Reisetagebuch Sizilien (7): FahrenFahrenFahren

Reisetagebuch Sizilien (7): FahrenFahrenFahren

13. Oktober 2016, Taormina

“Darf ich jetzt bezahlen?”, frage ich. Prompt kommt von hinter dem Tresen der Rezeption ein “No.” Valentina guckt mit demonstrativ gespitzen Lippen in ihren Computer und muss dann schließlich selbst lachen.

Es ist ein grauer und bedeckter Morgen in der Bucht von Taormina, und es fallen sogar einige Tropfen. Das ist aber vollkommen OK. Bisher habe ich mit dem Wetter ein Riesenglück gehabt. So trocken und wüstengleich heiß die Sommer aus Sizilien auch sind, im Oktober fällt normalerweise sehr viel Regen und gibt dem ausgedörrten Land das Leben wieder. Meist ist die Regenzeit Mitte bis Ende Oktober, also ziemlich genau jetzt. Aber in diesem Jahr hat es schon im September monsunartig geregnet, was die ganzen gesperrten Straßen und Erdrutsche erklärt. Das ich bislang jeden Tag strahlenden Sonnenschein hatte ist wirklich pures Glück.

Bedecktes Wetter, aber als Aussicht beim Frühstück immer noch zu gebrauchen.

Noch mehr Glück habe ich, dass das Tetrisspiel des Einparkmeisters meinen Twingo ganz nach vorn ans Tor befördert hat. Er steht sogar mit der Schnauze zur Ausfahrt, so dass ich gar nicht lange rangieren muss, sondern einfach einsteigen und vorsichtig aus der winzigen Auafahrt rollen kann. Es ist nicht zu glauben, aber auf der Fläche von vielleicht vier Behindertenparkplätzen sind gerade neun Autos und ein Motorrad untergebracht!

Durch den morgendlichen Rushhourverkehr geht es ein wenig an der Küste lang, dann ins Inland. Nach knapp 40 Minuten erreiche ich die Alcantara-Schlucht. Die ist bekannt für ihre seltsamen Gesteinsformationen und den Fluss, der durch sie durchrauscht. Früher was das Ganze ein Geheimtipp, jetzt steht hier ein riesiges Touristenzentrum, in dem man jede Art von Vergnügung buchen kann. Von Nordic Walking über Steilwandklettern bis hin zum Bodyrafting mit GoPro auf dem Kopf ist hier alles möglich. Sogar ein Maskottchen gibt es: ZazzaMike, ein Lurch-Ding, dass aussieht als stünde es unter Drogen.

Die Alcantara-Schlucht.

Es nieselt, und ich habe keine Lust darauf durch die Schlucht zu klettern oder sonstigen, von ZazzaMike empfohlenen, Aktivitäten nachzugehen. Also setze ich mich wieder in den Twingo und fahre weiter. Fahren, dass ist es, was ich heute will. Nur fahren, ein Mal quer durchs Land, ohne Route, und dabei die Insel auf mich wirken lassen. Und genau das mache ich dann auch.

Meist nicht schneller als 50, 60 km/h tuckert der Twingo über die SS120, die der Reiseführer als eine der schönsten Straßen Siziliens beschreibt. Recht hat er, die Straße schlängelt sich durch die Berge und an ihnen entlang, und dabei eröffnen sich immer wieder großartige Ausblicke.

Das Land ist zunächst Grün und hügelig und voller Wälder. Als ich die Region des Ätna hinter mir lasse, bleiben auch die Wälder zurück. Die Hügel sind jetzt grasbewachsen, und Schafe weiden darauf herum.


Solche Anblicke gibt es auch, aber sehr selten:

Natürlich ist auch die schönste Straße Siziliens nicht vor Zerstörungen durch Sonne und Regen gefeit, aber meist ist sie gut fahrbar.

Fahren hat auch was von Leidenschaft, von Kopf frei kriegen. Über hunderte Kilometer nur ich und die Straße, immer die Konzentration auf die nächste Kurve, die nächste Kreuzung. Von selbfahrenden Autos als Idealzustand für alle können nur diejenigen träumen, die noch nie wirkliche Freude am Fahren empfunden haben, von dem Reiz jeden Kilometer selbst zu er-fahren.

Kurze Pause. Das Wieseltier verpflegt sich mit einem zweiten oder dritten Frühstück.

Im Ort Enna muss ich tanken. Ich fahre Zapfsäulen meist auf der Seite des Tankservices an. Dann kostet der Liter Sprit ein paar Cent mehr, weil jemand kommt und einem das Fahrzeug zu betankt. Was ich vollkommen OK finde, denn Tankstellenpersonal kann jeden Cent gebrauchen. Wenn ich mit dem Motorrad unterwegs bin ist das super, denn dann muss ich nicht absteigen und Helm und Handschuhe ausklatern, sondern kann gleich weiterfahren. Und beim Auto, merke ich, ist es nett, wenn man ein paar Worte mit dem Benzinaio wechseln kann. Der alte Mann, der den Twingo betankt, kennt sogar ein paar Worte Deutsch, und freut sich einen Ast, als er die noch zusammen bekommt. Er bricht in zahnlückiges Gelächter aus und wünscht mir eine “Guddä Farrt!”

Im Westen wird das Land trockener, verbrannter, und zugleich felsiger und bergiger. Vereinzelt stehen Rinder auf der kahlen Scholle und gucken doof.

Ich schalte das Navi ab und folge der SS120 ins Hinterland. Erst wird die Straße immer schmaler, dann tauchen Schlaglöcher auf. Die verwandeln sich in Stellen, an denen die Hälfte der Straße den Hang hinabgespült wurde. Am Gefährlichsten aber sind die Absätze. Das sind Stellen, an denen die starken Regenfälle die Asphaltdecke unterspült haben. Dann hat die heiße Sonne draufgeschienen, und der Asphalt ist geschmolzen und hat sich dem neuen Untergrund angepasst.

Manche Absätze sind 30 Zentimeter hoch. Verpasst man die richtige Stelle um sie anzufahren, muss man zurück. Manche Absätze sind mehrere Meter hoch, und die Straße wirkt an solchen Stellen wie eine steile Treppe. Viele Abschnitte sind nur noch einspurig befahrbar, aber Gegenverkehr gibt es hier zum Glück kaum.

Kleines Schlagloch.
Ein kleiner Absatz.
Großer Absatz.

Als es gar nicht mehr weitergeht, biege ich nach Norden ab und fahre nach Cefalú. Der Ort liegt an der Nordküste Siziliens.

Meine Unterkunft heute ist die “Villa Rosa”, ein Bungalow, der auf einem Felsen am Stadrand von Cefalù liegt.

Das kleine B&B wird von Dario bewirtschaftet, einen drahtigen, superfitten Mann unbestimmbaren Alters. Vielleicht ist er Mitte vierzig, vielleicht Mitte fünfzig, keine Ahnung. Er wirkt ein wenig wie ein Aussteiger, aber er bewirtschaftet sein Bed and Breakfast voller Hingabe. Den Twingo lasse ich im Schatten einer Kiefer am Haus zurück, dann wandere ich in die Stadt.

Cefalù ist erstaunlich klein und erstaunlich voll mit deutschen Urlaubern. Kein Wunder: Der Strand vor dem Ort ist fantastisch, und fast bedauere ich es wieder keine Badesachen dabei zu haben. Nein, im Meer schwimmen wird erst im kommenden Jahr wieder drin sein.

Wenn schon schwimmen nicht möglich ist, suche ich mir andere Vergnüglichkeiten. Eine junge Dame verkauft mir Cannoli und freut sich, als ich die Kunstfertigkeit bewundere, mit der Sie die frittierte Teigrolle mit Ricottacreme füllt und dann dekoriert. Sizilien ist wirklich ein Paradies für Liebhaber von Süßigkeiten!

Hmmm, das schmeckt genauso großartig wie es aussieht!

Gestärkt streife ich durch die Altstadt von Cefalù. Die Gassen am Meer sind mir bunten Steinen und schönen Mustern ausgelegt.

Auf der Uferpromenade lasse ich mich nieder und blicke auf´s Meer hinaus. Die Sonne ist warm, Wind streicht mir um die Nase, und nur das Plätschern der Wellen, spielende Familien und das gelegentliche “DING!” einer Bootsglocke ist zu hören. Das Leben ist gut.

Dann erkunde ich noch ein wenig den Ort und finde den Dom.

Der Dom ist ganz schön groß und überblickt einen der zentralen Plätze, auf dem sich jetzt, die Sonne geht gerade unter, die Leute zum Essen oder zum Giro versammeln.

Die Sonne geht in diesen Breitengerade fast schlagartig unter, innerhalb einer halben Stunde ist es duster.

Interessante Architektur: Appartmentanlagen am Strand.

Ich finde einen Supermarkt, der mich mit Tabouleh und Sandwiches versorgt. Die Nacht ist warm, und so kommt es, dass ich mein Abendessen auf der Strandpromenade einnehme, während vom Himmel ein fahler Vollmond strahlt.

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2 Gedanken zu „Reisetagebuch Sizilien (7): FahrenFahrenFahren

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