TOAZ: Literaturherbst mit der Titanic Boygroup

TOAZ: Literaturherbst mit der Titanic Boygroup

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Thomas Gsella, Oliver Maria Schmitt und Martin Sonnenborn sind ehemalige Chefredakteure des Satiremagzins Titanic. Zusammen sind sie die Titanic-Boygroup und gehen als diese seit ein paar Jahren auf Lesetour. Das diesjährige Gastspiel beim Literaturherbst war angekündigt mit “Abschiedstournee”, und nach dem ich sie all die Jahre ignoriert hatte, nahm ich nun die letzte Gelegenheit wahr, die Herren live zu sehen.

“Wir zeigen hier übrigens NICHT den Film. Wer gekommen ist um den Film “Titanic” zu sehen ist hier falsch!”

Wie es sich für die Chefs a.D. des “endgültigen Satiremagazins” (Titanic über Titanic) gehört, geschah die Lesung im prunkvollen Deutschen Theater in Göttingen.

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Um 21.00 Uhr, als die Lesung eigentlich beginnen sollte, waren die Türen noch verschlossen. Die Schlange der Wartenden war mehrere hundert Meter lang. Aber als es dann aber endlich losging, rockten die drei die Bühne.

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Oliver Maria Schmitt ließ die schönsten Titelblätter aus dreieinhalb Jahrzehnten Titanic Revue passieren, darunter solche Klassiker wie “Zonengabi: Meine erste Banane” oder “Wiedervereinigung ungültig: Kohl war gedopt”. Er zeigte auch die Titel, für die die Titanic verklagt wurde – immer wieder übrigens von der SPD, u.a. für ein Bild von Volker Beck als Problembär.

“Liebe Frau Rammelt, könnten Sie bitte eine Autorengemeinschaft mit Gisela von Hinten eingehen? Zu gerne würde wir auf einem Buchcover lesen: Rita Rammelt Gisela von Hinten”

Dann wurden “Briefe an die Leser” verlesen, ebenfalls beginnend mit Klassikern – die aber zum Teil so abgehangen waren, das sie nicht mehr zündeten (s.o.)

Thomas Gsella, angekündigt als Alterspräsident, verlas Weisheiten von Fußballreportern, die man auf Alltagssituationen münzen kann. Komplett unlustig, wurde dann zum Glück auch von einer Raucherpause unterbrochen.

“Wer hat mich hier gewählt?”

Interessanter war da schon Martin Sonneborns Tätigkeit für das ZDF, aus dem er Auszugsweise berichtetet und zu dem auch Filme gezeigt wurden – z.B. wie Sonneborn an Berliner Häusern klingelt und behauptet, das Wohnzimmer für Google Homeview fotografieren zu müssen. Oder ein Interview mit der Deutschen Bank, bei dem die Bank Fragen und Antworten vorab geschickt hatte:

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Spannend war Sonneborns nüchterne Darstellung der Gründung DER PARTEI, die durch den Wegfall von Hürden im Lübecker Stadtrat sitzt (“Wahlversprechen: Eine U-Bahn für Lübeck und das Lübeck Hauptstadt von Schleswig-Holstein wird”). Große Lacher gab es bei Bildern aus dem Europawahlkampf, bei dem DIE PARTEI die Wahlplakate anderer Parteien geschickt und spaßig sabotierte. Einige der eigenen Wahlplakate musste sie entfernen (“Merkel ist doof – Wählen Sie DIE PARTEI, die ist sehr gut”), andere durften hängenbleiben (“Merkel ist dick”). Ärger gab es ebenfalls bei Werbespots: Der Spot zur Familienplanung etwa wurde von Youtube wegen zu viel Sex gelöscht. Dann habe man ihn halt auf Youporn hochgeladen. “Wir hatten erst Angst, dass er da wegen zu viel Politik gelöscht wird. Aber er ist noch da”, so Sonneborn.

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Zu seiner eigenen Überraschung ist Sonneborn ins Europaparlament eingezogen. Ein Bild zeigt ihn mit einem “DIE PARTEI”-Handtuch im Plenarsaal. “Ich war ganz früh am Morgen da, noch vor den Briten, und habe mir einen guten Platz gesichert”, sagt Sonneborn stolz. Und weiter:

“Ich habe drei Ziele für Europa:
1. Der Amazon-freie Mittwoch. Einfach um die zu ärgern.
2. Die Wiedereinführung der Gurkenkrümmungsverordnung und deren Anwendung auf deutsche Waffenexporte. Jeder Gewehrlauf soll nach Norm gekrümmt sein.
3. Die Schaffung eines Kerneuropas mit 27 Satellitenstaaten. Engländern und Schweizern verstehen sofort, wie das funktionieren soll.”

Martin Sonneborn leistet aber auch echte Arbeit, etwa bei der Befragung der designierten Kommissare der neuen Kommission. Günther Oettinger fragt er etwa danach, wie er verhindern will, dass das Internet dessen Versuch, mittelalterliche Inkunabeln zu verhökern, vergisst – und was das überhaupt sei.

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Im Anschluss berichtete Oliver Maria Schmitt von seine Facebook-Freund Kai Diekmann und fantasierte darüber, was wohl bei einem Abendessen zwischen dem und dem Ehepaar Kohl passiert sei, bevor Thomas Gsella noch ein wenig Gedichte vortragen durfte.

“Es ist der Traum jedes Göttingers, ein Mal nach Berlin zu kommen. Und dann da zu bleiben.”

Nach einer kleinen Zugabe wurde der Abend geschlossen – die Boygroup blieb aber noch ein wenig, um “Dinge in Bücher reinzuschreiben. Unsere Namen. Oder auch ihren Namen, wenn sie den mal geschrieben sehen wollen”, wie Schmitt sagte. “Und danach reißen wir uns die Kleider vom Leib, bilden einen Polonäsewurm und ziehen tanzend mit ihnen durch die Gassen der Spaßmetropole Göttingen.”

Da musste ich dann doch passen, tanzen ist nicht so meins. Auch wenn nicht jeder Gag zündete: Lustig war der Abend aber allemal – und das dies wirklich die “Abschiedstour” der Titanic Boygroup war, glaube ich nicht. Es war allerdings die letzte Veranstaltung des Literaturherbsts. Für dieses Jahr.

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