Herr Silencer hat den neuen Star Wars schon gesehen und bietet eine spoilerfreie Meinung dazu an.
Mit 6 Jahren sah ich das erste Mal „Krieg der Sterne“ im Dorfkino und war dem Film sofort verfallen. Ab dem Moment sammelte ich alles darüber was ich finden konnte, aber das war nicht besonders viel: Der Star Wars-Hype war schon ein paar Jahre vorbei, und man musste schon großes Glück haben, um auf dem Flohmarkt mal die ein oder andere Spielfigur zu finden. Star Wars begleitete mich von der Kindheit bis zum Teenageralter, aber irgendwann wurden die Spielfiguren für das erste Moped verkauft, und dann geriet alles ein wenig in Vergessenheit.
Das änderte sich erst 1999, als die Prequeltrilogie anlief. Aber so sehr ich die mögen wollte, es gelang mir nicht wirklich. Damals verteidigte ich sogar noch „Phantom Menace“ als Grundstein für große, zu erwartende Ereignisse – die dann in den Filmen nie passierten. Episode I bis III zeigten letztlich nur eines: Das George Lucas ein verdammt schlechter Filmemacher ist, der keine Ahnung vom Geschichtenerzählen hat.
Folgerichtig gehörte ich zu denen, die gewogen und interessiert den Verkauf des Franchises an Disney betrachteten. Lucas´ beleidigter Rückzug aus dem Blockbusterfilmbusiness kam meiner Überzeugung, dass man seine eigenen Geschichten vor ihm schützen müsste, sehr entgegen.
Weit weniger begeistert war ich von der Verpflichtung von J.J. Abrams für einen weiteren Star Wars-Film. Abrams war für meinen Geschmack ein Mal zu oft den Weg des geringsten Widerstands gegangen, wie man am uninspirierten Mission Impossibe III oder dem schlampigen und unoriginellen Star Trek Reboot sehen kann. Außerdem scheint es in Hollywood so zu sein, dass man bei seichten Nerdthemen sofort NUR Abrams anruft, niemanden anders. Ich war also skeptisch, und wurde bestätigt: Die alte Besetzung sollte reaktiviert werden. Da war er, der Weg des geringsten Widerstands, die vermeintlich sichere Bank. Ich war angenervt von diesem kalkulierten Fanservice. Wer will schon ernsthaft eine übergewichtige und Schönheitsoperierte Carrie Fisher sehen, oder einen mopsigen Mark Hamill, oder diesen halbtoten Harrison Ford, der in seinen letzten Filmen vorsätzliche Arbeitsverweigerung betrieben hat? Ich nicht!Eine neue Hoffnung schöpfte ich aus den Bildern, die in den vergangenen zwei Jahren von den Sets kamen. Die sahen sehr nach Star Wars aus, zudem kam die Info, dass die alte Besetzung nur kurz auftauchen und eine Brücke zu einem neuen und interessanten Cast schlagen sollte. Heute Nacht war es nun soweit: Im gut gefüllten Multiplexkino konnte ich mir in der Mitternachtsprämiere selbst ein Bild von Abrams´ Version von Star Wars machen.
Das Ergebnis hat mich sehr begeistert, aber auch skeptisch zurückgelassen. „Das Erwachen der Macht“ zeigt, dass die Zerstörung eines Todessterns und eine Feier mit Ewoks nicht zwangläufig dafür sorgt, dass fortan alles gut läuft, sondern auch genau das Gegenteil passieren kann. Große Kriege sind nach 30 Jahren schon nicht mehr wahr, und selbst die größten Helden können in Vergessenheit geraten. Das ist ein interessanter Ansatz, der den Grundton für „Force Awakens“ vorgibt. Inhaltlich lebt der Film von der Verquickung von Altem und Neuem. Herzschlagmomente gibt es dabei zuhauf. Die kommen zum Glück selten als platter Fanservice daher, sondern sind subtil oder gut in die Geschichte eingewoben. Dazu kommt die Rückkehr von Humor, der aus der Situation und den Charakteren entspringt – etwas, was in den Prequels total abhanden gekommen war. Apropos Charaktere: Alter und neuer Cast spielen einfach nur hervorragend. Selbst Ford hat offensichtlich Lust und liefert mit seinem Han Solo eine Darstellung ab, die absolut auf den Punkt ist.Leider ist nicht alles supi, zwei der wichtigsten Charaktere in dem Film sind unverständlicherweise CGI auf Niveau von Dobby dem Hauself, was die Immersion sofort zusammenbrechen lässt, sobald sie im Bild sind. Das Pacing ist so rasant, dass es atemlos scheint – es gibt keine Minute Ruhe, ständig ist alles in Bewegung. Zusammen und dem wirklich gelungenen Look funktioniert diese Episode VII als Star Wars-Film, der die Prequels locker in die Tasche steckt. Im Ernst, schon in der ersten Filmminute ist „Erwachen der Macht“ mehr dunkle Bedrohung, als es „Phantom Menace“ je war.
Aber.
Das der Film so gut funktioniert liegt auch daran, dass er viele Dinge nicht erklärt und einfach in den Raum stellt. Ja, es sind interessante Brocken, die da hingeworfen werden und für die sich tolle Bilder finden lassen. Wenn „The First Order“ aufmarschiert oder Kylo Ren sein raues Kreuzschwert zückt, wenn Rey eine senkrechte Düne hinabrodelt und die Kamera über einen Islandplaneten schwebt, dann sind das große Szenen mit Erinnerungswert, die aber viele Fragen offen lassen. Woher kommt „The First Order“? Was geschah mit Ren in der Zeit zwischen Endor und jetzt? Und WTF Luke Skywalker?
Das sind Fragen, die J.J. Abrams nicht beantworten muss, mit Kontext und Folgeproblemen dürfen sich seine Nachfolger rumschlagen. Und genau da ist er wieder, der Abram´sche Weg des geringsten Widerstands. Genau so lief das schon bei „Lost“: Er liefert eine interessante Idee und macht eine tolle, erste Staffel – aber wie der darin angerissene Mumpitz und unzusammenhängende Setpieces zusammenpassen, das sollen doch bitte andere austüfteln. Wollen wir mal hoffen, dass das gelingt.
Für den Moment haben wie mit „The Force Awakens“ einen sehr guten Star Wars-Film. Ob er großartig ist, werden die nächsten Filme zeigen. Lust auf mehr macht er auf jeden Fall.
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