N26 oder: Wenn die Bank auf´s Vertrauen pfeift

Man stelle sich einen privaten Postdienst vor. Dem übergibt man Briefe, denkt sich nicht weiter, und natürlich kommen die beim Empfänger an. Was für ein Gefühl ist es, wenn man Monate später feststellt, dass der Postdienst alle Briefe geöffnet, gelesen und den Inhalt kategorisiert hat? Und nicht nur dass, er hat über all seine Briefkunden hinweg eine Auszählung der Kategorien gemacht und veröffentlicht diese zu Werbezwecken: Hey, guckt her, wir haben soundsovieltausend Briefe befördert! 12 Prozent waren Liebesbriefe, 45 Prozent Rechnungen, 23 Prozent Mahnungen und in 10 Prozent aller Briefe wurde der Ex verflucht?

Undenkbar? Die junge Bank N26, formerly known as Number 26, macht genau das. Die Geschäfte des FinTech („Financial Tech“)-Startups konzentrieren sich auf das Banking mittels einer App. Mit der ist es auch möglich, anderen N26-Kunden in sekundenschnelle Geld zu überweisen. Die Bank nennt das „Moneybeam“. Bei jedem Geldstrahl lässt sich auch ein Betreff bzw. Kommentar beifügen, und genau diese Kommentare hat N26 nun ausgewertet, mit anderen Daten in Beziehung gesetzt und aggregierte Statistiken ins Netz gepackt.

Auf dieser Seite erfährt nun jeder interessierte, dass der Großteil der Leute sich anscheinend Auslagen für Mittag und Abendessen zurückerstattet, sind doch die am häufigsten verwendeten Kommentare „Essen“ oder „Lunch“, dicht gefolgt von „Pizza“. Auf weiteren Plätzen: „Bier“, „Burger“, „Döner“.

Auch die Zeit analysiert N26, und tatsächlich, zur Mittagszeit und am Abend wird das meiste Essen bezahlt. Aber auch zwischenmenschliches passiert in Moneybeams. „Ich liebe Dich“ und „Kuss“ sind nur einige der Schlagworte, die die Häufigkeitsauszählung anführen. Es gibt auch noch zwischenmenschlicheres, das… tiefer geht:

N26 wertet aus. So tief es geht.

N26 wertet aus. So tief es geht.

Mit der gibt sich N26 aber nicht zufrieden. Sie machen eine echte, sozialwissenschaftliche Analyse und Clustern Transferhäufigkeiten und Betreffe, um ihre Kunden dann in Profiltypen einzuteilen. Wie zum beispiel den „Sozialen“, der häufig Geld zwischen wechselnden Personen versendet und dabei überproportional häufig den Betreff „Drink“ verwendet.

Da passt es auch ins Bild, dass N26 nicht weiß, wie „Privacy Policy“ geschrieben wird.

"Privat Policy" (Sic!) Quelle: https://n26.com/moneybeam/

„Privat Policy“ (Sic!)
Quelle: https://n26.com/moneybeam/

Nach Orten ausgewertet führt Berlin. Aus all diesen Daten ergibt sich ein gutes Bild der N26-Nutzergruppe: Abgebrannte Berliner, die sich von Freunden und verwandten Geld schicken lassen, um das bei Döner und Bier auf den Kopf zu hauen.

Das die Statistiken diesmal anscheinden hauptsählich Hipsterlis getroffen hat, macht das alles aber nicht besser. Denn, mit Verlaub, das Verhalten von N26 ist creepy. Eine junge, aufstrebende Bank mit innovativen Ideen ist toll und hat mich selbst vor 6 Monaten zum Number 26-Kunden gemacht. Aber niemand kann es ernsthaft gut finden, wenn die Bank relativ kleinteilig seine Kunden analysiert und deren Daten NUR UM EINES LAUNIGEN BLOGPOST WILLENS INS NETZ STELLT. Wann wird wir häufig was von welchem Personencluster gekauft, das sind Daten, die auch aggregiert nicht in soziale Netzwerke gehört. Nicht jeder Kunde ist Anhänger der Spackeria.

Im Gegenteil. Für mich ist das ist wie ein Bruch des Briefgeheimnisses oder auf einer Stufe mit dem Vermieter, der heimlich durch die Wohnung schleicht und dann Statistiken über Hausbewohner ins Netz stellt. „26% all unserer Mietparteien trägt schwarze Socken“ lässt bei genügend großer Stichprobe keinen Rückschluss auf einzelne zu, aber dennoch: Sowas will man nicht. Sowas will ICH nicht. Gut, dass die Kündigungsfrist bei N26 kurz ist. Schade ist es dennoch, denn innovativ ist die Bank. Aber bei Stalkern lasse ich mein Geld nicht, egal wie erfindungsreich sie sind. Egal wie jung die Bank ist, um Geldgeschäfte zu machen braucht es Vertrauen.

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