Reisetagebuch (13): Hodjapasha am Katzentag
Im November 2015 begeben sich Modnerd und Silencer auf Reisen. Das Besondere: Modnerd hat keinen blassen Schimmer wohin es geht oder was ihn erwartet. Kontrollverlust und Überraschungen sind das Konzept dieser Reise. Dies sind die Tagebücher der beiden. Der dreizehnte Tag ist kaputt.
Donnerstag, 12. November 2015, Istanbul
Zu einer Reise gehören auch so Tage, an denen gar nichts funktioniert. Kannste nix gegen machen, ist halt so, kommt man selten drum rum, und heute ist so ein Tag. Der Unsinn beginnt, als Modnerd und ich am Dolmahbahce-Palast vor verschlossenen Türen stehen. Donnerstags ist der nämlich geschlossen. Wußten wir nicht. Ergebnis oberflächlicher Recherche und schlechter Website.
Statt tollen Aufnahmen aus dem Palast gibt es ein Foto einer Katze. Wir sind ja hier im Internetz, Katzenbilder gehen immer.
Dann halt ins Eisenbahnmuseum! Das ist geöffnet!
Leider umfasst das Museum nur einen Raum von der Größe meines Wohnzimmers und zeigt relativ willkürlich durcheinandergewürfelte Fundstücke aus 200 Jahren Bahngeschichte, mit denen man nach sieben Minuten durch ist.
Immerhin erfahren wir, dass vom Bahnhof Sirkeci, neben dem wir wohnen und in dem sich das Museum befindet, 1961 die ersten Gastarbeiter nach Deutschland gereist sind.
Da wir einen Museumspass haben und noch dazu viel Zeit, besuchen wir das “Museum für Wissenschaft im Islam”.
Dort kann man sich erklären lassen, dass quasi jede Erfindung von islamischen Wissenschaftlern gemacht wurde, von der Mathematik über Teleskope bis hin zum Dönerspieß. Die Griechen der Antike und der Rest des Westens haben die lediglich geklaut und die Quellenangabe vergessen.
Das Museum ist hervorragend ausgestattet. Alle Errungenschaften, von astronomischen Instrumenten über Kriegswaffen bis hin zu Wasserpumpen, Sternwarten und medizinischen Instrumenten, werden in Nachbauten ausgestellt.
Direkt um die Ecke, am Topkapi-Palast, liegt das archäologische Museum. Leider wird hier gerade viel gebaut, nicht alle Räume sind zugänglich, und die besuchbaren Säle enthalten vor allem kaputte Steine.
Im Hof des archäologischen Museums gibt es ein Café. Das müsste eigentlich den Beinamen Katzencafé tragen. Lässt man sich an einem der Tische nieder, hat man sofort ein volles Dutzend gierig guckender Katzen um sich herum.
Eine ist sogar so dreist und springt auf den Tisch um unsere Kuchenteller einer genaueren Inspektion zu unterziehen. Das Tier ist nicht vom Kuchen abzubringen. Ein Mal trägt sie der Kellner weg, ein anderes Mal hebe ich sie am Nacken vom Tisch, aber die Katze gibt nicht auf. Vielleicht ist sie von Tauben aufgezogen worden? Benehmen tut sie sich zumindest so.
Wir schlagen ein wenig Zeit tot, denn etwas später steht noch was ganz besonderes auf dem Programm: Eine Kreuzfahrt den Bosporus hinauf, Richtung schwarzes Meer! Freue ich mich schon die ganze Zeit drauf. Als es soweit sein soll, mache ich allerdings ein dummes Gesicht: In der Nebensaison fährt das Schiff nur Samstags und Sonntags, was zufällig beides heute nicht ist. Meh.
Modnerd kommt auf die Idee, die alte Stadtmauer zu suchen. Von der wusste ich bislang gar nichts, tatsächlich ist sie aber UNESCO-Weltkulturerbe.
Modnerd: Statt Meer gäbe es jedoch noch die äußere Stadtmauer, die ich zufällig entdeckt habe. Nun gut, statt Meer also Mauer, zudem gibt es in der gleichen Richtung noch das Chora-Museum. Ich wäre gern mit dem Schiff gefahren und es braucht einen kleinen Moment mich umzustimmen, auch wenn die Idee für Mauer von mir kam. Es ist eben Donnerstag der 12. Und der dreizehnte Tag der Reise. Aber ich bin nicht abergläubisch!
Silencer: Mit der Straßenbahn fahren wir weit ins Stadtviertel Fatih raus und finden tatsächlich die Mauer. Oder besser: Mauern, denn es gab immer mindestens drei Lagen Verteidigungsmauer hintereinander. Um Istanbul von der See her zu sichern, gab es ebenfalls Mauern und eine große Kette, die vor dem Goldenen Horn hochgezogen werden konnte und so die Durchfahrt für Schiffe abriegelte.
Modnerd: Die Mauer ist zwar recht zerfallen, dafür aber doch ziemlich lang. Wir laufen nur einen Teil ab und der Blick auf die Altstadt von hier draussen ist noch einmal ein ganz anderer.
Schließlich kommen wir am Chora-Museum an, doch auch hier ist Donnerstag der 12., denn ein großer Teil des Museums (eine ehemalige Kirche/Moschee) ist Baustelle und das ganze Gebäude steht unter einem riesigen provisorischen Dach. Nur ein kleiner Teil, die Vorräume, sind zu sehen.
Silencer: Vor wir schon mal so weit westlich sind, besuchen wir gleich noch die Chora-Kirche – aber ach, auch die wird umgebaut, und wesentliche Teile sind nicht zugänglich. Aber hey, es gibt Katzen.
Ein nicht zu unterschätzender Nervfaktor sind die Ausrufer an den Ständen und Restaurants. Deren Aufgabe ist es, Leute für die eigenen Produkte/Waren/Dienstleistungen zu begeistern, und das tun sie, indem sie JEDEN auf der Straße anquatschen. Dabei legen sie erstaunliches Sprachtalent an den Tag. Nicht selten sprechen sie zig Sprachen und raten sogar, in welcher sie potentielle Interessenten (ich schreibe bewusst nicht Opfer, denn es handelt sich hier nicht um Abzocker) ansprechen müssen. Dennoch: Bei einem einfachen Gang durch die Stadt wird man bis zu hundert Mal angesprochen – die Filter um DAS auszublenden oder die Geisteshaltung, das als Service zu akzeptieren, bringen wir Deutschen einfach nicht mit. Aber ich will hier gar nicht mit tiefen Refelexionen langweilen. Hier, noch ein Katzenbild.
Wenigstens eine Sache klappt. Wenn ich auf Städtereisen bin, besuche ich total gerne Theater-, Musik- oder Musicalveranstaltungen. Theater fällt aufgrund der Sprachbarriere aus, aber…
Modnerd: Am Abend besuchen wir… ein Tanztheater, die tanzenden Derwische, direkt um die Ecke von unserem Hotel und einem ehemaligen Hammām untergebracht!
Auch wenn Tanzvorstellungen sonst nicht zu meinem primären Interessensbereich gehören (und es vielleicht die erste dieser Art ist, die ich überhaupt besuche) ist das eine tolle Sache. Insgesamt 16 Tänzer (davon 4 Solokünstler) zeigen in einer etwa 90minütigen Show unterschiedliche Motive aus lokaler und nicht ganz so lokaler Kultur.
Normalerweise treten im Hammām meistens tanzende Derwische auf. Allerdings sind es keine echten Mönche, die sich durch immer schnelleres Kreisen um die eigene Achse in religiöse Verzückung küseln, sondern lediglich Schauspieler des Hodjapasha-Theaters, die das Ganze für Touristen nachstellen.
Heute findet eine Show mit dem Namen “Rythm of the Dance” statt, ein bunt gemischtes und stellenweise laienhaftes Tanztheater. Mal Solo, mal im Gruppentanz werden alle möglichen Tanzarten vorgeführt, traditionelle genauso wie Stücke aus Lord of the Dance und Bauchtanz, auch männlichem. Wusste gar nicht, dass es sowas gibt, möchte ich auch nie wieder sehen.
Authentisch ist an dem ganzen natürlich gar nichts, in der Türkei galt Bauchtanz sogar lange als anrüchig und gehört dadurch nicht zur Folklore. Schön anzusehen und zu -hören ist es aber allemal.
Der heutige Tag in der Übersicht:
- Teil 14: Istanbul/Paris