Berlin Aftermath
Am Montag ist in Berlin ein LKW in einen Weihnachtsmarkt gerast. Zwölf Menschen wurden getötet, 50 weitere zum Teil schwer verletzt. Der Täter ist flüchtig.
Das sind im Moment die Fakten. Mehr weiß man nicht. Trotzdem wird versucht dieses Verbrechen zu instrumentalisieren, vor allem gegen Flüchtlinge und für stärkere Überwachung.
So machten die Rassisten von der AfD bereits unmittelbar nach der Tat Merkel persönlich für die Toten verantwortlich, weil ihre Flüchtlingspolitik dazu geführt hätte. Heute legen die Rassisten von der CSU nach, deren Generalsekretär fordert, dass die gesamte Flüchtlingspolitik auf den Prüfstand kommt. Scheuer, wir erinnern uns, ist der Rassist, der das Grundgesetz für Ansichtssache hält und Integration für gefährlich (“Das Schlimmste ist ein fußballspielender, ministrierender Senegalese, der über drei Jahre da ist, weil den wirst Du nie wieder abschieben.”).
Abseits der Bundesebene drehen auch die Landespolitiker frei. NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) etwa verkündete, dass nun auf den Weihnachtsmärkten im Land alle Polizisten schwere Schusswesten und Maschinenpistolen zu tragen hätten.
Ich kann gar nicht sagen WIE sehr mich das ankotzt. Ja, die Tat ist ein schlimm. Wirklich schlimm. Die Angehörigen der Toten verdienen unser vollstes Mitgefühl.
Aber warum fühlen sich Politiker aller Coleur jetzt bemüßigt, das Geschehene zu instrumentalisieren, um wahlweise Menschenrechte auszuhebeln oder einen Überwachungsstaat zu errichten? Diese Menschen sind es, die tatsächlich das politische System zum Schwanken bringen, was sich u.a. in Hassstimmung, Europafeindlichkeit, Brexit und Trump äußert.
Wir haben nämlich mitnichten eine Krise der Demokratie. Wir haben eine Krise der Politik, ausgelöst durch mangelnde Glaubwürdigkeit unserer Politiker.
Für eine repräsentative Demokratie ist das schlimm, denn wenn die Repräsentanten kein Vertrauen genießen, beginnt das System zu erodieren. Das ist der Moment, in dem manche ganz neidisch in Richtung direkter Demokratie schielen. Nur: Die funktioniert nicht. Man kann die Bevölkerung nicht über solche Fragen wie Europa abstimmen lassen. Dazu sind die Sachverhalte zu komplex, abstimmen tut die Bevölkerung dann letztlich für oder gegen Personen – mit katastrophalen Ergebnissen, siehe Hassstimmung, Europafeindlichkeit, Brexit und Trump, um nur ein paar zu nennen.
Die repräsentative Demokratie ist das beste System das wir haben. Es funktioniert aber nur, wenn die Repräsentanten Vertrauen genießen. Leider haben sie, gerade in den vergangenen Jahre, alles getan um Glaubwürdigkeit zu verspielen – so sehr, das sogar der Bundeskanzler Frau Merkel dagegen geradezu integer aussieht.
Aktionen wie die Instrumentalisierung von Gewalttaten und billigster Populismus tragen zur Vertrauensbildung nicht bei. Meine Sympathien liegen bei Politikern, die gerade nach solchen Taten einen kühlen Kopf bewahren, auf den Staat und seine Strukturen vertrauen und gleichzeitig dafür Sorgen, dass sich Trauer und Entsetzen nicht gegen andere Menschen verselbstständigen.
So wie Jens Stoltenberg das in Norwegen hinbekommen hat, nach den Taten von Breivick. Stoltenberg hat als Präsident damals dafür gesorgt, dass die Trauer Ausdruck fand, gleichzeitig aber gegen niemanden gehetzt wurde. So verdient man Vertrauen. Mir fehlen gerade solche Stimmen. Stimmen, die mein Gefühl zum Ausdruck bringen, das da lautet:
Ja, die Tat war schrecklich. Nein, außer dem Täter mache ich dafür niemanden verantwortlich, schon gar nicht Menschen, die unseren Schutz brauchen. Und nein, das hätte sich nicht durch Militär auf den Straßen, Einschränkung von Menschenrechten oder Überwachung der Bevölkerung verhindern lassen.
Solche Stimmen wären eine echte Alternative für Deutschland, nicht dieser Populistenquatsch.
2 Gedanken zu „Berlin Aftermath“
Du hast so von Recht, aber wirklich so was von.
Ich unterschreib das auch – und möchte dazu anmerken, dass ich mich ernsthaft frage, was mehr Polizisten mit mehr Waffen gegen rasende LKWs ausrichten sollen? *Das* soll uns überzeugen keine Angst zu haben?