Abgrundbeleuchtung (2): Schuhe kaufen
Nicht viel besser als bei der Mauveerkundung läuft es beim Kauf von Schuhen.
Ich will einfach nur robuste Halbschuhe, vorzugsweise mit Klimamembran, in gedeckter Farbe, Größe 41. Kein quietschbunter Bergsteigermist, sondern Schuhe, die für Städtetouren tauglich sind und mit denen ich auch ins Theater gehen kann, die aber auch mal eine Wanderung im Gelände aushalten. Je nach Hersteller sind das dann bessere Sneaker oder was aus dem Hiking- oder Trekkingsegment.
Nachdem ich ein Dutzend Geschäfte in drei Orten abgeklappert hatte, kenne ich das Angebot auf dem Markt besser als die meisten Verkäufer/-innen. Zusammen mit ein wenig Internetrecherche weiß ich bereits, dass für mich nur eines von zwei Modellen eines bestimmten Herstellerin Frage kommen – so schlecht ist die Auswahl gerade. Im Internet bestellen wäre schell und einfach, aber nun, lokale Wirtschaft unterstützen und so, wissen schon. Und Zalando darf man nun schon mal gar nicht unterstützen, großer Konzern, Samwer-Brüder, usw.
Also ab in den größten Schuhladen von Götham City, der laut Website zumindest den Hersteller der Schuhe von Interesse führt.”Guten Tag, ich hätte gerne Mal die Modelle “Xpedtion II” und “Light III” von Ecco gesehen”, spreche ich eine eine lächelnde, mittelalte Dame in mauvefarbenem Kleid* an.
Sie starrt mich groß an, mit eingefrorenem Lächeln. Gut, damit habe ich gerechnet, man kann nicht voraussetzen, dass das Personal alle Modellnamen im Kopf hat.
“Das sind so Trekkinghalbschuhe, von Ecco”, versuchte ich zu erklären.
Jetzt kommt wieder Bewegung in die Mimik der Verkäuferin. Die Mundwinkel sacken gen Fußboden, wodurch sie ein wenig wie ein Merkel aussieht.
“Mit diesen Fantasienamen der Hersteller können wir hier nichts anfangen”, sagt sie spitz, “Für uns sind Schuhe nur unter der Nummer des Systems bekannt”. Sie spricht das System fast ehrfürchtig aus.
“Ja, OK”, sage ich, “Die Nummer in Ihrer Warenwirtschaft kenne ich jetzt nicht, wenn Sie mir einfach zeigen wie die Eccos stehen, ich erkenne die Modelle dann schon”.
“Wenn sie die Nummer kennen würden, würde ihnen das auch nichts nützen. Das ist ja eine andere Nummer als die vom Hersteller”, sagt die Verkäuferin und sieht mich schräg an, “Oder von Karstadt. Es kommen ja oft Leute, die wollen die Nummer von einem Schuh wissen und den dann bei Karstadt kaufen. Dabei hat Karstadt ja ganz andere Nummern.”
“Äh, die Nummer ist mir eigentlich egal, ich will doch nur….”, entgegnete ich ein wenig hilflos, in vollem Gewahr, das unter der explodierten Dauerwelle wohl gerade etwas ausgehakt. Ich blicke mich im Laden um und gehe ein paar Schritte auf eine Präsentationsfläche zu. Die Verkäuferin trippelt mir hinterher.
“Unsere Nummern sind auch anders als die vom Internet, Wenn sie die bei Google eingeben, kommt da nichts”, sagt die Verkäuferin, und fast schwingt sowas wie Stolz in ihrer Stimme mit. “Und unsere Nummern sind anders als von anderen Schuhgeschäften.”
“Ja….” “
Nur innerhalb UNSERES Unternehmens und des Systems sind die Nummern die selben.”
“Aha.”
“Wissen Sie, hier habe ich im System für einen Schuh die gleiche Nummer wie unsere Filiale am Kornmarkt”
“Aha”
Sie legt den Kopf schief und scheit zu überlegen. “Und wie in der Filiale in Hannover. Wo immer sie hingehen in unsere Filialen, immer die gleichen Nummern.”
“Aha”
“Und wie…”
“Ich bin mir sicher das SIE die schönstem Nummern haben”, unterbreche ich diese Monty Pythoneske Vorstellung der Dauerwelle, “Wo sind denn jetzt Herrenschuhe in 41?”.
“Wenn Sie die Nummer haben wollten, kann ich ihnen die geben, aber die wird ihnen halt nichts nützen!”, sagt die Verkäuferin, jetzt leicht wütend wegen meines offensichtlichen Nummernfetischismus, den sie so gar nicht versteht.
Mir reicht es jetzt. Ich drehe den Spieß um und spiele auch ein Zahlenspiel.
“Außer in der Filiale am Kornmarkt”
“Was?”
“Sie sagten, die Nummer nütze mir nichts. Aber in der Filiale am Kornmarkt, da gilt die Nummer auch, weil die auch DAS SYSTEM haben”.
“Ja.”
“Und in der Filiale in Hannover gilt die doch auch?”
“Ja,aber…”
“Ach wissen sie”, sage ich, “Ich habe es mir überlegt. Extra nach Hannover fahren ist mir jetzt zu anstrengend. Schönen Tag noch.”
Wir schütteln beide den Kopf und gehen in unterschiedliche Richtungen davon. Im Rausgehen sehe ich, wie Ware geliefert wird. Darunter mehrere große Kartons von…. ZALANDO!
Oh. Mein. Gott.
Der deutsche Einzelhandel. Steigert jetzt sogar den Umsatz der erklärten Konkurrenz, gegen die sie sich eigentlich durch Service, Fachberatung und Präsenz zur Wehr setzen müssten.
Abgrundbeleuchtung (1): Mauve
Abgrundbeleuchtung (2): Schuhe Kaufen I
Abgrundbeleuchtung (3): Schuhe kaufen II
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* Zumindest war es wage Violett. Mit einem Schuß Curry abgesetzt. Hey, wenn man Fremdworte schon kennt, muss man se auch benutzen.
7 Gedanken zu „Abgrundbeleuchtung (2): Schuhe kaufen“
Tja. Zur Sache: stand am Samstag vor exakt demselben Problem. Bin dann bei diesen hier gelandet: http://www.bergfreunde.de/scarpa-mojito-hikingschuhe/
1) Ja, es ist “quitschbunter Bergsteigermist”. Da es allerdings 24 Farbvariationen gibt ist die Chance groß doch etwas Gedecktes zu finden. Ich mag aber mein Wiesengrün.
2) Der Schuh wird seit zig Jahren gebaut, das flößt mir immer schon mal Vertrauen ein. Erhält – egal auf welchem Portal – immer Höchstbewertungen von einer Masse Leute.
3) Die weite Schnürung bis weit nach vorn ist etwas bizarr – erinnert an Bowlingschuhe. Hat aber den großen Vorteil, dass man dadurch die Passform auch an problematische Fußformen gut anpassen kann.
4) Gute Vibram Sohle, jedoch für normales Stadtlaufen noch angenehm weich. Führt dann zu Problemen im Hochgebirge, aber wann ist man da schon.
5) Das Leder passt sich – wie immer bei Scarpa – sehr gut der Fußform an, die “brennen” also gut ein.
6) Da das ein echter Mainstream-Schuh ist bekommt man regelmäßig Schnäppchen-Angebote im Internet und kann mal locker 50 € sparen.
btw großartiger Text.
Danke für die Empfehlung! Von quietschbuntem Bergsteigermist sind die weit entfernt, ich meinte damit eher die klobigen Viecher in Neonfarben, die gerade überall in den Auslagen stehen. Mit dunklen Senkeln und in Schwarz würde ich die Mojito durchaus anziehen, lediglich die Wasserfestigkeit wäre zu prüfen.
ich schau mich grundsätzlich erst mal allein im Laden um. Als ehemalige Fachverkäuferin ist man das gewohnt. Ich möchte mir ein eigenes Bild vom Angebot machen. Und auch verschiedenes von allein anprobieren, sollte meine Größe nicht da sein, ist es immer noch früh genug eine Verkäuferin anzusprechen. Wenn sofort eine auf dich zugeschossen kommt kannst du davon ausgehen das die Provision bekommen, Die sind dann wie Kletten. Ich habe auf einer solchen Basis ungern gearbeitet, weil ich weiß wie sich Kollegen dann verändern. Hyänen, ist noch ein harmloser Ausdruck dafür. Mich hättest du in meinem Fachbereich nicht so erlebt wie diese 2 Beispiele die du heute so angebracht hast.
Herr Silencer, Sie denken zu kompliziert. Die Sache ist doch ganz einfach.
1)Die Schuhe und das Hemd bei google eingeben.
2) Vom jeweils x-ten Treffer (X bitte durch Ihre Lieblingszahl ersetzen) die Postleitzahl aus dem Impressum und die Hausnummer notieren)
3) Die Postleitzahlen addieren und die Summe mit der Lieblingszahl multiplizieren.
4) Das Ergebnis bei Google eingeben.
5) Der x-te Treffer (x ist wieder die Lieblingszahl, diesmal vermindert um die Quersumme der beiden weiter oben addierten Hausnummern) ist die Adresse des Schuhgeschäftes in Götham. Allerdings nur, wenn vorher von X die Quadratwurzel Ihres Geburtstages abgezogen wurde.
In diesem Geschäft gibt es die gewünschten Schuhe in der Farbe Mauve in Größe 49.
6) Dem vor der Tür sitzenden Herrn mit zerschlissener Kleidung genau den Betrag in € in der gewünschten Schuhgröße zustecken.
7) Besagter Herr drückt Ihnen einen Zettel mit der Anschrift eines Schaumstoffzuschneidegeschäftes in die Hand, um die zu großen Schuhe auszufüllen.
Das Leben kann so einfach sein.
Herbert Plusch fragen, wohlbehagen.
Aber niemand leidet so schön wie Sie!
BTW: Sie haben nicht den Nummernfetischismus, sondern die Nummerignoranz. Der fetischismus liegt ganz offenkundig auf seiten der “Fachkraft” 😉
Entschuldigung, aber ab “spreche ich eine eine lächelnde, mittelalte Dame in mauvefarbenem Kleid* an” hat meine Aufmerksamkeit für den Rest des Textes unter gelegentlichem unkontrollierten Prusten gelitten.
Vermutlich ist das, was der Herr Plusch (Waren Sie nicht der mit dem tollen Kugelschreiber?) vorschlägt, tatsächlich einfacher als im Einzelhandel einzukaufen.
Leandrah: Wen ich wenig Zeit um Gucken habe, dann frage ich gerne direkt die Fachverkäuferin.
Herr Plusch: Alle Magie dieser Welt liegt in den Zahlen, nicht wahr? 😉
WdW: Das war ja das geile: Die hat ja allen Ernstes im Verlauf der Diskussion so umgeschwenkt, dass Sie dachte ich wäre nur scharf auf ihre Nummer, nicht auf Schuhe.
Katja: Ja, vermutlich. Wenn ich mir das so angucke würde ich sagen: Die wollen nicht mehr, erlöst sie von ihrem Elend.