Vor zwei Jahren lief „The Force Awakens“ im Kino. Der erste Star Wars Film aus dem Hause Disney zupfte stark an den Nostalgienerven, beschränkte sich ansonsten aber auf eine Nacherzählung von „A new Hope“. Das schürte starke Zweifel, ob die JJ-Abrams-Bande es wirklich schafft, Star Wars gut fortzusetzen. Episode 8 stellt also die echte Bewährungsprobe dar.
Eines vorweg: Ich habe im Kino selten so viele Emotionen durchlebt wie während dieses Films. Ich habe laut gelacht, bin vor Spannung im Sessel nach vorne gerutscht, und ich hatte sogar stellenweise Tränen in den Augen. „The last Jedi“ hat mich umgehauen, ich kam total geflasht aus der Mitternachtspremiere.
„Last Jedi“ ist Beweis dafür, was Kino immer noch leisten kann wenn ein Film eine Geschichte erzählen will und wenn er sich für seine Charaktere interessiert. Beides ist hier gegeben, und das ist mehr, als viele aktuelle Blockbuster hinbekommen – man erinnere sich an die DC-Debakel wie „Justice League“, wo nicht mal die Charaktere Bock auf die Story haben. Nicht so hier: Die Story ist dicht gepackt und wird ständig vorangetrieben, und die Charaktere sind allesamt interessant und machen eine Entwicklung durch – selbst solche, die in „Force Awakens“ als Nullnummern daherkamen, und ja, ich gucke hier in Richtung Dameron Poe.
Dazu kommt der fantastische Cast. Daisy Ridley ist eine Naturgewalt auf der Leinwand, sie dominiert durch ihre Präsenz ausnahmslos jede Szene. Mark Hamill macht eine ebenso gute Figur und rockt das Haus, und Neuzugänge wie Kelly Marie Tran sind eine echte Bereicherung. Ebenso eine Bereicherung ist, das die wichtigen Rollen im Geschlechterverhältnis auf ca. 50:50 kommen dürften. Das allein die ganze Führungscrew der Rebellen aus Frauen besteht, ist eine schöne Abwechselung, und Laura Dern als Admiral liegt vom Coolnessfaktor her ca. 8,5 auf der Mon-Mothma-Skala. Einziger Ausfall ist ausgerechnet Adam „Kylo Ren“ Driver, was aber wieder eher an der Rolle als am Darsteller liegt.
So ganz nebenbei räumt Regisseur und Autor Rian Johnson einiges an George-Lucas´schem Schwachsinn weg (Hoch-Machtbegabt darf jetzt wieder jeder sein) und dreht Star Wars in eine neue Richtung. Das Mantra des Films ist „Überwinde das Alte“. Das muss man nicht unbedingt mögen, es ist aber erfrischend.
Damit kommen wir zu spoilerhaltigen Kritikteil, denn obwohl „Last Jedi“ ein anschauenswerter und gut gemachter Film ist, der mich ziemlich weggeblasen hat, ist er keinesfalls perfekt.
ACHTUNG, SPOILER NACH DEM KLICK.
Mit etwas Abstand sind es drei Punkte, die mir zu schaffen machen:
1. Länge.
Ich hätte nicht gedacht, dass ich das mal sage, aber „Last Jedi“ ist zu lang. Er fühlt sich nicht so an, weil die Story so dicht und das Pacing so gut sind, dass die 150 Minuten einfach so durchrauschen. Dennoch ist er inhaltlich zu lang, weil jede Figur ihren eigenen Showdown bekommt. Und dann kommt noch der Gesamtshowdown. Und dann noch… ach. Es fühlt sich an wie das Ende von „Herr der Ringe“, wo auf jede Abschiedsszene noch eine weitere folgte. Irgendwann möchte man, dass es vorbei ist. Und die ganze Codebreakerszene im Mittelteil hätte man sich sparen können, der Handlungsbogen ist bestenfalls seltsam und für ein einzlenes Plotdevice zu aufwendig.
2. Humor.
Der Film ist lustig, und zwar auf eine Weise, die wir bislang nicht im Star Wars-Universum hatten. Was es bislang gab, waren Ewoks und der Pippi-Kacka-Humor von George Lucas, der sich vor allem in Slapstickseinlagen von Jar Jar Binks manifestierte. Was „Last Jedi“ nun mitbringt ist Dialogwitz. Das ist eigentlich gut, denn Dialoge konnte George Lucas einfach nicht. Es irritiert aber etwas – wenn Flynn Dinge sagt, die man eher von Marvelhelden wie Iron Man erwartet, ist das erstmal seltsam. Dazu kommen Merkwürdigkeiten, die nur ein Mal gut funktionieren. Wenn Dameron Poe einen Scherzanruf bei General Hux macht, ist das beim ersten Mal anschauen lustig, wird aber bestimmt kein Klassiker. Außerdem gibt es dem Film eine Leichtigkeit, die ihm eigentlich nicht zusteht. Das geht Hand in Hand mit Punkt drei:
3. Tonalität.
In „Last Jedi“ werden wichtige Dinge verhandelt. Es geht um nicht weniger als Not und Elend in der Galaxis, um das Ersticken des letzten Funken Hoffnungs. Zu spüren ist davon – nicht viel. Die Republik hatte man ja beim letzten Mal quasi schon Off-Screen vernichtet, über den Ernst der Lage erfährt man auch jetzt nicht viel. Wo Lucas immer den großen Bogen aufmachte, kleben die Disneyfilme immer an den Charakteren und verzichten auf Kontext.
Etwas mehr Kontext und vor allem: Mehr Drama! hätte dem Film gut getan, denn die Einführung von Marvel-typischem Humor macht den Film zu leicht, vor allem in Tateinheit mit den Handlungsbögen der Charaktere. Rey macht eh was sie will, Luke gibt erst mal den Comic Relief, Flynn und Roseversteigen sich in absurden Comdeyeinlagen. Eigentlich liegt auf den Schultern weniger Helden die Last des Universums, aber die scheinen das nicht zu begreifen. Das ist ein krasser Unterschied zu früheren Teilen: In „Return of the Jedi“ merkte man Luke in jeder Szene die Verantwortung an die er trug, und die den Film spannend machte: Würde er am Ende unter ihr zusammen brechen? Diese Gravitas war es, die nicht mal die Ewoks kaputt machen konnten.
In „Last Jedi“ hat die Unbesorgtheit der Charaktere nicht mal Folgen, denn die Konsequenzen tragen sie nicht selbst. Am Ende von „Empire“ hatte Luke eine Hand verloren, Han Solo war eingefroren worden und die Rebellen waren fast geschlagen. Nicht so hier: Den Hauptcharakteren passiert exakt gar nichts, die Folgen für die Auseinandersetzungen tragen Stellvertreter oder Sidekicks wie Phasma oder Rose. Keine Gravitas, keine Ernsthaftigkeit, das Gefühl „hier geht es um alles“ stellt sich nie ein.
Nirgends, auch nicht bei den Bösen: Hux ist eine Lachnummer, Snoke wird schnell entsorgt, Kylo Ren soll Kalif anstelle des Kalifen werden. Das funktioniert nur leider nicht, denn die Rolle von Kylo Ren ist als die eines verzogenen Teenagers angelegt, der sich nicht für fünf Cent unter Kontrolle hat. Er ist eine ähnlich komische Figur wie Hux.
Die Bedrohung ist damit eher so á la Spaceballs: Die handelnden Personen sind Witzfiguren, einzig durch ihre waffentechnische Überlegenheit definieren sie sich als gefährlich, und das wird von den Helden weitgehend ignoriert. Das muss man dem Film ernsthaft vorwerfen: Er nimmt sich nicht ernst genug. Als Mittelteil einer Trilogie hätten die Helden hier richtig leiden müssen, um in Episode 9 Katharsis zu erfahren. Passiert hier aber nicht, von daher frage ich mich schon, ob das wirklich eine Trilogie wird – oder eine endlose Forsetzungsreihe ohne echte Höhe- und Tiefpunkte.
In der Summe ist „Last Jedi“ eine gute neue Star-Wars-Episode, die aber dramatische Probleme im -ausgerechnet!- Bereich Dramatik hat. Damit steckt er Film zwar immer noch alle Prequels locker in die Tasche, stinkt aber gegen „Empire“ ab. Das ist besonders schade, weil der Film mit sehr wenig Aufwand, im Zweifel nur ein wenig mehr Sorgfalt im Schnitt, die bislang beste Episode hätte werden können.
Ja.
(mehr wäre nicht zu sagen, erscheint mir aber unhöflich: ich stimme zu, dem Film fehlt eine gewisse Schwere und der neue Humor ist auch bei mir (uns) gut angekommen, aber verfälscht den Ernst der Lage. Rey ist großartig, aus Kylo Ren hätte man mehr machen können, Snoke … was’n das bitte für ein Endgegner?! Also toller Film, nie langweilig obwohl so lang, aber auch nicht sehr handlungstreibend für das Universum, obwohl so lang. Einige Aliens fand ich zu viel/deplatziert, und die Sache mit den Fabias und der Kasinostadt und dem Benicio mit dem Deal… ne, das wäre auch direkter gegangen.)
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Das Ende von Snoke war zumindest eines: Überraschend! Ich habe mich dabei erwischt, wie ich kurz vorher gedacht habe: Wie cool wäre es, wenn… und dann haben sie es TATSÄCHLICH gemacht.
Was den Humor angeht: Ich habe gerade nochmal „Force Awakens“ gesehen – Poe macht da tatsächlich schon ähnliche Dinge wie sein Telefonstreich. Das ist also im Charakter angelegt.
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