Reisetagebuch London (4): Albertopolis und der kleine Bär

Reisetagebuch London (4): Albertopolis und der kleine Bär

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Im Februar 2014 verirrten sich Silencer und das Wiesel nach London. Eine Woche fuhren sie U-Bahn von A nach B und entdeckten erstaunliche Dinge. Am vierten Tag gibt es gleich mehrere Museen, mehrere Gipfeltreffen und Charles Darwin trifft auf die Krone der Evolution.

Sonntag, 09. Februar 2014, London

Der Wind fegt am Themseufer entlang. Der Himmel ist grau und bedeckt, aber es regnet nicht. Die Stadt leer, an diesem Sonntagmorgen sind wenige Menschen unterwegs, und alles fühlt sich ruhig an und entschleunigt an. Kein Wunder, die Innenstadt von London ist verhältnismäßig wenig bewohnt. Hier wird gearbeitet, und jeden Tag pendeln Millionen Menschen hier her. Jeden Tag bis auf Sonntag, weshalb alles so ruhig ist.

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Die Londoner, die tatsächlich noch in London City wohnen, liegen zum Großteil noch verkatert im Bett herum, nur die Touris, die sind um 09 Uhr schon wach und springen durch die Stadt. Ich gehöre auch zu den Touris, nur dass ich nicht springe. Ich stehe. In einer Schlange.

Die Engländer sind ja Weltmeister im Schlange stehen, denen macht in der Disziplin keiner was vor. Nicht nur, dass sie ganz ruhig und diszipliniert anstehen können, die haben auch das Anstehsystem revolutioniert. Es gibt nur eine Schlange, auch wenn mehrere Kassen geöffnet sind. Der vorderste Wartende geht immer an die Kasse, die gerade frei ist. Und wenn dann an einer Kasse mal eine Omma etwas länger nach Kleingeld kramt, stehen dahinter nicht fünfzehn Leute, die kollektiv seufzen, mit den Augen rollen und auf die Uhr gucken.

Wo das “eine Schlange, viele Kassen”-Prinzip nicht praktiziert wird, sind die Engländer auch erstaunlich diszipliniert. Wird in Deutschland eine weitere Kasse geöffnet, gibt es eine Stampede, in der Leute von hinten nach vorn stürzen. In England gehen selbstverständlich die vorn stehenden auch als erste an die neue Kasse.
Nein, wenn es eine Weltmeisterschaft im Schlangestehen gäbe, die Engländer würden sie gewinnen.

Einsteigen während der Fahrt. Nicht ganz ohne.
Einsteigen während der Fahrt. Nicht ganz ohne.

Leider besteht meine Schlange nicht aus Engländern, sondern aus Italienern, Polen und Deutschen. Trotzdem schaffen wir es irgendwie in eine Gondel des London Eye, des großen Riesenrads am Südufer der Themse, quer gegenüber von Parlament und Big Ben. Man muss nämlich während der Fahrt einsteigen, nur für Leute mit Gehbehinderungen wird das Rad angehalten. Vorher ist natürlich noch ein Sicheheitscheck, und hier kommt es zu einer blutigen Szene. Ein Wachmann sieht das Wiesel in meinem Slingpack, guckt estaunt und lacht dann “Is that real?!” während er dem Wiesel mit dem Zeigefinger ins Auge piekt und gleichzeitig mich durch die Schleuse winkt. Ich wende mich ab und schließe die Augen. Als die Schmerzesschreie verstummt sind öffne ich sie wieder. Der Wachmann wird zukünftig wohl einen anderen Finger zum Nasebohren verwenden müssen, selbst wenn die Ärzte den wieder angenäht bekommen. Das Wiesel findet seinen Weg zurück in den Rucksack, und los gehts.

Bevor es in luftige Höhe geht, guckt man sich in der Bodenstation des Rads übrigens noch ein 3D-Werbefilmchen an, das versucht einem Geburtstagsfeiern in Gondeln zu verhökern und während dessen man an passenden Stellen zur Effektverstärkung eingenebelt, angeblitzt und mit Wasser bespritzt wird. Wegen diesem Mumpitz haben die Marketingmenschen die knapp 5 minütige Show wohl ungeachtet jeglicher Raum-Zeit-Konventionen “The 4D-Experience” genannt. Die kann man sich sparen, hier gilt: Was nix kostet, taugt auch nix. Der Besuch des London Eye kostet dagegen mit rund 25 Pfund (30 Euro in echtem Geld) sehr teuer, lohnt sich aber auch. Der Ausblick ist ziemlich irre, und wenn man damit leben kann für eine halbe Stunde eine Kabine mit “Gugge Mols” und filmenden Asiaten zu verbringen, kann man sich das schon mal geben.

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Das Wiesel findet die Fahrt auch super, was vor allem daran liegt, dass eine deutsche Dame es niedlich findet und zwischen den Ohren krault. das geht exakt so lange gut, bis sie es mit dem Gartenzwerg aus Amélie vergleicht, das mag das Wiesel nämlich gar nicht. Ich wende mich mit Grauen ab…

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Wieder auf dem Boden der Tatsachen angekommen schlendere ich noch ein wenig am Südufer der Themse entlang, vorbei am London Dungeon und dem Aquarium und über die Westminster Brücke. Hier hat man einen tollen Ausblick auf das Parlament und das Riesenrad. Es ist sehr windig, und dem Wiesel flattert sein Schal um die Ohren.

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In Westminster geht es in die U-Bahn. Mal wieder fällt mir auf, wie schlimm tief verwurzelt Überwachung, Angst und Mißtrauen sind. Auf Plakaten wird zur Denunziation aufgerufen.

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Es geht nach South Kensington, zur Museumsmeile von London. Die verdankt die Stadt dem Ehemann von Königin Victoria, Prinz Franz Albrecht August Karl Emanuel von Sachsen-Coburg und Gotha, kurz: Albert. Dem gefiel die Weltaustellung 1851 im angrenzenden Park so gut, dass ein ein Museumsviertel schaffen wollte. Das ist ihm gelungen. London hat über 200 Museen, aber nirgends ist die Dichte und Größe so hoch wie in “Albertopolis“. Hier stehen das Imperial College London, das Natural History Museum, das Royal College of Art, das Royal College of Music, die Royal Geographical Society, das Science Museum, das Victoria and Albert Museum und die berühmte Royal Albert Hall auf einem Haufen herum.

Das Wiesel vor der Royal Albert Hall.
Das Wiesel vor der Royal Albert Hall.

Die Royal Albert Hall ist heute ist das eine der angesagtesten Locations überhaupt, und es ist für Künstler eine Ehre hier zu spielen. Dabei war es früher eine Strafe. Denn so imposant der Bau auch ist, die Akustik war einfach Mist. Erst in den 1960ern gelang es, alles einigermaßen so hinzubekommen, dass man halbwegs zu verstehen ist und nicht alles blechern klingt.

Das Wiesel tut so, als wäre es in der Royal Albert Hall.
Das Wiesel tut so, als wäre es in der Royal Albert Hall.

Hinter der Royal Albert Hall, südlich des Hyde-Parks, liegt das V&A, Victoria and Albert Museum.

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Hier wird ausgestellt. Und zwar alles, was die Briten zusammenklauen konnten. Wo immer die Briten im Laufe ihrer Geschichte hinkamen, haben sie alles mitgehen lassen und rausgetragen, was sich irgendwie bewegen ließ. Und manchmal war selbst das nur ein relatives Kriterium, wie ganze Hausfassenden zeigen.

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Das V&A ist ein imposantes Hier-gibts-alles-Haus, wo von halben Tempeln über Vasen bis hin zu Wandfarben alles ausgestellt wird. So zusammengewürfelt die Ausstellung auch ist, sie funktioniert und ist spannend gemacht. Um jede Ecke gibt es was neues zu entdecken, entlang der Rundwege gibt es Werkstätten und Räume für Kinder, und manchmal wird man sogar in Form eines Quizzes gefordert. So wie hier: Wozu dienten wohl diese Gegenstände?

Auflösung unten.
Auflösung unten.

Die Ausstellung in diesem altehrwürdigen Gebäude kann einen wirklich erschlagen. Um alles in Ruhe anzusehen bräuchte man Tage.

Lesesaal.
Lesesaal.
Sammlung bunter Kirchenfenster, von überall her zusammengeklaut.
Sammlung bunter Kirchenfenster, von überall her zusammengeklaut.
Ein Bartfüßler. Das heisst wirklich so.
Ein Bartfüßler. Das heisst wirklich so.
Silbersammlung.
Silbersammlung.
Musikinstrumentemobile.
Musikinstrumentemobile.

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Porzellan, dass bei einem Brand so zusammengeschmolzen ist.
Porzellan, dass bei einem Brand so zusammengeschmolzen ist.

In Raum 46b stoße ich plötzlich auf eine alte Bekannte: Die Trajanssäule, jenes redefreudige Kunstwerk das seit 2.000 Jahren in Rom steht, und das ich da erst vor einem halben Jahr gesehen habe. Hier steht es auch, allerdings ob seiner Größe zerlegt in zwei Teile. Es handelt sich um einen Abguss aus napoleonischer Zeit. Die Geschichte ist auf ihm wesentlich besser zu erkennen als auf dem Original, an dem die Abgase der letzten Jahrzehnte ihre schmirgelde Wirkung hinterlassen haben.

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Direkt neben dem V&A liegt das naturkundliche und historische Museum. Am Haupteingang stehen lange Schlangen, daher schleiche ich mich über den Nebeneingang in der Cromwell Road hinein.

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Damit habe ich mir nicht wirklich einen Gefallen getan, denn auch im Inneren ist es ungefähr so voll wie in den vatikanischen Museen. Heute ist Sonntag, Museen sind kostenlos, und das Natural- & Historic ist kinderfreundlich – klar, dass jetzt alle Familien Dinosaurierskelette und Bilder von Äffchen bestaunen wollen.

Man fährt übrigens eine Rolltreppe hoch und durch eine riesige Hämorrhoide ins Innere des Museums, oder so ähnlich.

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Mich interessieren zum Glück die Exponate nicht wirklich, die kann ich auch im Landesmuseum Hannover angucken. Ich bin hier im Museum, weil mich die Architektur des viktorianischen Gebäudes interessiert, die Vorlage für so viele andere, großartige Gebäude war. Neben der erhabenen Architektur hat es mir der warme Farbton der Steine besonders angetan.

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Diese heiligen Hallen der Wissenschaft sind beeindruckend. Am Ende der Haupthalle sitzt übrigens Charles Darwin und blickt auf die Krone der Evolution: DAS WIESEL.

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Nach dem NH geht es weiter in die Tate Britain. Das ist die Gallerie, die auf den Sammler Tate zurückgeht und die südlich des Parlamentsgebäudes am Nordufer der Themse liegt.

An einem Kaffeewagen an der Themse: "Der beste Kaffee ist wie der perfekte Mann. Er ist heiß und lässt Dich die ganze Nacht über nicht schlafen.
An einem Kaffeewagen an der Themse: “Der beste Kaffee ist wie der perfekte Mann. Er ist heiß und hält Dich die ganze Nacht wach.”

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Auf dem Weg dahin kommt man am Gebäude des britischen Geheimdienstes vorbei. Hier versieht James Bond Innendienst.

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In der Tate kann man britische Kunst aus 500 Jahren bestaunen, trompet es am Eingang. Die ausgestellten Gemälde sind hübsch, aber nicht spektakultär, zumal die Renaissance in England offensichtlich 300 Jahre später begann… Bilder aus der zeit um 1800 aus england sehen sehr exakt so aus wie solche aus dem Italien des Jahres 1500. Davor war nur Gekrickel, danach… naja, moderne Kunst, halt.

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Um 18.00 Uhr habe ich eine besondere Verabredung. Am Picadilly Square ist D-A-CH -Bloggertreffen! Leider haben wir das Memo nicht bekommen, dass alles vorverlegt wurde, und so stehen Owley und ich dort herum und wundern uns, dass Kalesco nicht auftaucht… die zehn Tage zuvor in London war. Schlechtes Timing, aber trotzdem freuen das Wiesel und ich uns den Owley wiederzusehen und gehen erstmal nach SoHo, um dort in einem Bill´s Sticky Toffee Pudding und Crème Brulée aus Kürbis und Ingwer zu essen.

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Owley ist schon etwas länger in der Stadt und gibt mir wertvolle Tips, was ich noch unbedingt besuchen muss. Nach einem schön verquatschten Abend, der viel zu schnell rumgeht, machen das Wiesel und ich uns auf den Nachhauseweg.

Als wir in Paddington ankommen, machen wir noch einen kleinen Abstecher. Denn der Bahnhof Paddington, dass ist genau der Ort, an dem die Familie Brown 1958 einen kleinen Bären in einem blauen Duffelcoat fand. Um seinen Hals hing ein Schild mit der Aufschrift “Bitte kümmern sie sich um diesen Bären”, und das taten die Browns. Sie nannten ihn Paddington, und seitdem lebt er bei ihnen. Ich mochte Paddington Bär als Kind sehr, besonders die Trickserie von 1975. Darin wird Stop-Motion mit gezeichneten Figuren und gebastelten Hintergründen kombiniert. Das sieht schon allerliebst aus und wurde m.W. danach nie wieder gemacht.

2014-03-16 14_13_15-Paddington Bear - Please Look After This Bear - YouTube

Ich fand aber auch den Charakter des kleinen Bären toll. Anders als der andere berühmte Bär, Winnie The Pooh, der ein grenzdebiler Jammerlappen ist, ist Paddington überaus clever. Er kennt nur viele Dinge nicht, immerhin stammt er aus dem “dunkelsten Peru”, aber er erkundet seine Welt und behauptet sich darin – auch, wenn dabei regelmäßig Katastrophen passieren, am Ende wird seine Neugierde und sein Mut stets belohnt.

Zu Ehren von Paddington Bär gibt es am Bahnhof Paddington eine Bronzefigur. Heute gibt es hier ein historisches Treffen: Paddington Bär und das Wiesel treffen aufeinander!

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Ein Gipfeltreffen der reisenden Tiere!

Herumgelaufe in Lodon: Von Paddington (nordwestlich) zum London Eye (südöstlich), zur Museumsmeile (westlich) und durch Soho (nordöstlich)
Herumgelaufe in Lodon: Von Paddington (nordwestlich) zum London Eye (südöstlich), zur Museumsmeile (westlich) und durch Soho (nordöstlich)

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Auflösung: Von links nach rechts ist zu sehen: Pferdegeschirr, römisches Wasserspiel (Becher mit 6 Öffnungen. Man musste versuchen aus einer zu trinken und möglichst wenig aus den anderen zu verschütten), Oblatenbackeisen, Nußknacker, komischer Stock (habe ich vergessen wozu der war), Essbrett mnit Kuhle zum Dippen, Handtuchhalter, (und nochmal vergessen was das letzte Ding ist)

Reisetagebuch London:
Tips für London

11 Gedanken zu „Reisetagebuch London (4): Albertopolis und der kleine Bär

  1. Ha! Und in der Zwischenzeit war Owley schon wieder da! Paddington hab ich auch gemocht, wenn auch mehr als Lizenzprodukt als als Teil einer Geschichte. Hatte einfach irgendwelche Plüschsachen und Malbücher von dem Bären. An Weihnachten soll ja der Animationsfilm kommen, mal sehen, ob das was wird…

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