen sich in den Hintern gebissen haben als sei merkten, was sie da genehmigt hatten.
In der Tate Modern, einen kurzen Spaziergang über die Brücke Millenium Bridge ans andere Themseufer, hatten vor allem die Künstler ihren Spass.
Ich unterstelle ja immer, dass moderne Künstler oft irgendeinen Scheiß fabrizieren, von dem sie genau wissen, dass es hingeschluderter Müll ist, und dann hoffen damit durchzukommen. Die scheißen sich dann heimlich vor Lachen weg, wenn tatsächlich einer den Kram als Kunst begreift. Die Tate Modern ist voll von Sachen, die ich für so eine Verarsche halte. Da stehen zum Beispiel drei Abzugsrohre an einer Wand. Ganz normale Rohre, wie sie in jeder Abluftanlage verbaut sind. Warum ist das Kunst? In einem Raum hängt ein Spiegel an einer Wand:
Der Spiegel ist ein “Werk” mit dem Titel “Bigger Picture” soll Kunst sein, weil man beim Betrachten seiner selbst wiederum von anderen Besuchern angesehen wird und so Teil des Kunstwerks wird. Ach, ich habe dafür keine Ader.
Die Tate Modern residiert in einem alten Kraftwerk, bekommt aber gerade eine Erweiterung.
Vor dem Gebäude quert die Millenium Bridge die Themse und läuft auf St. Pauls zu, die riesige Kirche.
Bei St. Pauls um die Ecke esse ich zu Abend, im “Billingsgate Porter”. Ich nehme Fish&Chips (mit traditionellem Codfish als Fish) und “Viktorianische Limonade”. Als ich die leicht verpeilte Bedienung frage was das wohl sei, antwortet sie mit zuckersüßem Lächeln “Keine Ahnung, ICH trinke sowas doch nicht”. Tatsächlich ist Victorian Lemonade eine Art Zitronenbionade, fermentiert und nicht süß.
Zum Nachtisch gibt es Sticky Toffee Pudding. Das ist gar kein Pudding, sondern ein weicher, heiß servierter Schokokuchen mit Karamellsoße und Vanilleeis. Aber anders als der Rest de Welt, der nur Pudding Pudding nennt, nennen die Engländer ja alles Pudding, was nicht bei drei auf dem Baum ist. “Noch einen Pudding aus Schafsinnereien?” -“Aber gerne, James”
Für heute reicht es denn auch. Nach 11 Stunden und gefühlten 20 Kilometern auf den Beinen ist es Zeit nach Hause zurück zu kehren. Als ich durch die Straßen gehe, die sich seit viktorianischer Zeit kaum verändert haben, ist mir, als müsste jeden Moment Pferdegetrappel zu hören sein und Menschen mit Gehröcken und hohen Zylindern um die Ecke biegen. In manchen Momenten blitzt durch wie alt London ist, und welch schmerzhafte Wiedergeburt es vor 150 Jahren hatte. Die Industrialisierung aht der Stadt ihren Stempel aufgedrückt, und überall lassen sich viktorianische Einflüsse spüren. In manchen Momenten nimmt einen London mit auf eine Zeitreise, und das fühlt sich merkwürdig an.
Reisetagebuch London:
Tips für London
- Teaser
- Reisetagebuch London 2014, (1): Welcome to England
- Reisetagebuch London 2014, (2): Der Reichenbachfall und die Mormonen
- Reisetagebuch London 2014, (3): At World´s End
- Reisetagebuch London 2014, (4): Albertopolis und der kleine Bär
- Reisetagebuch London 2014, (5): Stonehenge
- Reisetagebuch London 2014, (6): Sherlocked
- Reisetagebuch London 2014, (7): Der Weg nach Hause
- London bei Nacht
8 Gedanken zu „Reisetagebuch London 2014 (3): At World´s End“
Ich verpöne Einträge, die mit “Wiesel” verschlagwortet werden, jedoch ohne Wieselfotos auskommen müssen.
Das musste ich erstmal Bild für Bild überprüfen, aber – Ihro Welt hat recht! Nicht ein einziges Wieselbild! *anpranger*
Das Wiesel verlangt mittlerweile Honorar, und da aktuell zwei Serien laufen in denen es vorkommt, konnte ich es mir für London diese Woche leider nicht leisten 🙁
Sie setzen finanziell einfach die falschen Prioritäten!
Arbeiten mit Promis ist nie einfach. Ich habe mir die Gage für die nächste und übernächste Folge aufgespart, da gibt es Wiesel Galore!
Ach, das Wiesel entwickelt Allüren? Naja, was ein echter Promi ist…
Die Moorleiche ist keine, es ist eine Ägyptische Trockenmumie
Hallo Bullenwächter, Danke für die Konkretisierung und sry, dass Dein Kommentar so lange (unbemerkt) in einer Moderationsschleife festhing.