Die Überraschungsreise, Prolog (1): Schleichend

Die Überraschungsreise, Prolog (1): Schleichend

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12. Februar 2013
“Ich würde”, sagte Modnerd, “gerne mal verreisen, aber ohne zu wissen wohin.”
Er steuerte den Mietwagen durch das spanische Hinterland. Ich hing im Beifahrersitz und beguckte die riesigen Berge, die am Fenster vorbeizogen. Das rythmische Schaukeln des Wagens durch die Bodenwellen hatte mich etwas träge gemacht, auch im Geiste. “Wie soll das gehen?”, fragte ich. “Naja, normalerweise motiviere ich ja immer andere Leute, mit mir zu verreisen. Immer bin ich es, der das Ziel aussucht und der sich dann um Flug und Hotels und so kümmert”, sagte Modnerd.

Das stimmte. Mich hatte er 2010 auch dazu gebracht, einfach mal mit ihm in ein Flugzeug zu steigen und ein fremdes Land zu erkunden. Damit hatte er meine Reiselust geweckt, und im 2012 Jahr war ich das erste Mal auf eigene Faust verreist.

“Sowas will ich auch mal. Aber extremer. Jemand soll eine komplette Reise für mich bauen, und ich darf nicht wissen wohin es geht”, sagte Modnerd. “Hmhm”, brummte ich, dachte einen Moment nach und fügte dann hinzu: “Das ist bescheuert.”

Und das war das. Ich fand die Idee wirklich absurd und wollte mich da gar nicht länger drüber unterhalten. Außerdem, so vermutete ich, war die Idee eine spontane Eingebung, die Modnerd hinter der nächsten Kurve wieder vergessen haben würde. Dem war aber nicht so.

Modnerd und ich sind gute Freunde und entfernte Arbeitskollegen, was dazu führt, dass wir regelmäßig in einem Chat in Kontakt stehen. Zwischen arbeitsbezogenen Themen flackerte im Abstand von etwa einem halben Jahre immer mal wieder die Idee der “Überraschungsreise” auf. Ich ignorierte das, denn ich wusste immer noch nichts damit anzufangen.

Die Zeit verging. Ich sammelte eigene Reiseerfahrungen. Kurze Städtereisen, die wochenlangen Touren mit dem Motorrad, Dienstreisen. Ich bekam Routine im organisieren von Reisen. Gute und günstige Unterkünfte finden, Sehenswürdigkeiten abseits des Mainstreams recherchieren, Abläufe organisieren, das alles machte ich mittlerweile mit links. Auf meine Art.

Dann passierten drei Dinge:

1. Ich sah “By any Means”, das ist eine Reisedoku, in der der Protagonist sich ein geographisches Ziel setzt und versucht, möglichst viele, unterschiedliche Transportmittel zu nutzen, um es zu erreichen. Vom TukTuk über Boote, Autos und Motorräder bis zu Reittieren oder skurrilen Fluggeräten war alles dabei. Das fand ich cool. Das wollte ich auch.

2. Mittlerweile hatte ich so viel Routine in der Organisation von Reisen, dass ich mich nach einer Herausforderung sehnte. Irgendwas, das logistisch eine Herausforderung war, das kompliziert ineinander griff, sowas wollte ich gerne mal machen.

3. Ich entdeckte einen Winkel, aus dessen Perspektive ich Spaß daran hätte, so eine Überraschungsreise zu organisieren. Ich bin ein Mensch, der gerne Geheimnisse hat. Modnerd betonte, dass er im Vorfeld nicht wissen wollte wo es hinginge. Und wenn er in die Versuchung geriete, zu raten oder zu fragen wo es hinginge, sollte man ihm unbedingt falsche Hinweise geben und ihn damit verwirren. Ein Verwirrspiel mit einem Geheimnis in der Mitte. Das gefiel mir.

Diese drei Faktoren brachten mich dazu, mich doch noch mal mit der Idee der “Überraschungsreise” zu beschäftigen. Die Idee hatte sich angeschlichen, ich war auf Distanz gegangen, aber die Zeit steuerte mich immer weiter auf sie zu.

Jetzt war ich es, der im Chat immer mal wieder darauf kam.

[04.01.14, 19:48:24] Silencer: Ich habe neulich schon gedacht: Wenn ich Dich mit Augenbinde an Bord eines Flugzeugs bringe, denken alle, das wäre eine Geheimdienstüberstellung 😀
[04.01.14, 19:48:57] Modnerd: Ich mache mir dann ein T-Shirt: “Ich fahre in den Urlaub und weiß nicht, wohin.”
[04.01.14, 19:49:55] Silencer: Das drucken wir auf den Sack, den Du über den Kopf bekommst.
[04.01.14, 19:52:05] Silencer: Vielleicht ist das ein Geschäftsmodell? Spontanreisen.
[04.01.14, 19:52:15] Silencer: Firmenname: “Sackübernkopf Ltd”
[04.01.14, 19:52:57] Silencer: Rufste Mittags an, packst Deine Koffer, Abends klingelte an der Tür, Sackübern Kopf und Urlaub.

Gut, ganz so martialisch würde es nicht werden, aber ich merkte, wie ich mich immer wieder mit solchen Details beschäftigte. Wie würde ich dieses lösen, wie jenes angehen? Mein Hauptproblem: Ich würde schlagartig die Freude an so einer Reiseplanung verlieren, wenn Modnerd im Vorfeld erriete, wohin es gehen sollte. Ganz ohne Infos würde ich ihn nicht lassen können, zumindest eine Packliste würde ich ihm geben müssen. Außerdem hatte ich mich zieltechnisch auf Südeuropa festgelegt, und dort sollte es in ein Land oder eine Region gehen, in dem weder Modnerd noch ich bis dahin gewesen waren. Da blieb nicht viel übrig, und die Wahrscheinlichkeit, dass er es erriet, war sehr hoch. Für mich ein Showstopper.

Eines Nachts kam mir dann die Erkenntnis: EIN Ziel würde er erraten. Aber was, wenn es mehrere gäbe? Und eine komplexe Route, die alles von mediterranen Stränden zu schneebedeckten Bergen beinhaltete, die einzelnen Etappen verbunden durch unterschiedlichste Transportmittel? Bei so viel Diversität KONNTE Modnerd gar nicht alles erraten. Selbst wenn er ein Ziel erriet, so blieb der Rest doch im verborgenen. Ich konnte Geheimnisse in andere Geheimnisse hineinschachteln, und das würde alles komplex zu organisieren sein!

Jetzt hatte mich die Idee gepackt. JETZT wollte ich das auch machen.

[12.04.14, 12:08:36] Silencer: Wie sieht es denn im Herbst 2015 bei Dir aus? Bei mir wäre vermutlich die zweite Oktoberhälfte möglich.
[12.04.14, 12:08:53] Silencer: Und: Wie sähe das Budget bei einer Überraschungs-Abenteuerreise aus?
[12.04.14, 12:09:10] Silencer: Achja, und nochwas: Schifffahren verträgst Du doch, oder?
[12.04.14, 12:11:42] Silencer: Und: Welche Länder sind No-Go, d.h. da bist Du schonmal gewesen und fandest es total doof und willst nie wieder hin, und welche sind meh, d.h. nicht interessant?
[12.04.14, 12:12:28] Silencer: (Du merkst, ich hatte eine Inspiration)

Nach kurzer Absprache stand der Rahmen fest:

1. Zeitraum: Ende Oktober 2015, also in eineinhalb Jahren
2. Reisedauer: Ca. 10 Tage
3. Reisebudget: Max. 100 Euro/Tag die ich frei verplanen konnte ohne Rücksprache mit Modnerd halten zu müssen.
4. Ziel: Irgendwas in Südeuropa, aber nicht Spanien oder Portugal.

Blieb nur noch eine Frage offen: Wie würden wir diese Abenteuerreise ins Unbekannte nennen?

[05.07.14, 16:36:18] Modnerd: Für DÜR
[05.07.14, 16:36:32] Modnerd: (Die Überraschende Reise)
[05.07.14, 16:41:40] Silencer: DÜR hört sich aber DÜRR an. Dabei wird´s PHAT.
[05.07.14, 16:43:18] Modnerd: Possibly Heroic Aventure Trip?
[05.07.14, 16:44:19] Silencer: DAS gefällt mir!

Damit stand auch fest: Wir würden diese Idee, die sich so langsam und langwierig angeschlichen hatte, diese bescheuerte Idee, wirklich umsetzen.

3 Gedanken zu „Die Überraschungsreise, Prolog (1): Schleichend

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