Gehärtet in den Flammen der Demokratie

Da stehen wir nun, im Jahr 2016, und statt auf fliegende Autos blicken wir erneut dem Faschismus ins Gesicht. Wer dieser Tage die politischen Entwicklungen verfolgt der ahnt nicht nur, der WEISS plötzlich wie die Nationalsozialisten an die Macht kamen, der VERSTEHT mit einem Mal, wie es zum Holocaust kommen konnte. Momentan werden allerorten die oft noch jungen Demokratien umgebaut in Autokratien. In der Türkei, in Ungarn und in Polen werden Presse und Justiz unter die Kontrolle der Politik gebracht und der politische Apparat in Richtung Präsidialsystem umgebaut, letztlich der Weg zur Diktatur.

In anderen Ländern sieht es nicht ganz so dramatisch aus. Noch nicht, möchte man sagen, weil hier noch keine radikalen Reformkräfte in Machtpositionen sind. Aber sie sind bereits auf dem Weg dahin. In Deutschland feiert die rechtspopulistische AfD einen Wahlerfolg nach dem anderen, in Österreich haben gerade fast 50 Prozent der aktiven Wähler/-innen einen rechtspopulistischen Kandidaten gewählt.

Gefühlt binnen eines Jahres ist es salonfähig geworden rechte Meinungen zu äußern und offen gegen Ausländer, gegen die-da-oben, gegen Andersdenkende zu sein. Hauptsache dagegen, denn das ist die Zauberwaffe des Rechtspopulismus. Er verspricht, dass am eigenen Unglück irgend jemand anders schuld ist, eben die Ausländer, die-da-oben, die Andersdenkenden. Wenn man die bloss los wird und eine Mauer ums eigene Land baut, dann wird alles wieder gut.

Der Politik- und Sozialwissentschaftler in mir ist fasziniert und ein wenig neidisch auf die Kolleginnen und Kollegen in der Forschung, die gerade sehr viel zu tun haben dürften. Als Mensch wird mir Angst und Bange, wenn ich die Entwicklung so ansehe.

In den letzten Tagen sind schon viele kluge Artikel erschienen. Die Essenz:

Meine persönlich wichtigste Erkenntnis, auch aus einem der vielen Artikel: Rechtspopulismus ist deswegen gerade wieder so stark, weil dieses Lager das Kämpfen gelernt hat. Versprechungen und ja, Visionen, die mit markigen Worten vermittelt werden, kurz vor der Grenze zu Blut-und-Boden-Reden. Im Gegensatz dazu schweigt das Bürgertum, und das ist falsch.

Mittlerweile haben wir es mit einer neuen Sorte von Faschismus zu tun. Solchen Leuten, egal ob sie sich „besorgte Büger“ nennen oder „Alternative“ oder „Freiheitliche“ oder „ehemaliger Klassenkamerad“, solchen Leuten hört man nicht mal zu. Mit denen diskutiert man auch nicht, denn da ist keine Diskursbereitschaft vorhanden.

Solchen Leuten zeigt man Stärke, in dem man ebenfalls mit markigen Worten Demokratie, Europa und humanitäre Hilfe preist und dabei keinen Handbreit nachgibt. Das bedeutet nicht, dass der Status Quo zementiert werden soll. Es ist sehr deutlich, dass Handlungs- und Änderungsbedarf besteht, dass neue Antworten auf Probleme gefunden werden müssen. Diese Antworten müssen aber auf internationalem Zusammenhalt aufbauen, differenziert und human und demokratisch sein. Es müssen wieder Visionen sein.

Europa kann nahezu alles schaffen, wenn die Länder nur zusammenhalten. Europa ist aus Einzelstaaten geschmiedete Stärke in purer Form, gehärtet in den Feuern der Demokratie. Europa sollte man nicht verteidigen müssen. Europa muss offensiv gegen die größten Probleme der Welt eingesetzt werden, um das Leuchtfeuer der Demokratie in die Dunkelheit des Nationalismus zu tragen und den Faschismus mit der Flamme der Freiheit auszubrennen.

Kategorien: Betrachtung, Politik | 5 Kommentare

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5 Gedanken zu „Gehärtet in den Flammen der Demokratie

  1. Deinen letzten Absatz kannst du so unterschreiben? Ich vermute eher, daß durch puren Länderegoismus der EU-Zusammenhalt teilweise zerbröckelt. Wäre jammerschade drum. Den momentanen Populismus von rechts aufhalten ist mehr gefordert als derzeit geschieht.

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  2. Der letzte Absatz ist ein Beispiel für markige Worte und die Art, wie ich möchte das Politik gemacht wird. Im Moment passiert das Gegenteil, Europabashing ist ganz groß in Mode. Das ist aber der verkehrte Weg. Und ja, ich glaube daran, das Europa alles schaffen kann – wenn alle die Idee mittragen.

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  3. Man soll achtsam sein, aber auch die Kircherln in den Dörfern lassen. Ich denke, die extremen Brachialverbaler bekommen auch etwas die Größe, die man ihnen einräumt, indem man sich immer mehr mit ihnen beschäftigt.

    Übrigens in Österreich waren es „nur“ 36% der Wahlberechtigten – alles andere nach oben und nach unten scheint mir Kaffeesudleserei.

    Ein nicht unerklecklicher Anteil dürfte übrigens – allerdings auch hier Kaffeesud und Analysen dazu wollte ich jetzt nicht suchen – durch die Herabsetzung des Wahlalters von 18 auf 16 entstanden sein. Hier wäre wirklich deutlich zu reagieren…

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  4. Applaus von mir!
    (Ja, nicht 50% der Wahlberechtigten – traurig genug dass relativ wenig von ihrem Recht Gebrauch machen, aber das ist noch mal ein anderes Thema!)

    (Und noch ein komplett anderes: die Erkennung von Android was ich schreiben möchte ist erschreckend gut!)

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  5. Rufus: Stimmt, hast Recht, es waren nicht ALLE Wahlberechtigten. Ist im Text geändert. Erstaunlich finde ich, dass bei so einer Wahl so viele zu Hause geblieben sind. Als wäre die ganze politische Mitte auf dem Sofa sitzen geblieben.

    Kalesco: *verbeug*

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