Reisetagebuch (4): Granit und Bällebad
Im November 2015 begeben sich Modnerd und Silencer auf Reisen. Das Besondere: Silencer hat die Reise geplant, Modnerd hat keinen blassen Schimmer wohin es geht oder was ihn erwartet. Kontrollverlust und Überraschungen sind das Konzept dieser Reise. Dies sind die Tagebücher der beiden. Am vierten Tag wird Neuland betreten.
Dienstag, 3. November 2015, Euroferry Olympia, irgendwo im ionischen Meer
Silencer: Die “Olympia” gleitet durch die See. An Bord schlafe ich tief und fest in meiner Koje. Gegen vier Uhr werde ich kurz von den Lautsprecherdurchsagen wach, als das Schiff im Hafen von Igoumentisa, nahe der albanischen Grenze, anlegt. Ich drehe mich um und schlafe weiter. Der Takt der Schiffsdiesel, dass rythmische Klappern von irgendwelchen Dingen, das alles ist beruhigend und einschläfernd.
Ich werde wieder wach, als das Kajütenfenster rot strahlt. Die Sonne geht auf. Soll sie doch. Stört mich nicht. Ich drehe mich um und schlafe weiter.
Modnerd: Für die frühen Morgenstunden stelle ich extra einen Wecker, um den Sonnenaufgang vom Schiff aus zu sehen. Zwar geht die Sonne vor allem da auf, wo das Schiff hinfährt und man nicht gut hinsehen kann, also gibt es keinen wirklichen Panoramablick auf die griechischen Inseln mit vielen Bergen und das Festland, das links und rechts an uns vorbei zieht, aber es ist dennoch schön.
Das neue Verkehrsmittel und die ganz und andere Welt auf der „Euroferry Olympia“ lenken mich schnell von der Schmach ab, nun Griechenland nicht initial und überraschend zu erleben. Zu irgendetwas wird das Ganze schon gut sein, auch wenn es jetzt alles andere ist, als einmal gedacht. Immerhin nähern wir uns nun mit dem Schiff Griechenland. Etwas, das ich mir auf der letzten Reise auf die Todo gesetzt hatte: Zu Griechenland gehört einfach eine Schiffsüberfahrt und das Land von Patras aus mit dem Schiff zu erreichen, ist etwas Besonderes.
16 Stunden dauert die Fahrt, die längste Schiffsreise die ich bisher gemacht habe. Ich freue mich sehr über diesen weiteren Höhepunkt der Reise. Eine Sache mehr, die ich wohl freiwillig nicht gemacht hätte.
Das Tolle dieser Reise ist, dass ich permanent Dinge anders tun muss, als ich es sonst tun würde. Unbekannte Verkehrsmittel oder Regionen, die ich sonst meiden würde: Es ist eben nicht mein Stil, eine Reise zu machen, sondern ein ziemlich anderer. Und das ist perfekt und weiterhin spannend. Ich freue mich auf jeden Einzelnen der Tage, die noch kommen werden und habe noch viele Pralinenschachtelfächer zu öffnen.
Silencer: So spät schon?! Ach klar, die Nacht hatten wir ja Uhrzeitumstellung. Griechenland liegt in einer anderen Zeitzone, die osteuropäische Zeit entspricht gerade unserer Sommerzeit. Verschlafe tappe ich unter die Dusche und dann in Richtung Bordbar. Erstaunlich: Das Schiff scheint verwaist zu sein. Wo letzte Nacht die Menschen dicht an dicht in den Gängen und unter den Treppen lagen, ist es nun gespenstisch leer. Alle sind über Nacht verschwunden, in Igoumenitsa von Bord gegangen und von dort aus über die nahegelegene Grenze nach Albanien.
Im Bordrestaurant gibt es ein italienisches Frühstück aus Croissant und Caffé. Dann schlagen Modnerd und ich die Zeit tot. Lesen in der Kabine, wandern über das kleine Deck und gucken zu, wie links und rechts vom Schiff eine rauhe Berglandschaft vorbeizieht.
Modnerd: Kleiner Wermutstropfen: Die Wegelagerei. Ich habe eigentlich eine O2-Roamingflatrate, die gilt europaweit. Nur: Auf Fähren und Kreuzfahrtschiffen ist man irgendwann in internationalen Gewässern und damit NICHT mehr in Europa, wodurch Roaming-Regeln außer Kraft sind und auch die Kostenbremse nicht mehr gilt. Manche Schiffe fahren selbst einen GSM-Mast spazieren, der per Satellit angebunden ist. Dadurch wird es schnell richtig teuer. Besonders fies: Das spezielle Netz wird erst auf hoher See aktiviert und man vergisst, das Roaming abzuschalten. Als ich auf das Display meines Telefons blicke und “TIM@SEA” lese, kappe ich sofort die Verbindung. Aber es ist zu spät, ich habe rund 1,7 MB verbraucht.
Später wird sich herausstellen, dass diese winzige Datenmenge 40 Euro kostet. Auf der See gibt es keinen Veraucherschutz. Und die Warnmeldung von O2, dass man gerade horrende Kosten produziert, kommt erst 24 Stunden später an. Das sei, so O2, ein freiwilliger Service und keinesfalls eine Garantie. Ich werde auf den 40 € sitzenbleiben. Danke tim@sea und auch danke O2. Vermutlich teilt ihr beide euch die Einnahmen mit Grimaldi.
Silencer: Während Modnerd ausgeraubt wird und ich Kaffee trinke, hat das Wiesel Spaß auf dem Schiff. Was kaum jemand weiß: Wiesel sind eigentlich Seetiere. Mitte des 17. jahrhunderts galten sie für eine kurze Zeit (Mittwoch bis Freitag) sogar als Zahlungsmittel, und noch lange später waren angesehene Piraten die “mit den Hosen voller Wiesel”.
Das Blogwiesel hat im Bällebad der Kinderecke übernachtet und will da erst gar nicht wieder raus.
Um 13 Uhr navigiert die Fähre vorsichtig in den Hafen von Patras ein. Erstaunt stelle ich fest, dass sie nicht dort ankommt, wo sie eigentlich sollte – das ist wohl dem Streik geschuldet. Die Seeleute und Dockarbeiter haben den eigentlichen Hafen dichtgemacht, und die Olympia Ferry hat sich quasi als letztes Schiff hintenrum an eine sonst kaum benutzte Anlegestelle geschlichen. Egal, ich bin froh und glücklich überhaupt hier zu sein. Die Sorge, ob die Schiffspassage klappen würden, hat mich die letzten 5 Tage begleitet und neidisch auf Modnerd gemacht, der sich völlig unbefangen auf und über jeden Tag gefreut hat. Sorgen nicht teilen zu können macht sie doppelt schwer. Aber das ist nun vorbei, jetzt fühle ich mich von einer Last befreit und freue mich auf alles unerwartete, was nun auf uns zukommen mag.
Einen kleinen Fußmarsch durch die staubigen Straßen von Patras später stehen wir vor der örtlichen Hertz-Filliale. Ein schlanker Fünfzigjähriger im Anzug begrüßt uns und stellt sich als Nikos vor. Wir nehmen im klimatisierten Büro Platz. Nikos zieht die Augenbrauen hoch, als er meinen Namen liest. “Von wo kommt ihr?”, fragt er auf Englisch. “Aus Deutschland”, sage ich. “Neinnein, ich meine, wo kommt ihr heute her? Ihr seid gestern schon angekommen, oder?”, fragt er. “Nein, wir kommen aus Brindisi”, sage ich. “Was? Ist der Streik schon vorbei? Ich hatte versucht, euch zu warnen, euer Schiff fuhr doch gar nicht!” “Doch”, sage ich, “tat es”. “Dann habt ihr viel Glück gehabt, alle anderen Buchungen für heute sind ausgefallen”. ER war es also, der mir Herzkasper und Sorgen beschert hat, weil er trotz anderer Infos der Reederei behauptet hatte, das SChiff würde nicht fahren! Gut, kann ich ihm keinen Vorwurf draus machen. Nikos wollte nur vorauschauenden Service bieten. Sehr umsichtig, in unserem Fall aber leider ins genaue Gegenteil umgeschlagen.
Nikos macht schnell die Papiere fertig, dann steigen wir in einen kleinen, weißen Toyota Yaris und machen uns davon, in den Stadtverkehr von Patras. Über eine moderne Brücke geht es über eine Meerenge, dann nach Norden und in die Berge.
Immer kleiner wird die Straße, und nach drei Stunden reihen plötzlich sich die Serpentinen aneinander und wir sind in einem echten Gebirge. Die Straße liegt voller Steinschlag, aber die Gegend ist… fantastisch.
Die Sonne scheint, die Luft ist klar und man kann weit über eine zerklüftete Landschaft aus grauen Bergen sehen, deren Hängen mit herbstfarbenen Bäumen bedeckt sind und zwischen denen große Seen in der Sonne glitzern.
Die Straße windet sich in kuriosen Kurven durch die Berge. An schnelles Vorankommen ist hier nicht zu denken, aber darum geht es heute auch nicht. Es geht darum, diese irre Landschaft zu erleben. So brauchen wir für 180 Kilometer den ganzen Nachmittag. Da wir erst Mittags im Hafen von Patras angekommen sind, neigt sich der Tag schnell dem Ende zu.
Nach Einbruch der Dunkelheit kommen wir gegen 19.00 Uhr im Bergdorf Granitsa an und finden nach kurzer Suche das Hotel “Panorama”. Hier empfängt uns eine freundliche Frau Ende dreißig, die leider kein Wort Englisch kann, und eine Großmutter von geschätzt etwa 100 Jahren. Wir verstehen einander leider überhaupt nicht, aber die Großmutter wirft Modnerd einen Kußmund zu, was sich als Zeichen von freudnlichkeit deuten lässt.
Als wir uns gerade die Zimmer ansehen, kommt die Frau vorbei und reicht mir ein Telefon. Am Ende ist ein Dolmetscher, vielleicht der Chef des Hauses, der basale Dinge abfragt wie die gewünschte Uhrzeit für das Frühstück.
Danach gehen wir in eine Taverna, wo zunächst wieder niemand englisch spricht – bis dann der Chef des Hauses kommt, der einer anderen Sprache als Griechisch mächtig ist. Er zählt uns die verfügbaren Speisen auf. Das klingt alles so lecker, dass wir uns gar nicht entscheiden können. Folgerichtig bringt der Wirt uns von allem ein wenig, wobei “Wenig” ein griechisches “wenig” und damit immer noch mehr als genug ist. Es gibt Hackfleischklöße, Rindfleisch, Schweinswürste, Salat, Pommes und Feta, dazu harzigen Rotwein der angenehm benebelt. Großartig!
Ich kann mir ein Grinsen nicht verkneifen. Vergessen sind die Sorgen der letzten Tage. Alles hat geklappt, ich bin entspannt.
- Teil 5: Granatäpfel
2 Gedanken zu „Reisetagebuch (4): Granit und Bällebad“
Wenn etwas noch puschliger ist als Wieselfotos, dann sind es Fotos vom Wiesel <3 im Bällebad <3.
Awwwwwwww (ich lasse die restlichen Ws nur weg, um nicht das Format zu sprengen, aber dafr muss ich meine gesamte Willenskraft aufbringen).
Darf ich eines der Bilder für ein künftiges Puschel am Sonntag entleihen?
Danke für die Rücksichtnahme! Und klar, natürlich dürfen sie.