Review: Rogue One. A Star Wars Story. (2016)

rogueone

Ich war ungefähr sechs Jahre alt, als ich den ersten „Krieg der Sterne“-Film sah. Danach war es um mich geschehen. In Spielzeuggeschäften gab es zu der Zeit kein Star Wars, aber ich besuchte jeden Flohmarkt in der Umgebung und hatte ab und an das Glück, die ein oder andere Actionfigur zu finden. „Die Guten“ bestanden am Anfang nur aus R2D2, Luke Skywalker und Ben Kenobi, für das Imperium kämpften zu Beginn nur ein Darth Vader, dessen Schulter mit einer Möbelschraube und schwarzem Fensterkitt geflickt war, und ein einzelner Stormtrooper, dessen rechtes Bein ständig abfiel.

Mit diesen fünf Figuren entstanden in meinem Kopf riesige Schlachten zwischen Rebellen und Imperium. Meistens kämpften die Fraktionen um eine Burg, die eigentlich ein Schuhkarton mit ausgeschnittenenen Fenstern und einer Zugbrücke war. Dieses Spiel innerhalb des Star Wars-Universums war auch ansonsten vollkommen logisch, denn als Kind war mir vollkommen klar, das selbst ein Darth Vader irgendwo wohnen musste, und was würde besser zu so einer dunklen Gestalt passen als eine unheimliche Burg? Und zweitens: „Krieg der Sterne“ trägt den Krieg schon im Namen, da gab es natürlich auch Bodenschlachten.

Witzigerweise fand das, was ich mir da vor über 30 Jahren zusammenspielte, in den Kinofilmen erzählerisch schlicht nicht statt. Sieht man mal von der Schlacht von Hoth ab, bei der die Rebellen nie eine Chance hatten, gab es keine Bodenschlachten in Star Wars. Und man sah auch nie die Auswirkungen der Besetzungen durch das Imperium.

Star Wars-Filme sind Märchenfilme, sie erzählen stets eine Heldenreise und bedienen sich aus dem Fundus von Kindergeschichten, inklusive Prinzessinnen, Zauberern und bösen Rittern. Das hat sich auch nicht geändert nachdem Disney das Ruder bei Lucasfilm übernommen hat. Die großen, offiziellen „Episode“-Filme folgen diesem Muster, das von George Lucas etabliert wurde. Daneben gibt es jetzt aber noche eine zweite Linie von Filmen, die sich gerade nicht um die Familie Skywalker dreht, sondern für sich alleine stehen.

Diese „Anthologie“-Filme sollen Nebenfiguren und Ereignisse beleuchten, und „Rogue One“ macht den Anfang. Er erzählt die Geschichte, die vor „A New Hope“ stattfand und zeigt, wie die Rebellen an die Pläne für den Todesstern gekommen sind. Als ich vor drei Jahren zum ersten Mal von dieser Idee hörte, verdrehte ich die Augen – wie einfallslos! Das sowas überhaupt nur in Erwägung gezogen wurde, war ein deutlicher Hinweis, wie Disney die Cashcow „Star Wars“ mit immer gleichen Geschichten melken würde. Der Diebstahl der Todessternpläne, my Ass, was wollte man da schon groß für eine Geschichte erzählen, das konnte doch nur langweilig werden!?

Nun, ich lag falsch. Denn was bislang alle vergessen haben: So ein unbegabter Geschichtenerzähler George Lucas auch ist, er hat mit „Star Wars“ ein Universum geschaffen, und in dem lassen sich alle Arten von Geschichten erzählen, nicht nur Märchen. Dieses Universum bietet auch Platz für sehr ernste Stories, für Tragödien, und für Kriegsfilme. Ein solcher ist Rogue One zur Hälfte geworden. Die Geschichte ist ernst, die Figuren erleben harte Schicksale, und rundrum tobt ein Krieg, in dem die Zivilbevölkerung  überwacht, unterdrückt und letztlich viel gestorben wird. Krieg ist schmutzig, und Rogue One umarmt diese Schmutzigkeit und macht sie zum essentiellen Bestandteil. Es werden Kriegsgefangenenlager auf Dreckplaneten gezeigt, die Raumschiffe der Rebellen sind schmutziger Schrott, und dauernd wird bei Nacht in Regen und Schlamm rumgelaufen.

Dazu ein Gefühl der Beklemmung. Der Film macht sehr früh klar, dass er sich aus dem gewohnten Territorium, in dem es kein Blut gibt und Helden nur an Altersschwäche sterben, entfernt. Schon die Einführungsszene einer der Hauptfiguren wischt alle „Han shot first“-Diskussionen als Zimperliesengewäsch davon und macht klar wohin die Reise geht. Wenn hier etwas explodiert, dann wummst es nicht nur – dann kracht es brachial, und es gibt Tote und Verletzte dabei. Diese Art der Gewalt kann jederzeit ausbrechen, denn das Imperium ist nicht zimperlich bei der Durchsetzung seiner Ziele. Der eiserne Griff des Imperators, der ganze Planeten und ihre Gesellschaften die Luft abschnürt, wurde in früheren Filmen nur behauptet. In Rogue One ist er zu sehen und zu fühlen.

In diese schmutzige, gewalttätige Welt wirft Rogue One seine Figuren: Eine junge Diebin, einen kaltblütig mordenden Rebellenagenten, einen umprogrammierten imperialen Droiden, einen nicht ausgebildeten Möchtegernjedi und einen zotteligen Typen mit einer Wumme, der aber kein Wookie ist. Diese Charaktere werden kurz, aber auf den Punkt skizziert, entwickeln sich danach aber nicht mehr groß weiter. Das ist genau richtig, den Rogue One ist Plot-, und nicht Characterdriven. Beispielsweise sind es nicht einzelne Rebellen, die hier wichtig sind. Nein, in Rogue One ist die Darstellung wichtig, wie zerstritten und unsicher die neu gegründete Allianz ist.

In Episode IV war die Rebellenallianz ja einfach da, warum und wieso war nicht wichtig. Rogue One zeigt, wie fragil die Allianz der Guten ist, und das die Guten nicht immer gut sind. Die Rebellen haben hier gerade erste eine gemeinsame Flotte aufgestellt, sind sich aber nicht einig, was die nun machen soll.

Während die Diplomaten sich noch streiten, ob man nicht doch besser vor dem Imperium kapituliert, gehen andere aus ihren Reihen kompromisslos eigenen Interessen nach. Solche Momente bringen mehr Fleisch auf die Rippen der Originalfilme und lassen die Leistung von Leia, Luke und Co. nochmal in einem anderen, dramatischeren Licht scheinen. Zerstrittene Rebellen hatten wir auch in den Prequels schon, aber da lastete so viel politischer und esoterischer Überbau auf den Diskussionen des Senats, dass die Verwerfungslinien zu abstrakt waren, um sie bedrohlich werden zu lassen. In Rogue One wird um einen Tisch herum am konkreten Einzelfall gestritten, und dadurch ist das ganze greifbarer – und schmutziger.

Ja, der Plot ist es, dem alles andere untergeordnet ist. Seine Handlung fährt der Film sehr gekonnt nach Hause und bringt dabei mindestens 4 Szenen mit, die mich im Kinosessel haben nach Luft schnappen lassen.

ACHTUNG, AB HIER SPOILER.

Die Story steht über den Charakteren. Die erleben keine Heldenreise á la Luke Skywalker, der vom armen Bauern zum Zauberritter wird. Diese Charaktere sind hier um zu kämpfen, zu leiden und sich am Ende zu opfern, für etwas, das weitaus wichtiger ist als ihr Leben. Das sie bis dahin keine Entwicklung durchmachen ist dabei folgerichtig und in Ordnung, wichtig ist, wie sie zueinander stehen – und da ist durchaus Dynamik drin, auch wenn das im Spektakel beim ersten Anschauen unterzugehen droht. Diese Gruppendynamik gibt es nicht nur bei der Rebellentruppe, sondern auch bei ihren Gegenspielern. Das ausgerechnet Grand Moff Tarkin den kleinen Speichellecker Crennic permanent drangsaliert und zu immer verzeifelteren und irrationalerem Verhalten manipuliert, ist eine der großen Überraschungen des Films.

Ein Totalausfall ist lediglich Forest Whittaker, der seine Figur mit seinem einen Gesichstausdruck schon arg schlimm spielt, und der mit der deutschen Synchro nur noch albern ist. Apropos Synchro: Sowas Schlechtes habe ich schon lange nicht mehr gehört. Die Sprecher sind fast durchgehend schlecht gewählt und völlig am Originalton vorbei. Das fällt besondes bei Vader auf, der hier klingt wie ein Schurke aus einer billigen Fernsehserie. Gelitten hat auch der Score, der es nicht schafft, wirklich eigenständige Akzente zu setzen.

Konträr zu der schmutzigen, kleinen Geschichte die Rogue One erzählt, sind die Schauwerte, die über den Film verteilt sind. Actionszenen sind häufig eingestreut und mit Druck inszeniert, die neuen Locations interessant und das Design von Rüstungen und Fahrzeugen ist eine gekonnte Ergänzung des Designs des ersten Films.

Tatsächlich stehen hier 70er Jahre Kostüme, Schnauzbärte und Kotletten gegen die brandneuen Designs der dunkeln Deathtrooper, und scheddereige U-Wings treten gegen dreiflügelige TIEs an. Das ist toll getrickst und sorgt insbesondere im letzten Akt für große Schlachten. Das ist auch gut so, denn während Imperium und Rebellen sich eine heftige Materialschlacht und sehr coole Dogfights liefern, bei denen es um die Wurst geht, zieht der Film andernorts ein Schema durch, wie man es aus Computerspielen kennt: Ein formelhaftes „Löse Aufgabe A um Gegenstand X zu bekommen, bringe X zu Ort D, stelle fest das zur Benutzung von X die Manipulation von Gegenstand Y an Ort E notwendig ist“, usw.
Das geht bis hin zu Jump-and-Run-Zitaten und nimmt dem Ganzen etwas an Dramatik. Das tut der Story aber keinen Abbruch, die schnell voranrast und zu einem überraschenden Zeitpunkt endet.

Am Ende verschlingt der Plot seine Kinder, aber er tut das 5 Minuten vor der neuen Hoffnung.

Rogue One ist in großem Maßstab das, was ich als Kind mit den fünf Actionfiguren zusammengespielt habe. Abgesehen davon, dass ich schon immer wusste, das Vader in einer Burg wohnt, ist der Film ein gelungener und wichtiger Beitrag zum Star Wars-Kanon und macht Hoffnung für die nächsten Anthologie-Filme. Bei deren Grundeideen habe ich übrigens auch die Augen verdreht habe, als ich von denen hörte.

Kategorien: Film, review | 6 Kommentare

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6 Gedanken zu „Review: Rogue One. A Star Wars Story. (2016)

  1. Jesko

    Schöne Review! War nach der Premiere auch etwas skeptisch, aber je länger ich drüber nachdenke desto mehr Lust habe ich ihn noch einmal zu sehen (was ich auch werde) und am besten in Englisch (was ich erst auf der BluRay erleben werde).

    MINOR SPOILER FOLGT:

    Aber was sollte die Szene mit dem Gedanken-Tentakel Wesen? Da fühlte sich so out-of-place an wie die Tentakel Wesen in Ep. VII (…vllt liegt es an den Tentakeln?)

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  2. Stimmt, die Szene war nonsense.

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  3. Finde auch die Effekthascherei mit 3 D in Zurückhaltung ist gelungen.

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  4. Habs jetzt auch geschafft und bin ziemlich begeistert. Ob vom Lesen deines Artikels schon beeinflusst oder nicht, aber du bringst wieder mal genau meinen Eindruck wieder. Schmutzig, Krieg, eine junge uneinige Allianz, skrupellose Agenten. Das ist auch eine der wenigen Sachen die mich etwas gestört haben: warum Diego Luna sich so um Jyn sorgt, er hat die gerade erst kennengelernt, hat noch keine richtige Idee wie wichtig sie ist und wollte eben noch seinen Befehl befolgen.
    Die Namen fand ich alle doof, die konnte man sich nicht merken 😦
    Das Tentakel Viech war auch nur zum Ekeln dabei, der Pilot war dann sehr plötzlich wieder sehr klar im Kopf…
    Ansonsten, sehr cooler Film und mir hat auch der Score gut gefallen.

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  5. Ah, Danke! Ich habe schon fast an mir gezweifelt, denn in meiner Filterbubble wird der Film gerade als „zweitschlechtester Star Wars-Film seit diesesm Film mit Jar-Jar“ durchgereicht, Das Luna seinen Befehl verweigert, kann man noch durchgehen lassen – nach den Ereignissen von Jehda ist klar, dass das Ziel des Mordes – den Todesstern einsatzbereit zu machen – nicht mehr erreicht werden kann. Die Waffe ist fertig, Erso umzubringennutzt nichts mehr.
    Aber das er Jyn einfach so folgt… entweder das ist Korpsgeist, nach den Ereignissen – oder einfach Liebe.

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  6. Ja, das war etwas komisch, da ist er ihr echt schnell verfallen 🙂

    Ich fand den Film super, bin mit den anderen alten Filmen aber auch nie warm geworden – war vielleicht zu sehr in Star Trek TNG verwurzelt.

    Aber ich hab jetzt jedenfalls große Lust gleich A New Hope anzusehen 🙂

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