Renaissance 2015
Mein Motorrad, die Renaissance. Eine Kawasaki ZZR 600. Tourentaugliche Supersportlerin, 98 PS, 240 km/h Spitze, Baujahr 2003.
30.000 Kilometer habe ich in den vergangenen dreineinhalb Jahren auf der “kleinen” 600er zurückgelegt, was der Kawahändler, der schon lange kaum noch Maschinen unter 1.000 Kubikzentimeter Hubraum verkauft, kaum glauben konnte. Gerade ist die Maschine frisch aus der Werkstatt zurück. Ventile eingestellt, neue Zündkerzen, Ölwechsel, Bremsflüssigkeitswechsel, jede Schraube nachgezogen, jeder Bowdenzug geschmiert, Bremsen gereinigt und neue Reifen. Jetzt kann es wieder auf die große Reise gehen!
Auch in der 2015er Version fährt die Renaissance mit einigen Modifikationen, die das Leben bequemer und einfacher machen oder die ich auf langen Touren gerne dabeihaben möchte.
Allzu viel gab es nicht mehr zu verbessern, die Maschine und die Austattung hat sich in den letzten Jahren mehr als bewährt. Über den Winter wurden nun lediglich ein paar Teile vorsorglich ausgetauscht, bevor sie zu einem unpassenden Zeitpunkt den Geist aufgeben.
So haben alle Geräte, vom GPS-Tracker über den WLAN-Accesspoint bis hin zum Helm, neue Akkus bekommen.
Der Helm hat bei der Gelegenheit auch ein neues Visier, ein neues Pinlock und einen neuen Windabweiser bekommen. Der hat wieder einen Reflektor, der diesen Namen auch verdient.
Ganz neu ist das Navigationsgerät. Das alte TomTom hat zwar tadellos funktioniert, aber ich hätte schon wieder für hundert Euro Kartenupdates kaufen müssen, und es war abzusehen, dass auf der anstehenden Fahrt wieder mal die Halterung kaputt gehen würde – und die bekommt man nur noch zu Mondpreisen nachgekauft.
Statt dem TomTom Urban Rider nun also ein Garmin ZUMO 590LM. Das ist gewöhnungsbedürftig anders, aber es ist stabil, groß, auch bei Sonnenlicht gut ablesbar und hat etwas, was mir das Leben wieder leichter machen wird: Ein Reifendruckkontrollsystem. Im letzten Jahr bin ich die ersten Tage der Europareise fast irre geworden, weil ich nicht messen konnte, mit was für einem Luftdruck ich unterwegs bin. Nun sind die Reifen drahtlos mit dem Navi vernetzt, und der Bildschirm im Cockpit zeigt den Reifendruck an und warnt bei Unregelmäßigkeiten.
Leicht erhöht hat sich die Computerkapazität. Im linken Koffer steckt jetzt ein Asus X205-Netbook. Das basiert auf Tablettechnologie, hat keine beweglichen Teile und dafür unglaubliche 9 Stunden Akkulaufzeit. Eine kleine 2TB-Festplatte kommt zusätzlich mit, darauf werden Backups der Aufzeichnungssysteme abgelegt. Außerdem ist da die Bordvideothek drauf, für verregnete Tage. Die lässt sich über den Accesspoint, der gleichzeitig auch ein Miniserver ist, sogar streamen.
Im Einzelnen:
1. Navigationsgerät und RDKS
– Das Garmin ZUMO 590LM ist bestückt mit den neuesten Karten für Zentraleuropa und sitzt auf einer neuen Halterung. Deren Kabelstrang musste ganz neu verlegt werden, weil er irre wuchtig ist. Das ZUMO ist nicht nur Navi, sondern quasi der Zentralcomputer des Motorrads. Es kommuniziert per Bluetooth mit den Sensoren an den Reifen um den Luftdruck zu überwachen, nimmt Anweisungen vom Helm entgegen und holt sich per Smartphone-Link Verkehrs- und Wetterdaten. Dieser HighTech-Gammel bringt natürlich wieder ganz eigene Probleme mit sich, bei den ersten Gehversuchen lutschte die Datenverbindung auf 500 Kilometer Fahrtstrecke ein Monatsvolumen an Daten weg, um Außentemperatur, Wetter(!) und Staus anzeigen zu können, und nach einer Woche Standzeit sprang die ZZR nicht mehr an, weil die fest verbaute Halterung die Batterie leergesaugt hatte. Ein paar Einstellungen und Kabelarbeiten später tut der neue Computerkern aber seinen Dienst.
Der Bildschirm des ZUMO ist größer als beim TomTom Urban Rider, und dank einer ordentlichen Beleuchtung auch in hellem Sonnenlicht gut ablesbar. Durch die geringere Bauhöhe nimmt es aber nicht mehr Platz weg.
Die Bedienung des ZUMO ist einen Tuck fummeliger als beim TomTom. Beim Urban Rider reichte zwei Mal drücken irgendwo auf dem Bildschirm, und schon war die nächste Tankstelle programmiert. Beim Garmin muss man sich dafür durch Untermenüs hangeln, die mit Handschuhen nur schwer navigierbar sind. Ebenfalls beim alten Gerät besser gelöst: Das TomTom konnte 4-6 Stunden ohne externe Stromversorgung operieren. Das ZUMO funktioniert bei Stromausfall der Halterung gerade mal eine Stunde. Und: Das TomTom gab differenzierte, akustische Warnmeldungen aus. Auch wenn die in Muhen, Kuckucksrufen und Ding-Dongen bestanden, wusste ich, was es mir sagen wollte. (“Du fährst zu schnell”, “Timmi ist in den Brunnen gefallen”). Das Garmin meldet ALLES, egal ob Sehenswürdigkeit am Wegesrand oder massive Verkehrsbehinderungen, nur mit dem gleichen, leisen Gongton und zeigt dann eine fuzzelige Textmeldung, die man in 9 von 10 Fällen nicht lesen kann. Ich bin mal gespannt, wie sich das ZUMO auf der nächsten Reise so schlägt.
Die Reifensensoren, die den Luftdruck messen, sitzen in 10 Gramm leichten und trotzdem wuchtig aussehenden Ventilkappen. Dafür wurden extra Metallventile in die Felgen eingebaut und die Reifen mit den Kappen drauf gewuchtet. Normale Gummiventile würden kaputtreissen.
2. Heizgriffe
– Schwachbrüstig im Vergleich zu heutigen BMW-Heizungen (die einem die Finger durch die Handschuhe verbrennen), schützt aber dennoch vor Erfrierungen.
3. Thermometer
– Nicht schön, aber wasserdicht und mit Hitze- und Fahrtwindschutz aus Styropor.
4. Motorprotektoren
– Aus Carbon mit Metall-Inlays, schützen die empfindlichen Seitendeckel (die bei diesem Motorrad schon mal platzen können wenn die Maschine nur umfällt).
5. Custom Sitzbank mit Gelsitzfläche
– Speziell für mich angefertig bei der Sattlerei Schmidt-Design in Hameln. Darin: alle wichtigen Papiere in Kopie, Ersatzkreditkarte, Unfallbericht, Bargeldreserven.
6. Kofferhalterung mit Gepäckbrücke
– Bestückt mit Givi 45 Koffern und einem selbstgebauten, umlaufenden Passivlichtsystem. Givis sind unzerstörbare Klassiker und werden in der Form seit 30 Jahren gebaut. Im rechten Koffer befindet sich ein kleines Ersatzteilager, inkl. aller Bowdenzüge, Fußrasten, einem Lichtmaschinenregler sowie Kupplungs- sowie Bremshebel. Alles Teile, die bei einem Sturz gerne mal kaputt gehen.
Im linken Koffer steckt ein Netbook und eine 2 Terabyte-Platte, die die Aufzeichnungen der Bordkamera speichert.
7. Crashpads
– GTM-Crashpads mit zusätzlichen Aufschlagkappen, schützen den Motor.
8. Kamerahalterungen
– Für eine Rollei 5S HD-Kamera, einen GoPro-Klon.
9. Scottoiler
– Automatisches Kettenschmiersystem
10. Zusätzliche Anschlüsse
– verborgen in den Luftauslässen an den Seiten. Auf der Linken Seite ist ein Ladeanschluss verborgen, rechts liegen Leitungen zum Navigationsgerät. Dazu gehört sowas unnützes wie Audio-In, Audio-Out, USB und Mic-In. Braucht kein Mensch (solange die Bluetooth-Verbindung zum Helm funktioniert).
11. Tourenreifen
– Pirelli Angel GT
12. Zündunterbrecher (2014)
– Schaltet die gesamte Elektrik ab. Ein kleines Quentchen mehr an Beruhigung, wenn die Maschine nachts in zwielichtigen Hafengegenden steht.
13. Verbandskasten
– Erweitert um den, in Frankreich nötigen, Alkoholtester.
14. Bordwerkzeug
– enthält Maul- und Imbusschlüsselsätze und das Bordwerkzeug
(allerdings ausgetauscht gegen vernünftige Versionen)
15. Zweite Bordtasche
Enthält:
– Reifenpannenset
– Ersatzsicherungen
– Ölnachschub für den Scottoiler
– Pressluft
– Ersatzschlüsselset
– Ersatzdüsen für den Scottoiler
16. Givi-Topcase
Enthält:
– Wasser in zwei 1-Liter Flaschen
– Warnweste
– WiFi-Accesspoint
– GPS
– Kleinkram, Besteck und Becher
– Leuchtsignal
– Bremsscheibenschloss
17. Seitenfach
enthält
– Warndreieck
– Ankerplatte zum Parken auf Schotter
– Gashilfe
So. Das Motorrad wäre dann soweit. Ich brauche noch einen Moment.
7 Gedanken zu „Renaissance 2015“
Und ich habe doch glatt Bordvinothek gelesen 😀
Hast du schon mal gewogen, was du an Zuladung mitführst “ohne etwas eingepackt zu haben” ?
Immerhin bei einem (einem!) Teil kann ich mit sprechen: Gehörschutz. Bei mir für die Musique. Absolut DAFÜR!
OT: Huhu, Huhu, Huhu *vorfreu*
Rufus: Freud´scher Verleser 🙂
Ursus: Das ist mal eine interessante Frage. Am schwersten sind die Koffer und der Kofferträger, das sind zusammen 15 Kg. Das Paket mit den Ersatzteilen und das diverse Werkzeug kommen zusammen auf 5,5 Kilo. Das Ganze sonstige Schnickedöns ist sehr leicht und kommt in Summe auf ca. 5 Kilo. Zusammen fahre ich also ca. 25 Kilo mehr herum als die Maschine ohne Tourenaustattung auf die Waage bringt.
WdW: Ja, bei Musik ist Hörschutz auch echt sinnvoll! Huhu? Hmmm. Ich will ja niemanden enttäuschen, aber…
Krass…. vor allem die ganze Technik. Da bin ich auf meinen Touren ja geradezu steinzeitlich. Kompass und Karte (nicht mal die gibt es beim nächsten Ziel) statt Navi, Schlafsack und Zelt statt Hotel (ok, der Schlafsack ist Hightech: mit teflonverstärkten Daunenfedern… kein Witz 😛 ). Einzig die Fotoausrüstung- früher hätte man ne Staffelei mitgenommen.
Technik bügelt nur die eigenen Unzulänglichkeiten aus, ich bin zu doof und zu bequem für Karte und Kompass. Teflonverstärkte Daunenfedern? WTF ist das denn? 1. Gedanke: Wie geht das denn? 2. Gedanke: Das tut bestimmt weh…
(mit zitternder Unterlippe) Kein HUHU????