„Du kommst sofort hier her! Und überleg Dir unterwegs schon mal, wie Du die Verstärkeranlage und ungefähr 30 Bose-Lautsprecher bezahlen wirst, die sind nämlich alle durch“, brüllte der Supervisor in den Hörer, dann legte er auf.
Mit einem Schlag war ich hellwach. Ich war um 06:00 Uhr morgens erst ins Bett gegangen, nun zeigte die Uhr kurz nach 9. Ja, wir hatten in der Nachtschicht und nach Geschäftsschluss das normalerweise laufende Dummradio abgeklemmt und stattdessen eigene Musik über den Verstärker laufen lassen. Ist doch viel angenehmer in den kurzen Stunden der Nacht, zwischen 1 und 4 Uhr, was Fetziges zu hören und nicht so Milchbubimusik, bei der man gleich einschläft. Als ich den Laden verlassen hatte war noch alles gut gewesen, und nun sollte die ganze Soundanlage kaputt sein?
War sie natürlich nicht. Wie sich herausstellte, hatte die Kollegin aus der Frühschicht auch eigene Musik hören wollen, aber dann am Verstärker was verkehrt umgestöpselt. Jetzt klemmte das Radio am Mikro-In-Eingang, deshalb knarzte und rauschte alles. War mit einem Handgriff behoben, hatte aber zur Folge, dass der wutschnaubende Supervisor uns eine Erklärung unterschreiben ließ, in der wir uns verpflichteten, keine privaten CD-Player mehr an die Soundanlage im Geschäft anzuschließen.
Die Anweisung befolgte ich gerne, denn der altersschwache Discman war mir eh inzwischen zu doof. Stattdessen klemmte ich in den folgenden Nachtschichten ein anderes Gerät an den Verstärker, das nicht verboten worden war Vermutlich, weil der Supervisor nicht mal wußte, dass es sowas gab: Einen MP3-Player, einen der ersten seiner Art.
Inspiriert von Rüdigers Beitrag im Thatblog (und weil ich ihn gerade beim Aufräumen wiedergefunden habe), zeige ich ihn hier: Den RIO PMP 300 von Diamond, einen der ersten MP3-Player überhaupt.
Den muss ich gebraucht gekauft haben, wie und woher und für wieviel weiß ich nicht mehr. Auch das wann ist mir nicht ganz klar, vermutlich habe ich ihn irgendwann 1999 oder 2000 gebraucht gekauft. Und ich habe ihn geliebt.
Der RIO war ungefähr so groß wie eine Zigarettenschachtel, nur etwas flacher und leichter. Auf seiner Vorderseite hat er ein Steuerkreuz für Play, Pause und Skip. Dazu die Funktionen, die man wirklich immer braucht, als echte Knöpfe, also Repeat one/all, Shuffle und die Lautstärketasten. Das lässt sich exzellent und blind bedienen, nur die silberne Farbe vom Steuerkreuz rubbelte sich im Lauf der Zeit ab.
Auf der Oberseite hatte der Player Einstellmöglichkeiten für unnütze Funktionen. Was „menu“ machte weiß niemand so genau, „EQ“ waren TonPresets, die aber alle gleich klangen, und „Intro“ benutze niemand, da skippte man einfach.
Der RIO wurde mit einer normalen 1,5 V Mignon-Batterie betrieben. Das war ganz praktisch, aber das federgetriebene Batteriefach war eine notorische Schwachstelle. Passte man nicht auf, brach man schnell die Scharniere ab. Passte man auf, und die Klappe blieb dran, sorgte die Federspannung im Laufe der Zeit dafür, dass das umliegende Gehäuse wegbröckelte.
Im Auslieferungszustand hatte der RIO 32MB Speicher (Ja, MEGABYTE!). In dem konnte er MP3-Dateien mit bis zu 128KB/s speichern. Klingt nicht nach viel, aber da ich den Player hauptsächlich am Autoradio betrieb, reichte auch eine Auflösung von 64 Kb/s. In 32MB passten dann rund 20 Songs, mehr als auf eine CD.
Über eine papierdünne Smartmedia-Karte konnte die Speicherkapazität auf 64 MB erweitert werden, dann passten fast 3 CDs in den Speicher des Rios.

Links: Smartmediakarte von 1998 mit 32 Megabyte Speicher. Mitte: SD-Karte von 2008 mit 8 Gigabyte. Rechts: Mikro-SD-Karte von 2016 mit 128 GB.
Die Musik kam über eine proprietäre Software vom PC auf den Player. Zur Übertragung gab es einen Dongle, der in den Parallelport des Rechners gesteckt wurde und mittels einen proprietären Kabels mit dem Rio verbunden wurde. Man bedenke: Im Jahr 2000 waren USB-Ports noch nicht weit verbreitet, und bei Der Veröffentlichung des RIOs im Jahr 1998 gab es die praktisch gar nicht.
Datenanschluss an der linken Seite des Geräts.
Auf der Rückseite gab es eine Metallkrone, in die ein Gürtelclip eingeschraubt werden konnte. Der fiel aber immer ab, genauso wie bei manchen Nutzern das Steuerkreuz an der Vorderseite. Ich hatte deshalb eine schicke Ledertasche für den RIO. Stabil, unkaputtbar und mir Staufächern für weiterer Smartmediakarten.
Mein RIO tut sogar noch. Batterie rein, Kopfhörer dran und schon erklingt Evanescences „Bring me to Life“ vom Album „Fallen“ von 2003. So lange habe ich den RIO also mindestens in Benutzung gehabt. Der Ton ist auch heute noch sehr gut, mit ordentlich Wumms.
War schon ein schönes Gerät, der RIO. Handlich, robust, sympathisch. Leider siechte er recht bald vor sich hin. Die Software zur Übertragung der Musikstücke wurde von Diamond irgendwann nicht mehr gepflegt. Es gab dann zwar eine Open-Source-Alternative, die war aber nicht gut. Dann verbreitete sich rasend schnell USB, und Flashspeicher wurde günstiger, so dass schlanke MP3-Player mit USB-Anschluss und mehr Speicher zum Standard wurden.
So einen Stickplayer hatte ich dann auch, und da ich wenig Musik höre sogar sehr lange. Erst 2008 wurde der Billig-MP3-Player von einem iPod-Touch abgelöst. Als die Rechner dann ihre Parallelports verloren, war der RIO gar nicht mehr nutzbar und wanderte in die Schublade.
Aber bis dahin hatte er mir viele, viele Nachtschichten mit guter Musik erträglich gemacht. Bei mindestens zwei Gelegenheiten sogar in Anwesenheit des Supervisors, der das gar nicht merkte, denn der kleine Rio klemmte unsichtbar auf der Rückseite des Verstärkers.
Ach RIO… einer der Nachfolger von dem hatte ich mal übergangsweise ausgeliehen bekommen, konnte ich aber nicht an der heimischen reinen Linux-Umgebung zum Laufen bekommen.
OT: Hast Du den Ping-Back viellicht deaktiviert, weil es kam keiner bei mir an. Wenn ich nicht Deinem Blog sowieso folgen würde hätte ich hiervon nichts mitbekommen.
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OT: Nein, Pingback ist aktiviert. Funktioniert auch, vermuet ich, neulich bekam sogar jemand beoi blogger.com was mit (und das Blogsystem merkt sonst gar nichts mehr).
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nope, kam nichts an, komisches Ding …
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Ich habe nochmal ein Häkchen gesetzt bei “ Versuche jedes in Beiträgen verlinkte Weblog zu benachrichtigen“. Vielleicht bringt das was.
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eher nicht. Der Prozess den Trackbacks passiert bei der initialen Veröffentlichung. Ich glaube gelesen zu haben, dass es nachträglich nicht geht und WordPress seit der Version 3. irgendwas den auch mal gerne verschluckt.
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Die Benachrichtigung kam gestern um 16:33 Uhr per eMail an, ist jedoch der RSS-Feed…
1998 ! Da arbeitete ich vorwiegend mit Disketten und 16fach-Brenner 😉 … und Win 98 ! Das tue ich auch heute noch bzw mit einem auf 35MB abgespeckten 95er. Läuft super – RailroadTycoon für DOS auf CD sollte diese Woche ankommen … einen RS232 baue ich noch immer auf jedem neuen PC ein – für die Bandsicherung … *kicher*…
Die Geschichte mit unfähigen Supervisionären kenne ich so: da hat sich einer doch tatsächlich einmal gewundert, daß das (vor Ort zur Verfügung gestellte) Laptop auf Dateien weit schneller zugreifen kann, wenn man sie von CD (mitgebracht, war die musikalische Untermalung zur Lesung einer Kinderbuchautorin) auf die HDD überspielt…
Interessieren würde mich, wie das Ding über meinen SherwoodRöhrenverstärker und die analog angesteuerten KlipschBoxen klingt, wenn es die Digitalbits grundsätzlich schaffen, es noch immer ordentlich rummsen zu lassen… 😉
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Rüdiger: Ist klar, war auch eher für die Zukunft gedacht.
Olpo: Du wohnst in einem Museum?!
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Naja, jenes Haus in welchem ich wohne, ist bestimmt 150 Jahre alt – reicht das alleine schon aus, als ein solches zu gelten ;-?
Museale Hardware zum Hören von Musik klingt halt allemal samtiger und runder (die Klipschorns aber dafür superscharf), als die Teilklangprodukte, denen die Spitzen kastriert wurden – das ist einfach so; wahrscheinlich hat jene Gruppe (die ganze Session als Hörprobe auf der Seite), die ich am Samstag einen Abend lang live erleben durfte, deswegen neben dem neumodischen MP3- und FLAC-Zeugs lediglich Vinyl und keine CDs produziert ;-!
Bei den PCs bin ich weit nicht so rigide – ich habe auf einem XP installiert.
Wenn’s wichtig ist, auch ein LinuxDerivat. Zum Netzwerken und gegen den Bundestrojaner.
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Entschuldigung – der Hyperlink scheint mir verrutscht zu sein.
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😀
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