Das Regieren der Kartoffel

Er wuchs in den 60ern in Polen auf, in armen Verhältnissen. Ein Bild von 1961 zeigt ihn und seinen Zwillingsbruder. Die Kinder sitzen  auf einem Feld. Die Kleidung der beiden scheint aus dem Mittelalter zu stammen: Grobgewebter Stoff, Sackhemd, ausgefranste Hosen.

Er hat nur einmal Urlaub außerhalb von Polen gemacht. Das war in den 60ern, als er mit seiner Mutter Verwandte in der Urkaine besucht hat. Außer polisch spricht er keine andere Sprache, kennt keine anderen Länder. Er besitzt bis heute keinen Computer. Das Internet nutzt er nicht. Sein erstes Bankkonto hat er 2009 eingerichtet. Bis dahin hat er das Geld in der Matratze versteckt. Für Geld interessiert er sich genauso wenig wie für Frauen. Er war sein Leben lang Jungeselle.

Wichtig waren ihm nur seine Mutter und sein Bruder. Seit beide tot sind, trägt er nur noch schwarz und redet kaum noch, selbst langjährige Weggefährten haben sich von ihm abgewandt.

Heute sitzt er in seinem Büro hinter einem großen Schreibtisch. Dort suchen ihn andere auf, Minister und Bittsteller und Lobbyisten. Er lässt sich ihnen berichten, über die Welt. Über das draußen. Über Polen. Polen ist das einzige, was ihn interessiert. Es ist sein Land, und seine Herrschaft über das Land ist absolut. Er hört den Ministern und Lobbyisten zu und fällt dann Entscheidungen. Diese Entscheidungen sind entgültig.
So regiert Jaroslaw Kaczyński Polen.

Diese Infos stammen aus „Politico EU„, dem seit 2015 erscheinende Politikmagazin. Das verblüfft mich immer wieder. Wie jetzt, denn allein durch das Zusammentragen von Fakten über Kaczyński wird absolut klar, warum Polen heute so erratisch wie aggresiv in der EU auftritt. Es erklärt auch, weshalb die Regierung, die er aus den Reihen seiner PIS-Partei handverlesen hat, das Land gerade wieder in eine Autokratie aus dem 19. Jahrhundert zurückbaut. Weil das genau die Regierungsform und das Zeitalter ist, die maßgeschneidert auf Kaczyński passen.

Polen wird von jemandem regiert der informationstechnisch so lebt wie vor 150 Jahren und der außer seinem Land nichts kennt. Eine traurige, graue, weltfremde Kartoffel. Das schlimmste: Der Mann ist nicht mal gewählt. Er steuert die Regierung aus einem Hinterzimmerbüro.

Zum Beitrag „Polands Powerholic“ auf politico.eu

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