Motorradreise 2014 (14): Happy Birthday, Niccolò!

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Im Juni 2014 war Silencer auf Motorradtour durch Europa. 24 Tage, 7.187 Kilometer, durch sechs ein Viertel Länder. Am 15. Tag geht es auf die Suche nach Pinocchios Papa, es wird Weineis probiert und sagenhafte Schätze angeschaut.

Samstag, 21. Juni 2014, Siena, Toskana

Der 21. Juni ist nicht nur der längste Tag des Jahres, sondern auch der Todestag von Niccolò Macchiavelli – was liegt da näher als nach Florenz zu fahren und sein Grab in der Kirche Santa Croce zu besuchen? Das Wiesel hat keinen Bock mitzukommen. Es versteckt sich vor der Wärme im Schrank und macht ein Nickerchen.

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Gesagt, tun getan. Nachdem Stefano mir stolz präsentiert hat, was sein „Deluxefrühstück 2014“ alles kann (findet im freien unter einer Weinlaube statt, enthält jetzt Unmengen an Kuchen und dreimal soviel Kalorien wie vorher) schwinge ich mich auf die Renaissance und fahre über die Schnellstraße durchs Chianti. Eine Stunde und 75 Kilometer nördlich von Siena liegt Florenz.

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Am Torre Niccolò, direkt am Südufer des Arno, findet sich ein Parkplatz für Motorräder. In 15 Minuten ist man von hier zu Fuß in der Innenstadt. Sicher gäbe es auch Parkplätze die näher dran sind, aber dieser ist immer frei, sicher und mit viel Platz ausgestattet.

Ich schließe die schwere Jack im Topcase ein und hänge mir den Helm um den Arm, dann steige ich den Berg hinauf bis zur Piazza Michelangelo. Von hier hat man den besten Ausblick über Florenz, aber ich verweile hier nicht lange, sondern gehe ein Stück weiter die Straße entlang und klettere dann weiter den Berg hinauf.

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Hier befindet sich eine sehr bekannte und doch versteckte Kirche: San Miniato. Stolz blickt sie über ganz Florenz.

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Auf dem Friedhof vor der Kirche liegen die wichtigen Leute der Stadt, die es sich aber, anders als die Pazzi oder die Medici, nicht leisten konnten, sich eigene Kirchen zu bauen. Hier soll auch Carlo Collodi liegen, aber den finde ich nicht – obwohl ich nach seinem Geburtstnamen „Lorenzini“ Ausschau halte.

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Neben dem Dom steigt eine Rauchsäule auf. Brennt der etwa?

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In Santo Spirito, dem Stadteil westlich des Arno, suche ich nach dem Biomarkt, der dort an jedem dritten Samstag im Monat stattfinden soll. Tut er aber schon wieder nicht. Verdammt, gibt es doch wieder kein superscharfes Chillipesto vom Biobauern aus Poppi.

Dann halt zu Signum, meinem Lieblingspapierladen. Wie immer nehme ich mir vor nichts zu kaufen. Wie immer haben sie genau die historische Karte der Stadt da, in die ich im Herbst reisen werde. Ich weiß nicht wie Signum das macht: Egal ob ich in einigen Monaten nach Venedig, Rom oder London wollte: Stets hatte Signum die passende Karte da. Nie danach und auch nie davor, aber wenn ich sie brauchen konnte, dann gab es sie. Also muss ich die historische Kate von Paris jetzt kaufen.

Für eine Transportrolle ist nicht genug Platz in den Motorradkoffern, aber zum Glück ist die Karte eh gefaltet, weil sie als Geschenkpapier vertrieben werden. Wasn Quatsch. Zuhause werde ich die Knickfalten rausbügeln und mich an der schönen Reproduktion erfreuen, wenn sie an meiner Wand hängen.

Igitt wie hässlich: Die Taufkirche vor dem Dom ist eingerüstet.

Igitt wie hässlich: Die Taufkirche vor dem Dom ist eingerüstet.

Danach geht es einmal über die Straße zu Signore Evangelistis Krawattenladen. Wie immer kann ich ich mich nicht für eine Krawatte entscheiden, weil ich gleich mehre schön finde. Am Ende kaufe ich gleich vier der teuren Langbinder. Denen kann ich hier einfach nie wiederstehen, zu schön sind das Muster, das Material und die Farben.

Würde ich Huhu nie antun: Bei diesem Wetter lässt man keine Pinguine im Auto, die schmelzen doch!

Würde ich Huhu nie antun: Bei diesem Wetter lässt man keine Pinguine im Auto, die schmelzen doch!

Nach diesem Einkaufskoller gibt es noch kulinarisches unfinished Business. Bei Edoardos am Dom probiere ich ENDLICH das von Nerys so gelobte Chiantisorbet. Eis mit Ciantigeschmack, das ist schon was Besonderes und gibt es nur hier, aber die letzten Male, als ich in Florenz war, hatte der Laden entweder schon zu oder noch nicht geöffnet. Das Sorbet ist nicht wirklich mein Fall, aber interessant ist der Geschmack auf alle Fälle.

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Dann folge ich Katjas Empfehlung und esse bei „Le due Fratellini“, den zwei Brüderchen, ein knuspriges Panino mit Schafskäse und scharfer Salami (Nummer 27 auf der Liste).

Lange Schlange vor kleinem Laden. Weil die so gut sind.

Lange Schlange vor kleinem Laden. Weil die so gut sind.

Hier liegt der Laden der Brüder: „I due Fratellini“ ist in der Via dei Cimatori, 38r

Beides ist sehr, sehr gut. Der Laden der „Brüderchen“ ist übrigens winzig, die beiden arbeiten auf gerade mal zwei Quadratmetern, die sie nur durch eine Klappe im Boden betreten können. Trotzdem enthält der kleine Laden eine Paninothek UND eine Bar.

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Nach der Stillung der Primärgelüste habe ich nun noch eine Verabredung mit der Kultur. Das hier ist zwar mein sechster Besuch in den letzten 3 Jahren in Florenz, aber die Stadt ist so ungeheuer reich an Schätzen, dass ich den Großteil immer noch nicht gesehen habe.

Palazzo Pitti

Palazzo Pitti

Der Palazzi Pitti beherbergt heute das Museum für Schätze (Musei Argentheri), das Kostümmuseum, das Porzellanmuseum, die Medicizimmer, das Museum für Moderne Kunst, die Gärten des Boboli und die Gärten des Dingsbums. Meine Internetreservierung lässt mich die mäßig lange Warteschlange überspringen, und so bin ich sehr schnell im Museum der Schätze.

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Was es da nicht alles zu entdecken gibt! Ich hatte sowas mit Landesmuseumscharme erwartet, Goldmünzen und so, aber das was DORT ausgestellt wird, sind Schätze, wie ich sie noch nie zuvor gesehen habe. Edle Schnitzereien, Geschmeide, Kunstwerke,…

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Elfenbeinschnitzerei. Keine Ahnung wie man sowas hinbekommt.

Elfenbeinschnitzerei. Keine Ahnung wie man sowas hinbekommt.

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Reliquienaufbewahrungsbehältnis.

Reliquienaufbewahrungsbehältnis.

Silbersammlung

Silbersammlung

DERP

DERP

Hey, passen sie auf  wohin sie mit dem spitzen Ding zeigen, wir wollen doch niemandem ein Auge ausstechen!

Hey, passen sie auf wohin sie mit dem spitzen Ding zeigen, wir wollen doch niemandem ein Auge ausstechen!

Die Kostümgalerie ist dagegen ernüchternd. Frauenkleider aus dem 20. Jahrhundert, für mich nicht so spannend.

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Die Boboligärten sind gigantisch große Prachtgärten nach italienischem Stil,angelegt im 16. Jahrhundert. Sie landen zum Flanieren ein, sind aber skurrilerweise sehr steil in den Berg gebaut. Am Fuß der Gärten gibt es eine künstliche Grotte mit einem See und skurrilen… Wassergartenzwergen.

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– wir haben schon wieder fast 35 Grad im Schatten (den es hier aber nicht gibt) und ich laufe in der schwarzen und dicken Motorradhose und den schweren Stiefeln durch die Gegend. Zeitweise läuft mir der Schweiß so in die Augen, dass ich nichts mehr sehen kann. Trotzdem kämpfe ich mich weiter, den ich möchte die Belvedere-Festung weiter oben am Berg sehen.

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Das war quasi die schwer befestigte Sommerresidenz der Medici, hoch über der Stadt. Die Medici fanden Demokratie voll gut, so lange die alles so machte, wie sie es wollten. Um sich dessen sicher zu sein, behielten sie sie gut im Auge. Ein zentraler, öffentlicher Rat unter der Loggia auf der Piazza dei Signori? Super Sache, da bauten sich die Medici doch gleich mal einen Balkon oben auf die Loggia, um genau im Auge zu behalten, was die Demokratie da unten so machte. Demokratische Stadt? Super, da bauten die Medici doch gleich mal die Belvedere-Festung auf den Hausberg, mit Kanonen, die auf das Stadtzentrum zeigten. Nur für den Fall der Fälle, wissen schon.

Belvedere in Florenz. Hier hat Kim Kardashian geheiratet. (Wieso weiß ich sowas?!)

Belvedere in Florenz. Hier hat Kim Kardashian geheiratet. (Wieso weiß ich sowas?!)

Leider ist die Festung schon wieder geschlossen. Irgendwie fallen von den Mauern alle Nase lang amerikanische Touristen runter, weshalb die Festung meistens zu ist. Zu besonderen Anlässen macht man sie wieder zugänglich, lässt das dann probeweise mal so, und wenn der nächste doofe Touri abgestürzt ist, macht man sie wieder zu. Schade.

Aufgang zur Festung. Weiter komme ich hier nicht, alles ist mit Gittern abgesperrt.

Aufgang zur Festung. Weiter komme ich hier nicht, alles ist mit Gittern abgesperrt.

Etwas unterhalb ist das Porzellanmuseum, dort gibt es, nunja, Prozellan zu sehen.

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Mittlerweile bin ich seit 6 Stunden in Florenz unterwegs und habe in der Zeit fast 20 Kilometer zurückgelegt, in Klamotten, die dafür definitiv nicht gemacht sind. Es reicht für heute. Machiavellis Grab kenne ich auch schon, da muss ich heute nicht mehr hin. Ich trabe zurück zum Motorrad, saufe dessen Wasservorräte leer und fahre dann noch einmal nach Greve in Chianti, um noch einen von diesen genialen Korkenöffnen zu kaufen.

Dann geht es durch die bergige Ecke des Chiantis zurück nach Siena, eine tolle und kurvenreiche Tour mit teilweise großartigen Aussichten auf die Toskana herab. Das gefällt mir an ihr so: Zu allen Seiten sieht man Berge, was harmonisch und geschlossen wirkt. Ist man auf den Bergen, ist die Aussicht… unglaublich.

In Siena suche ich „meine“ Spaghetteria heim. Statt schlechter Pasta nehme ich heute mal Pizza, die sich auch als schlecht herausstellt. Billigster Kram, sparsamst belegt. Warum ich immer wieder hier esse? Weil ich hier IMMER der einzige Gast bin und sofort bedient werde. Der Wirt ist grummelig und macht keinen Smalltalk. Und das Essen ist günstig, ohne das erwartet wird, dass man sich durch X Gänge frisst.

In Siena rotiert die jugendliche Bevölkerung durch den Giro, das abendliche, aufgedonnerte Schaulaufen, bei dem es darum geht gesehen zu werden, alle anderen aber wie Luft zu behandeln. Nach dem anstrengenden Tag bin ich aber selbst zum Eisessen zu müde. Zurück im Casa Brescia dusche ich ausgiebig, dann gibt es ein wenig Tagebuch, dann Bett.

Randnotiz: Astronomisch gesehen war das heute der „längste Tag des Jahres“, und er ist hier um 21.30 Uhr vorbei.

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Die ganze Reise:

Kategorien: Motorrad, Reisen, Wiesel | 2 Kommentare

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2 Gedanken zu „Motorradreise 2014 (14): Happy Birthday, Niccolò!

  1. Eine herrliche Schreibe hast du da und erzählst Details, die von einer seriösen Auseinandersetzung mit deinen Reisezielen zeugen. Danke fürs Teilhaben lassen!

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  2. Danke, über solch ein Lob von einem Reisefan freue ich mich sehr!

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